Black Sabbath gegen kollektive Zwangs-Fröhlichkeit

Gleich der erste Song gibt die unkonventionelle Marschrichtung vor: Black Sabbaths Hardrock-Klassiker "Paranoid" begleitet Protagonist Red bei der täglichen Mühsal durch sein Leben, das nur Niederlagen und Antipathien bereitzuhalten scheint. Seine ungewöhnlich dicken Augenbrauen und der Umstand, dass er ohne Eltern aufwuchs, stempelten ihn schon früh zum Außenseiter ab. Dass er sich als einziger Bewohner der Vogel-Insel der kollektiven Zwangs-Fröhlichkeit verweigert und seine eigenen Gedanken hegt anstatt nach dem Schnabel der anderen zu reden, trägt auch nicht gerade zu seiner Beliebtheit bei. Kein Wunder also, dass er fern der anderen am Strand wohnt.

Als er bei der Ausübung seines Jobs in Folge ungerechter Behandlung durch seine Kunden einen Wutanfall bekommt, muss er vor den Kadi. Dieser fällt, von Reds unverschämter Missachtung der Würde des Gerichts beflügelt, das härtest mögliche Urteil: Red muss zum Anti-Agressionskurs! Dort lernt er zwangshalber den hyperaktiven Chuck, den buchstäblichen in die Luft gehenden Bomb sowie den schweigsamen Goliath Terrence kennen. Während Kursleiterin Mathilda ihren Schützlingen gesellschaftlich korrektes Benehmen – also nur ja niemandem auf den Schlips treten – beizubringen versucht, legt urplötzlich ein Schiff an, dessen Anker Reds Haus zertrümmert.

Aus dem Schiffsbauch treten zwei grüne Schweine, die alles daran setzen, sich bei den Vögeln einzunisten. Mit Disco-Mucke und diversen Geschenken schleimen sie sich rasch ein und erringen das Vertrauen der arglosen Vögel. Nur Red misstraut den Schweinen und ist der Einzige, der unangenehme Fragen stellt. Sehr zum Missfallen seiner Artgenossen, die ganz begeistert von den Neuankömmlingen sind. Jedenfalls bis sie feststellen, dass Red wohl doch nicht völlig unrecht hatte …

Wutvögel gegen politische Korrektheit

Mit dem Mobile-Game "Angry Birds" landete die finnische Softwareschmiede Rovio Entertainment einen echten Blockbuster, der nach nur wenigen Jahren eine Milliarde Downloads verzeichnen konnte. Weitere ähnliche Hits blieben bislang aus. Was lag deshalb näher, als dem Trend der Computerspielverfilmung zu folgen? Mit einem satten Budget von über 70 Millionen Dollar sollen die Wutvögel Red, Bomb & Co. die Leinwand und Herzen erobern. Freilich: Während Computerspiele wie "Tomb Raider" angesichts definierter Charaktere, Settings und Plots relativ leicht zu verfilmen sind, drängt sich ein Nonsense-Game wie "Angry Birds" nun wirklich nicht für eine Leinwandadaption auf.

Aus dieser Not machte Rovio Entertainment eine Tugend und produzierte einen computeranimierten Film, der insbesondere gegen radikalen Feminismus und politische Korrektheit scharfe Pfeile verschießt. Dabei folgt der Film zunächst bekannten Pfaden, indem er sich an Reds Fersen bzw. Krallen haftet und das Leben eines verbitterten Außenseiters schildert. Allerdings stellt der Zuseher rasch fest: Nicht Red hat einen an der Klatsche, sondern die Gesellschaft in der er aufwachsen muss. Jeder außer Red ist auf Harmonie bedacht und darauf, nur bloß niemanden zu verärgern. Abweichende Ansichten oder unkonventionelles Denken gilt auf der Vogel-Insel als verpönt. Wer dazugehören will, muss sich dem Kollektiv unterordnen. Individualismus? Schlimm. Kritisches Hinterfragen? Ganz schlimm. Maskulinität? Das Böse schlechthin!

Anarchistischer Humor: "Angry Birds"

Folglich ist das Leben auf der Insel für jemanden wie Red ein wahrer Spießrutenlauf, vor des es kein Entkommen gibt. Wie alle Vögel auf dieser Insel ist er flugunfähig. Das heißt: Einen "echten" Vogel gibt es, den legendären Adler. Ob dieser allerdings überhaupt existiert, ist umstritten. Rasch ahnt man als Zuschauer, wohin die Reise geht: Natürlich muss sich Red mit den anderen Kursteilnehmern verbünden und die Suche nach dem legendären Adler ist auch keine Spoiler-Warnung wert. Denn obwohl der "Angry Birds"-Film keine gänzlich neuen Wege beschreitet, versteht er mit vielen zweideutigen Witzeleien und seinem teils anarchistischen Humor über weite Strecken zu überzeugen..

Unübersehbar sind die subtilen Seitenhiebe auf die Flüchtlingsdebatten mit der Ankunft der grünen Schweine. Diese werden frenetisch bejubelt und jede berechtigte Frage Reds wird im Keim erstickt. Dass die Neuankömmlinge eine unliebsame Überraschung für die Vögel bereithalten, ist mit allerlei Anspielungen auf aktuelle Ereignisse gespickt. Besonders hintersinnig wird dabei der Femininisierung der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten. Brav den Schnabel zu halten, Zwangsfröhlichkeit zu verbreiten und jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen, kurzum, die Kumbaya-Mentalität von jedem Gesellschaftsmitglied einzufordern, erweist sich als fataler Holzweg. Die Botschaft des Filmes, falls man von einer solchen sprechen wollte, lautet denn folgerichtig: Die Natur hat sich mit der Dualität der Geschlechter, Testosteron und großen Gehirnen schon was gedacht

Unkonventioneller Animationsfilm mit Schwächen

Nun sollte man natürlich nicht allzu viel in einen solchen Film hineinzuinterpretieren versuchen. Dennoch ist es erfreulich, mit einem dermaßen rücksichtslos gegen den Mainstream gestriegelten Film verwöhnt zu werden, der die "wir alle müssen uns einfach nur lieb haben!"-Doktrin der Gutmenschen-Mafia auf subtile Weise anprangert.

Genauso unübersehbar sind auch die Schwächen des Films. Das letzte Drittel ergeht sich in einer etwas zu nervigen Materialschlacht, die wohl der Spiel-Prämisse geschuldet ist, und ist das deutlichste Zugeständnis an gängige Animationsfilm-Muster: Zusammenhalten, nie aufgeben, das Gute triumphiert. Da muss man einfach durch, ebenso wie Füllmaterial in Form von Musikeinlagen, was nach Ansicht des Autors ein "anything goes"-Trick in Kinder- und Animationsfilmen geworden ist: Man lasse zu fetziger (oder nervtötender) Musik diverse Charaktere lustig die Hüften schwingen, was angenehmerweise die Filmlänge künstlich in die Länge zieht und ironisch wirken soll.

Alles in allem betrachtet überrascht der "Angry Birds"-Film aber mit einer unangepassten, politisch unkorrekten Handlung, einem liebenswert "andersartigen" Protagonisten, guten Animationen, wenngleich nicht auf Pixar-Niveau, sowie einem bizarr durchmischten Soundtrack (Black Sabbath, Limp Bizkit, Rick Astley!). Hätte man den dritten Akt ebenso unkonventionell inszeniert wie die erste Stunde, hätte aus dem unterhaltsamen Film ein kleines Meisterwerk werden können. Aber immer noch besser knapp, als voll daneben.

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