Was kann man gegen Stress tun?

Umgangssprachlich bezeichnen wir mit "Stress" oft den inneren Zustand, in den wir geraten, wenn uns die äußeren Anforderungen über den Kopf wachsen. Kurzfristig sind wir Menschen durchaus in der Lage, mit Belastungen umzugehen, erleben dies sogar als anspornend und sind zufrieden mit uns selber, wenn wir das Problem bewältigt haben.

Jetzt ist's genug! (Bild: Conny M./pixelio.de)

Das Problem: Für viele Leute hört der Stress heute gar nicht mehr auf. Tagtäglich erleben sie ihre alltäglichen Belastungen als über- fordernd. Stress wird dann zum Problem, wenn Anforderungen und Möglichkeiten, sich wieder zu erholen, langfristig in einem Ungleich- gewicht zueinander stehen. Nun liegt die dauerhafte Lösung des Problems auf der Hand: Die Stresssymptome werden reduziert, wenn die Belastung verringert oder die Erholungsmöglichkeiten verbessert werden.

Doch dazu sehen sich viele nicht in der Lage: Sachzwänge bringen Menschen dazu, in unbefriedigenden und schlecht bezahlten Jobs, in einer lauten Wohnung oder belastenden Beziehungen zu bleiben. Bevor sich hier nun Resignation ausbreitet, soll in Erinnerung gerufen werden, dass eine professionelle psychologische/arbeitsrechtliche/sozialarbeiterische Beratung möglicherweise neue Perspektiven eröffnet. Doch bisweilen lässt sich an den Rahmenbedinungen realistischerweise nicht allzu viel ändern.

Es gibt aber auch andere Wege aus dem Gefühl, ständig gestresst zu sein: Auch gute Programme zur Stressbewältigung analysieren die grundlegenden Probleme und versuchen Lösungen zu finden. Zum Teil setzen sie aber ganz woanders an: Sie geben Menschen Möglichkeiten an die Hand, besser mit der Situation umzugehen. Ähnlich wirken auch Medikamente gegen Stress.

Schnelle Hilfe durch Tabletten?

Im Rahmen meines Artikels: "Schnelle Tipps gegen Stress" ist folgende Diskussion entstanden: Sind Methoden, die Menschen helfen, besser mit den Auswirkungen von Belastungen umzugehen, ethisch? Oder helfen diese Strategien nur den Arbeitgebern, noch mehr aus den Leuten herausquetschen zu können, bevor sie endgültig schlapp machen?

Ich weiß keine Antwort auf diese Frage. Stressbewältigungsstrategien und Medi- kamente können dem einzelnen Menschen durchaus helfen. Ist es so falsch, wenn ein Individuum danach trachtet, seine belastende Situation zu verbessern? Und auf Seiten der Berater und der Ärzte, die Medikamente gegen Stress verschreiben: Soll man Menschen Hilfe verweigern, weil sie auch ausbeuterischen Arbeitsbedingungen zugute kommt? Wem schadet das mehr? Dem Arbeitgeber, der im Burnout landet oder dem Arbeitnehmer, der den Betreffenden einfach gegen jemand Frischen austauscht.

Vermutlich lässt sich das Dilemma auf individueller Ebene nicht lösen, da es ein gesellschaftspolitsiches Problem ist. Aber es schadet wohl nicht, wenn sich Berater einmal durch den Kopf gehen lassen, dass ihr Handeln auch übergeordnete Konsequenzen hat.

Diese Rahmenbedingungen sollte man sich jedoch vor Augen führen, wenn man sich überlegt, Antistress Medikamente zu nehmen. Auch Medikamente gegen Stress setzen an den Symptomen an und ändern nichts an den Bedingungen, die überhaupt zu Stress führen. Doch während selbst die einfachste Stressbewältigungstechnick eine Verhaltensänderung braucht, und sei es nur eine kleine Pause, ein Innehalten, ein Moment des Energie-Tankens, passen Medikamente perfekt in die Schneller-Höher-Immermehr-Zeit: Einmal geschluckt, sollen sie die Stressymptome von selber beseitigen, ohne, dass sich auch das Geringste ändert.

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Welche Medikamente wirken gegen Stress?

PillenZunächst einmal: Es gibt keine Medikamente gegen Stress. Alle Medikamente, die gegen Stress genommen werden, wurden entwickelt, um damit Krankheiten zu behandeln. Wer ein Medikament gegen Stress nimmt, nutzt deren Wirkung oder auch deren Nebenwirkungen, um Stresssymptome zu behandeln, die jenen dieser Erkrankungen ähnlich sind: Sedierende Medikamente, die gegen Schizophrenie entwickelt wurden, gegen stressbedingte Unruhe oder Schlafstörungen. Antidep-ressiva gegen stressbedingte Lustlosigkeit.

Es fällt auf, dass Stresssymptome sich mit Krankheits-symptomen überlappen und wer sich nicht sicher ist, ob er noch gestresst oder schon krank ist, sollte besser einen Arzt aufsuchen. Wer von Montag bis Freitag völlig lustlos und Samstags und Sonntags unternehmungslustig ist, hat aber jedenfalls keine schwere Depression, die unbedingt mit einem Antidepressivum behandelt werden muss. Eine Depression kennt kein Wochenende. Die Beispiele sind übertrieben? Auf Sanego.de gibt es eine Liste von 40 "Medikamenten gegen Stress" samt dazu gehörenden Erfahrungsberichten.

Diese Liste enthält:

  • Zwölf Antidepressiva: Diese Medikamente wurden eigentlich für die Behandlung von Depressionen (und Angststörungen) entwickelt. Sie wirken stimmungsaufhellend und antriebssteigernd, manche machen auch müde und können zum Einschlafen genutuzt werden. 
  • Drei atypische Neuroleptika: Sie wurden zur Behandlung von Psychosen wie Schizophrenie, Wahnsymptomen oder manischen Episoden entwickelt. Sie sind bei diesen Patienten oft unbeliebt, weil sie angeblich "gefühllos" machen. In niedrigen Dosierungen bekämpfen sie innere Unruhe und Schlafstörungen. 
  • Zwei hochpotente Neuroleptika: Diese alten Medikamente wurden früher zur Behandlung von Psychosen eingesetzt und sind wegen ihrer erheblichen Nebenwirkungen nicht mehr sehr gebräuchlich.
  • Ein niederpotentes Neuroleptikum: Macht müde, früher oft als nicht süchtig machendes Schlafmittel eingesetzt.
  • Sieben Tranquillizer/Beruhigunsmittel/Schlafmittel: Wirken perfekt gegen Schlafstörungen und Unruhe, setzten aber leider die Konzentrationsfähigkeit herab und machen süchtig.
  • Ein Antiepileptikum: Wirkt ausgleichend und beruhigend auf die Stimmung, hat aber erhebliche Nebenwirkungen.
  • Ein Antihistamiikum: Wirkt gegen Allergien, macht aber müde. Diese Nebenwirkung wird zur Beruhigung genutzt.
  • 5 Naturheilkundliche/homöopathische Präparate, darunter Baldrian und Johanniskraut
  • Magnesium

Medikamente und ...

Ein Medikament der Liste finde ich nirgends, und falls jemand nachzählen will: In meiner Liste sind aus vierzig Medikamenten einunddreißig geworden, weil bei Sanego.de manche Substanzen unter verschiedenen Markennamen doppelt angeführt sind. Der Ordnung halber muss angeführt werden, dass die Menschen, die auf der Sanego.de über ihre Erfahrungen berichten, zum Teil nicht nur unter Stress leiden, sondern unter psychischen Erkrankungen, die Medikamente wohl rechtfertigen.

Trotzdem bleibt's dabei, dass alle diese Medikamente unter dem Stichwort Stress gepostet wurden und die Auswirkungen von Stress auf die eine oder andere Weise lindern können. Sicher ist auch, dass es kein Medikament ohne Nebenwirkungen gibt. Ob es mangelnde Information, Bequemlichkeit oder Verzweiflung ist, die Menschen zu Medikamenten gegen Stress greifen lässt, die eigentlich zur Behandlung von Krankheiten entwickelt wurden, vermag ich nicht zu beurteilen. Alternativen wären aber vorhanden.

Autor seit 13 Jahren
124 Seiten
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