Auftragslage: Cent-Gefeilsche auf dem Textermarkt
Die Texterbranche leidet. Aber nicht etwa unter fehlenden Aufträgen, sondern unter Preisen, die wortlos machen.Goldene Zeiten für Texter
Textern geht es bestens heutzutage. Das sollte man jedenfalls annehmen. In Zeiten von Google und Co herrscht reger Betrieb auf den Websites, ständig neue Inhalte müssen her, um bei den Suchmaschinen möglichst weit oben gelistet zu werden. Wer es nicht auf Seite eins oder zwei schafft, gehört zum langweiligen Mittelmaß. Wer auf Seite fünf landet, ist kaum erwähnenswert. Und noch weiter hinten? Befindet sich das Niemandsland. Eigentlich könnte Google sich Seite sechs und die Folgenden sparen, fast kein Nutzer sieht sich an, was sich dort befindet.
Für Texter ist das wunderbar. Immer neue Inhalte bedeuten immer neue Aufträge. Auftragsmangel bei Textern? Mitnichten! Es gibt genug zu tun und muss nur angegangen werden.
Dann ist doch alles bestens, oder?
Nein, ist es eben nicht!
Die Auftragslage hat nämlich einen störenden Nachteil. Die Preise sacken ab. Und zwar ins Bodenlose. Immer weiter nach unten dreht sich die Preisspirale und alle machen emsig mit. Ist das Desaster überhaupt noch zu verhindern? Oder werden Texter in Zukunft so etwas wie die Plastiktüten der Nation?
"Ich bräuchte mal einen Text von Ihnen."
"Wollen Sie einen schlechten oder lieber einen guten Text?"
"Ein Guter wäre sehr schön."
"Ok. Das macht dann zusammen zehn Cent."
Plastiktüten-Preise
Sind die geizigen Auftraggeber schuld daran, dass für ein Wort nur noch 0,6 bis 0,8 Cent beim Texter landen?
Oder liegt es an den Textern selbst, die sich gegenseitig unterbieten auf einem Markt, der hart umkämpft ist?
Die Wahrheit liegt -wie so oft im Leben- in der Mitte.
Der Kamm schwillt unweigerlich an, wenn man als Texter Anzeigen liest, in denen so etwas zu finden ist: "Wir suchen Profi-Texter! Die Auftragslage ist ausgezeichnet, Folgeaufträge sind garantiert. Wir erwarten Erfahrung und einen guten Schreibstil. Spaßtexter sind unerwünscht. Pro Wort zahlen wir 0,8 Cent".
Also gut, die wollen keine Spaßtexter haben. Verständlich. Aber Spaß-Preise wollen sie zahlen. Weniger verständlich. Eigentlich völlig unverständlich. Eine Frechheit, könnte man auch sagen.
Machen wir uns nichts vor. Viele Texte, die ins Netz gestellt werden, sind so schlecht, dass man lieber sofort etwas anderes machen möchte, wenn es irgendwie geht. Bloß nicht weiterlesen, das ist ja unerträglich!
Ehrliche Auftraggeber sprechen das sogar aus: Der Inhalt ist schnuppe, Hauptsache, die Keyworddichte passt. Einen solchen Text kann man dann vielleicht sogar in ein paar Minuten herunterrattern. Ohne Recherche versteht sich, dafür ist bei dem Preis keine Zeit. Derlei Texte sind vielleicht mit 750 bis 1.000 Wörtern in der Stunde geschrieben. Auf den Pulitzerpreis-Preis darf man allerdings nicht hoffen.
Qualität hat ihren Preis
Doch es gibt auch anspruchsvolle Texte. Und es gibt Auftraggeber, die sehr wohl Wert darauf legen, dass der gekaufte Text nicht auf den Bildschirm erbrochen, sondern mit Kompetenz und einen Blick für das Detail verfasst wurde. In aller Regel wissen diese Auftraggeber, dass man einen guten Text nicht für ein paar lumpige Cent bekommt. An dieser Stelle sei das zur Ehrenrettung aller seriöser Auftraggeber unterstrichen! Es gibt sie, diejenigen, die Qualität wollen und wissen, dass man dafür zahlen muss.
Womit wir beim Anteil der Texter an der Misere Keller-Preise wären. Wenn man ein bisschen im Internet surft, findet man nicht nur Aufträge, die zur Faust in der Tasche des Texters führen. Man sieht auch die Texter, die sich mit blumigen Worten auf diese Anzeigen bewerben. Formulierungen wie "Ich schreibe bereits seit 15 Jahren professionelle Texte, habe eine Vielzahl von Pressemitteilungen und Fachartikeln verfasst und bin der Meinung, dass Ihr Preis von 0,9 Cent absolut angemessen ist" lassen schon einmal Skepsis an der Definition des Begriffs "Logik" aufkommen. Und dieses Anbiedern ist leider nicht aus den Fingern gesogen oder dem Hut gezaubert. Es gibt diese Bewerbungen tatsächlich, immer wieder. Als Auftraggeber kann man da schon schwach werden. Wenn man statt 4, 5 oder sogar 10 Cent pro Wort mit weniger als einem die gleiche Qualität bekommen kann, wäre man doch blöd, würde man es nicht tun. Oder?
Stimmt.
Aber vielleicht ist hier ja auch etwas faul im Staate Dänemark. Vielleicht gibt es die Qualität eines Profis nicht für weniger als einen Cent. Vielleicht wird eine ganz Menge erzählt und getextet. Schließlich sprechen wir von Textern, die können das, in aller Regel jedenfalls.
Was passieren muss
Es wäre zu einfach, würde man den Schwarzen Peter einseitig den Auftraggebern oder Textern in die Schuhe schieben und sich selbstzufrieden zurücklehnen. Der Auftragsmarkt wird immer bestimmt vom Angebot und der Nachfrage. Die Nachfrage ist groß, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Doch genau hier liegt auch das Problem. Wer jeden Tag neue Inhalte kaufen muss, kann dafür keine astronomisch hohen Summen zahlen. Er muss genau kalkulieren.
Andererseits kann niemand erwarten, einen Mercedes zu bekommen, aber den Preis für einen Fiat zu zahlen. Wer massenhaft Texte braucht und keinen Wert auf Qualität legt, der soll dafür nicht über die Maßen belastet werden. Doch wer den Anspruch hat, dass Texte auf einem hohem Niveau geschrieben werden, der muss wissen, dass dazu mehr gehört als eine Tastatur und eine Tasse Kaffee und Stück Kuchen auf dem Schreibtisch.
Ein guter Text erfordert Vorarbeit, Recherche, Nacharbeit, er muss mehrfach gelesen werden, Feinheiten müssen verändert und verbessert werden. Und zwar solange, bis der Text das ist, was der zahlende Auftraggeber will. Es wird schon lange nicht mehr nach Stundenlohn abgerechnet (jedenfalls viel seltener als früher), sondern nach Wort. Kein Texter kann es sich leisten, 45 Minuten rumzusitzen, 15 Minuten zu schreiben und dafür gnadenlos abzukassieren. Und kein seriöser Texter tut das, denn Schreiben ist nicht nur Spaß und Freude, sondern darüber hinaus auch harte Arbeit. Wenn sich das Ergebnis dieser Arbeit gut lesen lässt und Lust auf mehr macht, dann hat der Texter einen guten Job gemacht.
Für 0,8 Cent aber geht das nicht!
Es wird sie auch weiterhin geben, die Texte, die im Akkord heruntergeschrieben werden. Und auch weiterhin werden diese Texte schlecht bezahlt. Es wäre illusorisch und naiv, das in Zweifel zu stellen.
Aber wenn die Texte mehr sein sollen als kleine alphabetisierte Give-Aways, wenn sie Tiefe und Individualität haben sollen, dann muss man dafür eben ein wenig tiefer ins Portemonnaie greifen. Auftraggeber sollten das wissen. Und Texter und Texterinnen sollten das erst recht wissen.
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