Ausflug - Palast des Visconde de Estoi
Der Palàcio do Visconde de Estòi ist mit seinem Prunk für die Algarve eine Ausnahme. Er entstand im 18. Jahrhundert und wird heute als Pousada für gehobene Ansprüche genutzt.Als Bewunderer portugiesischer Azulejos kaufte ich mir vor unserer Reise in die Algarve einen prächtigen Bildband "Azulejos in Portugal - Fliesendekor in Palästen, Gärten und Kirchen" von Sabo, Falcato und Lemonnier. In diesem Buch wird ein einziger Palast in der Algarve erwähnt und beschrieben. Es ist der Palast des Visconde de Estòi. Ich wollte wenigstens diesen einen Palast sehen, zumal mich hier laut Buch auch einige sehenswerte Azulejos erwarten sollten. |
Am 31.01.2010 besuchte ich also endlich Estoi, einen kleinen Ort 12 km nördlich von Faro. Bevor die Algarve touristisch interessant wurde, zählte die südlichste Provinz Portugals auf Grund der Unfruchtbarkeit ihres Bodens zu den ärmsten des Landes. Die Armut und die tief sitzende Angst vor Erdbeben führten dazu, dass hier nur wenige monumentale Gebäude entstanden. Selbst die Adelshäuser erscheinen schnörkellos und einfach.
Der Palàcio do Visconde de Estòi ist eine Ausnahme. Er wurde im 18. Jahrhundert zunächst von Francisco Josè Moreira Pereira Carvalhal e Vasconcelos (1756 – 1823) errichtet. Nachdem das Anwesen mehrere Jahre vernachlässigt wurde, erwarb es 1893 Josè Francisco da Silva, dem späteren 1. Visconde von Estoi. Dieser nutzte es als Lustschloss. Bis 1987 gehörte es den Nachfahren des Visconde von Estoi, ging dann in den Besitz der Stadt Faro über und wurde in den letzten 20 Jahren von der Hotelgruppe Pousadas de Portugal in eine Pousada für gehobene Ansprüche umgebaut. Das ehemalige Schloss wird für die öffentlich notwendigen Räume eines Hotels genutzt, wie zum Beispiel Empfang und Festsäle. Für die Gästezimmer erfolgte ein Anbau im modernen Stil.
Laut Reiseführer und Recherchen im Internet wusste ich, dass wir warscheinlich nicht das ganze Anwesen besichtigen können. Trotzdem war ich sehr enttäuscht, dass gerade der Teil des Gartens nicht zugänglich war, auf den ich mich besonders gefreut hatte – die unteren Terrassen des Gartens, deren Treppen reichlich mit Azulejos geschmückt sind. Ich kannte die Abbildungen aus meinem Buch und nun war gerade dieser Teil abgesperrt. Zum Glück konnten wir das Gebäude und die oberste Terrasse des Gartens besichtigen. Die Fassade erstrahlt in frischem Rosa, die Kuppeln der Türme in Gelb und die Geländer an Treppen und Gängen in Weiß. |
Die Mitte der obersten Terrasse dominiert ein Springrunnen, geschmückt mit einem Knaben, der auf einem Delphin reitet. Um diesen Brunnen angeordnet sind vier Blumenbeete, denen leider jede Farbigkeit fehlte. Das Foto zeig den Blick von den Balkonen des Schlosses über die Landschaft bis zum Meer. Rechts und links zwei kleine Pavillone, die innen neu restauriert sind.
Unter den Balkonen befinden sich wunderschöne Blendarkaden in der Hauswand mit 5 blau-weißen Azulejosbildern, davor je ein Sockel. Allerdings steht nur noch auf dem mittleren eine Statue. Die Fliesen stammen von dem Keramiker Pereira der Jüngere. Seine Signatur konnte ich auf einem der Kachelbilder fotografieren. Die Bilder stellen verschiedene Pflanzen wie Palmen, Yucca, Monstera und andere dar, umgeben mit einer Borte verschnörkelter Blattranken. Den Azulejos ist ihr Alter anzusehen, sie sind an den Rändern abgeplatzt und teilweise rissig. Laut Signatur des Keramikers stammen sie aus dem Jahr 1898.
Blau-weiße Azulejos, die Signatur ist gut zu erkennen |
Für den Fliesenfreund ebenso interessant erwiesen sich zwei zum Garten gehörige kleine Pavillons, die an den Wänden mit wunderschönen blau-weißen Fliesenbildern gestaltet wurden.
Hier gefielen mir nicht nur die Wände, sondern auch der Boden mit seinen geometrisch gemusterten Bodenfliesen und die mit farbigem Glas versehen Fenster. Alles zusammen bildet einen beeindruckenden Rahmen zum Verweilen. Die hölzernen Armlehnstühle im Inneren luden geradezu ein, sich hier eine Weile nieder zu lassen. Beide Pavillons enthielten neben dem Fliesenschmuck auch Wand- und Deckenmalereien. Mag sein, dass der Palst künstlerisch nicht so bedeutsam ist, wie andere in Lissabon und weiter im Norden Portugals, unseren Besuch haben wir nicht bereut. |
Weitere interessante Fliesen zieren eine Wand im Garten, die zu einem der Pavillons führt. Es sind im Gegensatz zu den blau-weißen Fliesen des Palastes mehrfarbige Fliesen, die Papageientulpen darstellen, nach oben abgeschlossen mit einer Reihe brauner Relieffliesen. Auch eine Bank im seitlichen Gartenbereich zierte sich mit farbigen Jugendstielfliesen.
Insgesamt schien der Garten (den wir besichtigen konnten) jedoch noch einige Arbeit zu erfordern, um ihn abgesehen von einigen sehr schönen Details zu einem wirklichen Gartenschmuckstück werden zu lassen. Die Arbeiten hierzu waren noch nicht abgeschlossen. Im unteren Gartenbereich, der für uns ein wenig einsehbar war, schienen die Restaurierungsarbeiten noch im Gange. Ein neuer Besuch einige Monate oder sogar ein, zwei Jahre später lohnt sicherlich. Vielleicht gelingt mir ja doch noch ein Blick auf die Fliesen der Treppenabsätze, die in meinem Bildband so prächtig aussehen.
Ein weiteres Buch, welches ich begeisterten Portugal-Reisenden empfehlen möchte ist der Bildband: Herrenhäuser und Gärten in Portugal von Bowe/ Saphieha/ Venturi aus dem GrungGenug-Verlag. Auf 224 Seiten (31 x 24 Zentimeter) zeigt das Buch beeindruckende Fotos von Palästen und Gärten rund um Lissabon, aus Sintra, aus der Region südlich des Tejo, ais dem Dourotal, der Provinz Minho und dem Tal des Mondego. |
Wenn Sie mehr über Fliesenkunst in Portugal erfahren wollen, lesen Sie nach unter
Azulejos in Portugal - Früher und Heute.
Bildquelle:
Heike Nedo
(Warum sind Schwedens Häuser rot?)