Balkan: Eine Marke, die nicht überleben durfte

Mitte der 1950er Jahre endete die bulgarische Flugzeugproduktion. Das Land verfügte plötzlich über eine Menge gut ausgebildeter Fachkräfte und Ingenieure ohne neue Herausforderungen. Obwohl es vermutlich vom sozialistischen Wirtschaftsbündnis RGW nicht so vorgesehen war, versuchte man sich daher an ersten Fahrzeug-Prototypen. In den 1960er Jahren kam es jedoch zu einer paradoxen Situation: Einerseits entstanden eine Reihe von durchaus interessanten Fahrzeugmodellen. Zum Anderen wurde die gerade erst entstehende, heimische Fahrzeugindustrie bereits wieder abgewickelt.
Im September 1960 stellten die Bulgaren den Balkan 1200 vor. Das Fahrzeug wirkte insgesamt wie eine verkleinerte Version amerikanischer 50erJahre-Fahrzeuge. Der Zweitürer besaß eine Pontonkarosserie, gestreckt abgerundete Formen, Panoramascheiben, Weißwandreifen und Chromradkappen. Das handwerklich gefertigte Fahrzeug schaffte allerdings nicht den Sprung zur industriellen Produktion. Auch seinen "Geschwistern", einem leichten Transporter namens T-800 sowie einem Minibus ging es 1962 ähnlich. Der Transporter erinnerte in seiner Frontansicht an den VW-Bully. Er besaß eine seitliche Kippvorrichtung und konnte immerhin 800 Kilogramm Zuladung vertragen. Sein vorzeitiges Aus verdankte der kleine Pritschenwagen der sowjetischen Führungsmacht. Für den T-800 wurden Teile des russischen Moskwitsch benötigt. Dieser Hersteller schaffte es jedoch nicht, entsprechende Produktionskapazitäten abzusichern... Die letzte bulgarische Eigenentwicklung im sozialistischen Automobilbau war nochmals ein kleines Nutzfahrzeug namens Rila 700. Die Serienfertigung dieses Prototyps scheiterte ebenfalls am staatlichen Veto.

Moskwitsch: Kooperation mit der Sowjetunion

Mitte der 1960er Jahre, als die bulgarischen Eigenentwicklungen bereits im Sterben lagen, begann die Kooperation mit dem russischen Autohersteller Moskwitsch. Einheimische Fachkräfte wurden in der Sowjetunion ausgebildet, so dass Ende 1966 die bulgarische Moskwitsch-Produktion starten konnte. Gedämpft wurde die lange Zeit ansteigenden Produktionszahlen lediglich durch die erneute Unfähigkeit der Russen, ausreichend Bauteile zu liefern... Im bulgarischen Lovech entstanden bis 1990 über 300 000 Fahrzeuge für den russischen Partner. Heute werden dort elektrische Flurförderfahrzeuge gefertigt.

Kooperationen mit westlichen Herstellern

Das ansonsten sehr treu zur Sowjetunion stehende Bulgarien knüpfte jedoch zusätzlich Kontakte zu den westeuropäischen Herstellern Fiat und Renault. Beide Unternehmen waren auch mit anderen Ostblock-Staaten durch Lohnfertigung bzw. Lizenzmodelle verbunden. Für Renault fertigten die Bulgaren im Zuge eines Gemeinschaftsunternehmens mehrere Modelle, wofür aus Frankreich komplette Bausätze geliefert wurden. Die Fahrzeuge firmierten etwas einfallslos unter der Bezeichnung "Bulgarrenault" und hatten ein eigenes Logo. Ansonsten unterschieden sie sich nicht vom Original. 1968 stellte man mit dem Hebros 1100 sogar eine Neuentwicklung auf Renault-Basis vor. Doch aufgrund fehlender Devisen für den Ankauf der Renault-Komponenten blieb das Fahrzeug ein Prototyp.
1967 schloss Bulgarien einen Vertrag mit Fiat, um die aktuellen Baureihen Fiat 850 sowie Fiat 124 (der auch der russische Lada entstammt) zu fertigen. Die Fahrzeuge wurden unter der Marke Pirin-Fiat produziert, benannt nach einem bulgarischen Gebirge. Das nur vier Jahre währende Projekt verzeichnete recht bescheidene Erfolge, so dass weniger als 800 Pirin-Fiat produziert wurden.
Eine absolute Rarität sind heute Autos der Marke Bulgaralpine. Sie basierten auf dem Modell A110 des französischen Sportwagenherstellers Alpine, welcher wiederum Renault-Komponenten verwendete. Im Rennsport der 1960er Jahre genoss der Alpine A110 einen guten Ruf. Eine Cabrio-Variante des rassigen Sportwagens wurde sogar ausschließlich von Bulgaralpine angeboten. Auf dem einheimischen Markt konnten diese Exoten sich allerdings aufgrund des hohen Preises nicht etablieren. Nach nur zwei Jahren Produktionszeit endete die kurze Ära des Bulgaralpine, von dem weniger als 100 Stück gebaut wurden.

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