Wieder Streik: Weiter Bahn-Chaos durch die GdL

Man stelle sich einmal vor: Nach acht Streiks vereinbaren die Bahn und die GdL für Sonnabend und Sonntag, den 16. und 17. Mai, intensive Gespräche und Verhandlungen. Am Sonnabend finden die Gespräche statt, aber am Sonntag erscheint die GdL nicht und gibt dafür der Bahn die Schuld. Das verstehe, wer wolle!!!

Es ist gerade einmal acht Tage her, dass der längste Streik in der 21-jährigen Geschichte der Deutschen Bahn AG beendet wurde. Jeder zweite Zug fuhr nicht. Jetzt will die GdL wieder – das neunte Mal – auf dem Rücken der Bahnfahrer und der Volkswirtschaft ihren Dickkopf unter Führung ihres Vorsitzenden Claus Weselsky durchsetzen.

Weselskys Problem

Der GdL geht es einzig und allein um die gewerkschaftlich Zugehörigkeit und damit die Tarifautonomie für die 3.100 Lokrangierführer bei der Deutschen Bahn. Weselskys Problem ist nur, dass 115 davon in seiner Gewerkschaft organisiert sind, die anderen 2985 aber bei der EVG. Für diese hat bisher allein die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die Tarifverträge abgeschlossen. Die Bahn aber will unterschiedliche Tarifverträge für ein und dieselbe Berufsgruppe vermeiden.

Gegen eine Schlichtung spricht sich die GdL immer noch vehement aus. Jetzt wird es wirklich Zeit, dass das geplante Tarifautonomiegesetz endlich in Kraft tritt und juristischen Bedenken standhalten kann.

Kaum noch Diskrepanz zwischen Forderung und Angebot

Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld, eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche und die Aufnahme weiterer Berufsgruppen in ihren Tarifvertrag. Das letzte Angebot der Bahn Ende April hatte eine stufenweise Lohnsteigerung ab Juli um 4,7 Prozent und eine Einmalzahlung von 1000 Euro vorgesehen.

Am Verhandlungstisch erschienen ist die GdL bisher aber noch nicht. Das nennt der betroffene Bürger ein dreistes Fehlverhalten, um im Sprachgebrauch der GdL zu bleiben.

Das Angebot der Bahn hatte die Gewerkschaft "entrüstet" als Dreistigkeit abgelehnt und stattdessen einen achten, "richtig langen" neuen Streik angekündigt. Das sieht nach einem schikanösen Arbeitskampt auf dem Rücken der Bürger und Fahrgäste aus. Den Personenverkehr will die GdL ab 5. Mai um 2.00 Uhr bis zum 10. Mai um 15.00 Uhr bestreiken. Der Güterverkehr soll bereits ab 4. Mai um 15.00 Uhr ruhen.

Die "Streikkultur" der GdL

Nun steht also innerhalb von elf Monaten der neunte Streik an, und seit dem 1. Warnstreik am 1. September 2014 hat es nur Spitzengespräche, keine Verhandlungen und nur Streiks auf Kosten der Wirtschaft, Bürger und Fahrgäste gegeben.

Hier eine kurze Chronologie der Streiks:

  1. September 2014: Drei Stunden Warnstreik im Personen- und Güterverkehr.
  2. September 2014: Drei Stunden Warnstreik im Personen- und Güterverkehr.

7./8. Oktober 2014: Neun Stunden Streik im Personen- und Güterverkehr

15./16. Oktober 2014: 14 Stunden Streik im Personen- und Güterverkehr.

  1. bis 20. Oktober 2014: 50 Stunden Streik im Personenverkehr und 61 Stunden im Güterverkehr
  2. bis 8. November 2014: 64 Stunden Streik im Personenverkehr und 75 Stunden im Güterverkehr
  3. bis 23. April 2015: 43 Stunden Streik im Personenverkehr und 66 Stunden im Güterverkehr.

4./5. bis 10. Mai 2015: 127 Stunden Streik im Personenverkehr und 138 Stunden im Güterverkehr.

19. Mai bis???

Nächster Streik???

Will die GdL überhaupt einen Tarifvertrag abschließen? Eine Schlichtung lehnt sie ab.

Der Eindruck wird immer augenscheinlicher, dass die GdL vor dem im Sommer in Kraft tretenden Tarifeinheitsgesetzes noch Fakten gegen die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und natürlich die Bahn AG schaffen möchte. Das Tarifeinheitsgesetz sieht nämlich vor, dass in einem Betrieb nur die jeweils größte Gewerkschaft Tarifverträge abschließen kann. Es scheint der GdL nur darum zu gehen, noch in der jetzigen Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes für weitere Berufsgruppen zuständig zu sein: Sie will mehr Macht; auf die Arbeitnehmerinteressen der von ihr vertretenen Mitglieder scheint es gar nicht mehr anzukommen. Das wird sehr deutlich durch das Verhalten der GdL: Sie verhandelt nicht, lehnt Angebote der Bahn als "Dreistigkeit" ab und will sich keiner Schlichtung unterziehen. Im Fußball nennt man das "auf Zeit spielen".

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, hat das Verhalten der GdL als unsolidarisch bezeichnet.

Der letzte Streik sollte 109 Stunden dauern

Mit dem Streik für den Güterverkehr vom 5. November ab 15.00 Uhr und für den Personenverkehr ab 6. November um 2.00 Uhr sah sich Verhandlungspartner Deutsche Bahn AG dem längsten Streik während ihres Bestehens ausgesetzt. Die 109stündigen Streiks sollten am 10. November um 2.00 Uhr beendet sein. Betroffen waren die meisten Fern- und Regionalzüge sowie die S-Bahnen der Deutschen Bahn. Politisch wohl nicht ganz überlegt hatte sich die GDL-Spitze als nächsten Streiktermin das Wochenende um den 9. November ausgesucht. Zu diesem geschichtsträchtigen Termin sollte eine große Feier des vereinten Deutschen Volkes aus Anlaß des 25-jährigen Mauerfalls begangen werden. Mit der Bahn jedenfalls kann die Anreise nicht erfolgen...

Die Forderungen der GDL

Die GDL möchte mit ihren Forderungen die Arbeitszeit ihrer Mitglieder von 39 auf 37 Stunden senken und Lohnerhöhungen von fünf Prozent durchsetzen. Bei Durchsetzung ihrer Lohnforderung würde sich bei den Lokführern der Monatslohn bei Berufsanfängern von 2488 Euro auf 2612 Euro und bei Lokführern mit 25-jähriger Berufserfahrung von 3010 Euro auf 3161 Euro erhöhen.

Außerdem möchte die GDL in einem Machtkampf auf dem Rücken der Zugreisenden mit ihren rund 34.000 Mitgliedern auch Tarifpolitik für Zugbegleiter, Bordgastronomen und Disponenten betreiben. Für diesen Personenkreis wurden bisher die Tarifverträge von der weit größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG für deren rund 240.000 Mitglieder abgeschlossen.

Abbruch der Verhandlungen trotz Annäherung

Die GDL wollte als fundamentale Forderung einen eigenständigen Tarifvertrag für Zugbegleiter durchsetzen. Diesen hatte die Bahn AG in Gesprächen zugestanden, wobei eine Lösung für ein Miteinander von zwei Tarifverträgen für eine Berufsgruppe unter Vermeidung einer Kollision der beiden Tarifverträge gefunden werden konnte. Völlig überraschend nahm die GDL von diesem Verhandlungsergebnis Abstand, erklärte die Verhandlungen für beendet und rief den inzwischen sechsten Streik vom 5. bis 10. November aus. (Foto © GDL)

 

Der Streik der GDL könnte gründliche wirtschaftliche Umwälzungen manifestieren

Leidtragende sind bei dem neuen fünftägigen Streik natürlich in erster Linie Bahn selbst mit riesigen Verlusten in Millionenhöhe und gleichzeitig die Bahnreisenden, die entweder auf ihre Fahrt verzichten oder zumindest für den Berufsverkehr auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen müssen. Wenden sich die Bahnkunden Mitfahrgemeinschaften zu, bleibt offen, wie viele Bahnkunden dann diese Mitfahrgemeinschaften beibehalten und so eventuellen weiteren Streiks generell aus dem Wege gehen.

Die Fernbusunternehmen haben bei dem letzten 50stündigen Streik von Marktzuwächsen von über 50 Prozent berichtet und einen kräftigen Ruck in die Wirtschaftlichkeit erfahren. Auch sie werden vom nächsten Streik wie der Güterkraftverkehr wieder kräftig profitieren.

Im Güterverkehr musste die Bahn schon beim letzten Streik Einbußen hinnehmen. Zum Beispiel hatten Autohersteller die Belieferung und damit alle Transporte auf den LKW-Bereich verlagert. Ob diese Maßnahme angesichts des nächsten Szreiks wieder sofort zurückgenommen wird, dürfte sehr zu bezweifeln sein.

Wie der Handel mit der Unbrechung seiner Lieferketten fertig werden wird, ist erst nach dem Streik deutlich.

Mit ihren Machtpokerspielen verursacht die Minigewerkschaft GDL einen nicht zu vertretenden volkswirtschaftlichen Schaden.

Die GDL in der Kritik ihrer Gewerkschaftskollegen

Der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner hielt sich zuerst mit Kritik zurück und erneuerte sein Angebot an die GDL, gemeinsam Tarifverhandlungen zu führen. Dann aber, als die Weigerung der GDL vorlag, ging Kirchner den 1959 in Dresden geborenen GDL-Chef Claus Weselsky, frontal an: "Er schadet nicht nur der Bahn, er schadet der Gewerkschaftsbewegung, weil er eine andere Gewerkschaftslandschaft haben will".

Die IG Metall richtete durch ihren Chef Detlef Wetzel starke Worte gegen die GDL: "Zuständigkeit zu reklamieren, obwohl einem die Mitglieder fehlen - das ist der Tod der Gewerkschaftsbewegung". Die GDL solle für ihre Lokführer arbeiten, nicht aber für die übrigen von ihr reklamierten Berufsgruppen, bei denen sie nur einen geringen Organisationsgrad aufweise. Das Verhalten der GDL unter Führung ihres Vorsitzenden Claus Weselsky sei "undemokratisch".

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, zeigte sich höchst besorgt über den Abbruch der jüngsten Tarifgespräche. Allerdings bekam die GDL auch Zuspruch aus Gewerkschaftsseite, nämlich vom Beamtenbund, dem die GDL angehört.

Kabinett beschloß das "Tarifeinheitsgesetz"? Was ist darin vorgesehen?

Immer lauter wurde in der Presse und in der Bevölkerung der Ruf nach einem Tarifeinheitsgesetz. Ein solches Gesetz soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sichern und konkurrierende Tarifverträge für dieselbe Berufsgruppe ausschließen. Gibt es zwei konkurrierende Tarifverträge, gilt der Tarifvertrag der in dem jeweiligen Betrieb mitgliederstärkeren Gewerkschaft. Die kleineren Gewerkschaften - wenn sie überhaupt bestehen bleiben - "dürften" dann die Verhandlungsergebnisse der größeren Gewerkschaft nur noch "abnicken und übernehmen". Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ließ in ihrem Haus die Regelungen eines solchen Gesetzes und seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz prüfen.

Am 11. Dezember 2014 beschloß das Bundeskabinett den Gesetzentwurf der Bundesarbeitsministerin: Wenn sich zwei konkurrierende Gewerkschaften in einem Betrieb für zuständig erklären, soll künftig nur der Tarifvertrag derjenigen Organisation anwendbar sein, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Zur Klärung dieser Frage sollen sich die Gewerkschaften abstimmen, so dass ihre Tarifverträge nur für verschiedene Berufsgruppen gelten. Sie sollen Tarifgemeinschaften bilden, oder die kleinere Gewerkschaft soll den Vertrag der größeren nachzeichnen. Die Ermittlung der größeren Gewerkschaft soll über einen Notar erfolgen. Die Gewerkschaften sollen die Namen ihrer Mitglieder dabei nicht nennen müssen. Das alles birgt reichlich Zündstoff für zukünftige Auseinandersetzungen.

Nun sind die Politiker im Bundestag, aber wohl auch Arbeitsrechtler und die Gewerkschaften am Zuge. Bis zum eventuellen Inkrafttreten des Gesetzes im Laufe des Jahres 2015 und einer zu erwartenden arbeitsgerichtlichen Überprüfung des Gesetzes muß sich der streikgenervte Bürger gedulden und den Machtpoker kleiner Gewerkschaften aushalten. Und das Bundesverfassungsgericht wird sicherlich auch tätig werden müssen.

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