Ben X: Drama um autistischen Computerspieler
Drama "Ben X": Der am Aspberger-Syndrom leidende Ben wird von seinen Mitschülern gnadenlos gedemütigt. Nur im Online-Rollenspiel „Archlord“ findet er Seelenfrieden.Flucht ins Online-Rollenspiel „Archlord“
Grausame Spiele mit Ben
Auf den ersten Blick erscheint Ben (Greg Timmermans) wie ein ganz normaler Jugendlicher. Tatsächlich aber leidet er am Aspberger-Syndrom, das ihn zum introvertierten Außenseiter in der Schule macht.
Jeder Schultag wird für Ben zur Qual, da ihn seine Klassenkameraden bei jeder Gelegenheit demütigen. Frieden findet er lediglich im Online-Rollenspiel "Archlord", das er jede freie Minute lang zockt und unter dem Pseudonym "Ben X" zum virtuellen Superhelden aufgestiegen ist, der jeden Gegner mit Leichtigkeit besiegt.
Nach einem besonders grausamen und demütigenden "Scherz" seiner Klassenkameraden verzweifelt er gänzlich und spielt sich mit Suizidgedanken. Trost spendet ihm einzig und allein Scarlite (Laura Verlinden), eine Mitspielerin aus "Archlord". Das hübsche Mädchen möchte sich sogar mit Ben treffen, was den schüchternen Jungen völlig verstört. Schließlich befürchtet er, sein Auftreten könnte Scarlite enttäuschen. Trotzdem überwindet er sich und fährt zum Bahnhof, um sie dort zu treffen …
Ben X: Die bittere Seite von Mobbing
Cyberspace als Refugium
Mobbing in der Schule rückte nur zögerlich in den Vordergrund. Nicht etwa deshalb, weil es ein neuartiges Phänomen wäre, sondern weil es viel zu spät medial und gesellschaftlich als Problem erkannt wurde. Wohl in jeder Schule gibt es Außenseiter, die von ihren Klassenkameraden verspottet, gedemütigt oder gar körperlich angegriffen werden. In seinem Regiedebüt "Ben X" präsentiert der Schriftsteller Nic Balthazar, der auch die gleichnamige literarische Vorlage schuf, einen klassischen Außenseiter. Ben ist "anders", was ihn zum beliebten Objekt des Spottes macht.
Dabei ist er ein ungemein sensibler und intelligenter Jugendlicher der nur versucht, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Wahrlich eine "Mission Impossible", zumal, wenn man am Asperger-Syndrom leidet, einer relativ milden Form des Autismus. Konsequenterweise flüchtet sich der Gedemütigte in den Cyberspace. Dort, in der Anonymität, wo jeder ein Held sein kann, unabhängig von Äußerlichkeiten, erweist sich Ben als das, was er nur zu gerne in der Realität wäre: Stark, mutig und von seinen Mitspielern bewundert. Freilich: Für den Menschen hinter dem Pseudonym "Ben X" interessiert sich kaum jemand.
Visuell brillant inszeniert
Nur die junge "Scarlite" – ebenfalls ein Pseudonym – scheint in Ben mehr zu sehen, als lediglich den virtuosen Computerspieler. Verständlicherweise fühlt sich der Mensch hinter "Ben X" geschmeichelt, als ihn das hübsche Mädchen um ein Treffen bittet. Was für andere Jugendliche erfreulich wäre, gerät für den Außenseiter aber zum übermächtigen Problem. Viele ähnlich gelagerte Filme würden an dieser Stelle ein Happyend in Aussicht stellen. Nicht so Nic Balthazar in seinem Regiedebüt: Er verweigert sich der einfachsten filmischen Auflösung und spinnt das Drama noch einen Tick weiter, bis zum wahrhaft bitteren Ende.
Visuell ist "Ben X" brillant inszeniert. Die Vermischung aus Realität und Phantasiewelt gelingt auf selten zuvor gesehene Weise und überrascht mit innovativen Ideen.
Ein wenig zu glatt geraten sind die meisten Charakterisierungen. Meist zeichnen sich die Figuren durch ihre schematische Darstellung als "gut" oder "böse" aus. Im Kontext des Computerspielszenarios mag dies sogar als höchst zutreffend gelten. Dennoch hätte dem Drama eine Prise mehr an komplexen Charakterisierungen gut zu Gesicht gestanden. Lediglich Bens Mutter schwankt zwischen unerschütterlicher, fast naiver Mutterliebe sowie unterdrücktem Zorn auf ihren "seltsamen" Sohn, der partout nicht "normal" sein kann.
"Ben X": Gelungenes Jugenddrama
Alles in allem kann "Ben X" nach eineinhalb Stunden Laufzeit als hervorragend gespieltes Drama die Erwartungen des Zuschauers erfüllen. Kein billiges Happyend, keine eindeutigen Schuldzuweisungen. Der Mangel an Charakterisierungen sowie das mit Symbolismus überfrachtete Ende trüben den superben Gesamteindruck nur unwesentlich. Wer an ungewöhnlichen Dramen interessiert ist, findet mit "Ben X" einen herausragenden Vertreter des Genres vor.
Originaltitel: Ben X
Regie: Nic Balthazar
Produktionsland und –jahr: Belgien/Niederlande 2007
Filmlänge: ca. 93 Minuten
Kinostart: 8. Mai 2008
FSK: Ab 12 Jahren
Verleih: Kinowelt
Bildquelle:
http://www.amazon.de
(Horrorfilme: Nach wahrer Begebenheit oder frei erfunden?)