Nora Quest, Gerrit Jansen, Oliver ...

Nora Quest, Gerrit Jansen, Oliver Kraushaar, Martin Rentzsch (Bild: © JR / Berliner Ensemble)

Geld für Arme und Notdürftige

Die Bühne sieht wie ein leeres Schwimmbad aus. Es sind vier Felder, die in der Mitte in einer Senke zusammenlaufen. Als sei in der Mitte ein Sprengsatz explodiert. Eine kalte Bunker-Atmosphäre, unwohnlich und aseptisch, metallisch wirkend wie ein verlassenes Grabfeld ohne Gräber. Hier lässt die Regisseurin Laura Linnenbaum ihre 6 Schauspieler*innen agieren, und sie kann sich nicht entscheiden zwischen familiärer Tragödie und Komödie. Die Sache ist nämlich die, dass der kahlköpfige Partriarch Friedrich (Martin Rentzsch) nicht mehr seinem mit Leidenschaft betriebenem Hobby – der Akkumulation von Kapital – nachkommen möchte. Plötzlich wird aus dem dynamischen Egoisten ein Wohltäter, der sich als äußerst karitativ, mildtätig und gutherzig erweist. Er gibt sein Geld für Arme und Notdürftige aus, gewährt Obdachlosen Unterkunft, und macht, kurz ausgedrückt, aus seinem Betrieb einen Wohltätigkeitsverein. Es macht nun keinen Sinn, danach zu fragen, ob er sich von seinen Lastern der Vergangenheit freikaufen möchte, um kurz vor dem Siechtum seine Seele zu retten. Die Gründe für seine Kehrtwende lassen sich nur erahnen, Tatsache ist jedenfalls, dass er durch seine jäh aufgestiegene monetäre Inkompetenz eine familiäre Panik auslöst. Die Familienmitglieder werden förmlich durcheinandergewirbelt, vor allem seine geschäftsführende Tochter Maria (Annika Meier), die mit der Firma quasi verwachsen ist, quälen massive Existenzsorgen. Sie trägt einen zu großen Anzug und sieht aus, als habe sie einen Kleiderbügel im Nacken, dabei sind es wahrscheinlich nur Schulterpolster.

 

Owen Peter Read, Annika Meier, Oliver Kraushaar

© JR / Berliner Ensemble

 

Wer führt die Firma weiter?

Oliver Kraushaar spielt Simon als einzigen Vertreter der Armen und Schlechtweggekommmenen, er zeigt sich in militärähnlicher Street-Kleidung mit entblößter Brust, was dem Familien-Dresscode empfindlich zuwiderläuft. Simon tummelt sich mit seinen markigen Parolen in der Familie, als würde er schon wie die Hausangestellte Lea (stark: Nora Quest) dazugehören. Schade, dass die Regisseurin nicht mehr Repräsentanten der abgerutschten Schicht eingebaut hat. So bleibt die Familie praktisch unter sich, und Laura Linnenbaum war es wohl darum zu schaffen, die internen Querelen zu analysieren und etwas komödiantisch darzustellen, denn Tragisches haftet für Außenstehende häufig etwas Groteskes und Skurriles an. Owen Peter Read spielt die Ingenieurs-Zwillinge, und der Regieeinfall ist nicht der glücklichste, denn Read hält in der linken Hand eine Puppe, die aussieht wie er selbst. Als der Streit seinen vorläufigen Gipfel erreicht, trägt Maria plötzlich eine lange Schleppe, als beginne nun, nach dem auffälligen Nachlassen der Kräfte Friedrichs, die Herrschaft des Matriarchats. Und der leichtlebige, friedliebende und gewaltlose Johannes, lange Zeit von den Apanagen des Waffenfürsten abhängig, macht sich jetzt ernsthafte Sorgen um seinen Sponsor, dessen Seele und Geldgeschäfte ihn nie interessierten. Am Ende ist es doch recht offensichtlich, dass die Blochs einen exemplarischen Charakter haben. Hier wird ganz explizit und offensiv auf die Machenschaften der deutschen Rüstungsindustrie und ihre Bedeutung für den Staatshaushalt verwiesen, von der letztlich unsere Gesellschaft profitiert. Die letzte Viertelstunde hätte Linnenbaum besser etwas anders gestaltet, am besten, sie hätte den Rest weggelassen. Es wurde ohnehin schon alles gesagt. Trotzdem ist diese Inszenierung wichtig, denn sie hat mehr zu bieten als pure Schauspielkunst.

 

Kriegsbeute
von Burhan Qurbani und Martin Behnke
Regie: Laura Linnenbaum, Bühne: Valentin Baumeister, Kostüme: Michaela Kratzer, Musik: Lothar Müller, Licht: Ulrich Eh, Dramaturgie: Johanna Vater.
Mit: Nora Quest, Martin Rentzsch, Gerrit Jansen, Annika Meier, Oliver Kraushaar, Owen Peter Read.
Berliner Ensemble, Uraufführung vom 22. Februar 2019.
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause

 

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