Anita Vulesica, Astrid Meyerfeldt ...

Anita Vulesica, Astrid Meyerfeldt, Sascha Nathan, Patrick Güldenberg, Lorna Ishema (Bild: © Julian Röder)

Die Frau möchte dominieren

Nathan und Vulesica sind es auch, die einen unverblümten, aber nicht seriösen Disput über die Art und Weise des Penetrierens führen. Nathan, das ist noch alte männliche Schule: Hose runter, Beine spreizen und nichts wie drauf! Ein anderes Prinzip, eine andere Technik erotischer Saturation kennt er nicht, aber Vulesicas Figur besteht auf weibliche Dominanz und möchte ihn niederreiten. Das ist für sie die Wiederherstellung des Gender-Gleichgewichts, die Selbstverfügung über den eigenen Körper. Was die Dramatikerin Alice Birch dabei vergisst: Es gibt genug Männer, die gerne den passiven Part übernehmen, worüber nicht gesprochen wird. Letztlich ist die anvisierte Befriedigung eine Sache der Triebstruktur, der sexuellen Disposition. Gegen potentielle männliche Übergriffe wehrt sich Lorna Ishema auf ganz andere Weise. Nackt liegt sie in einem Supermarkt – Schaum ist auf dem Boden und Plastik-Wassermelonen fallen von der Decke –, um sich den Männern anzubieten. So entgeht sie der Vergewaltigungsfalle: Bevor sie ein Opfer männlicher zügelloser Gier wird, macht sie sich durch ihre Freiwilligkeit zum selbstbestimmten Individuum. Viel Wut hat sich in den Frauen angestaut, und die lassen sie auch raus, mit übertriebenem Rebellions-Verve, so dass so manche wahre Aussage unterzugehen droht. Der Kampf, so mag man meinen, hat gerade erst begonnen. Ärgerlich hingegen sind die vielen Pop-Einsprengsel und Comic-Anleihen, die der Inszenierung den Ernst nehmen und, bei den schlechtesten Stellen, in ein pures Unterhaltungsspektakel abgleiten. Zwischendurch singt die Rapperin Ebow, und das gar nicht schlecht. Alice Birch will ein bisschen viel auf einmal, denn Gewalt, zumal männliche, wird es wohl immer geben (wie auch den Kindesmissbrauch), im Bereich des Möglichen liegt nur die Reduzierung.

 

Anita Vulesica, Sascha Nathan

Anita Vulesica, Sascha Nathan (Bild: © Julian Röder)

Notorisch betriebener Austausch von Frauen

Marlene Streeruwitz verfolgt mit "Revolt. She said. Revolt again" einen völlig anderen Ansatz. Die fünf Schauspieler*innen tragen weiße Brautkleider und dazu graue Haare, als seien sie alle im etwa gleichen Alter, was aber nicht der Fall ist. Alle fünf hatten sie eine kleinere oder größere Affäre mit einem Regisseur, der sie nun alle für die Rolle von Maos Witwe zusammenbringen möchte. Die Liaisons waren nur teilweise dangereuses: Dauerflirt, Quickie, Liebesbeziehung, Bettbeziehung und, was massiver ist, die Zeugung eines Kindes. Es ist aber nicht etwa so, dass die ausgetauschten Vergnügungsmittel sich hintergangen fühlen und sich gegen den Regisseur zusammentun. Nein, jede möchte die Wichtigste gewesen sein. Selbstverständlich kann angesichts derartiger Einstellungen keine Auflehnung gegen virile Selbstherrlichkeit zustande kommen. Bei diesem Treiben wird eine Menge herumgeulkt, die Darsteller*innen mummeln sich ein hinter einer gigantischen Strick-Wand. Gelegentlich schauen die Köpfe aus der roten Stoffbahn hervor und Schilder von Frauen-Power werden geschwenkt. Bei Streeruwitz gerät der Feminismus zur Selbstironie und Parodie, dadurch verliert das Stück an Schlagkraft, was überhaupt ein Mangel der Doppel-Inszenierung ist. Etwas mehr Tragödie in der Komödie hätte dem Werk ganz gut getan.

 

Revolt. She said. Revolt again. / Mar-a-Lago.
von Alice Birch / Marlene Streeruwitz
Regie: Christina Tscharyiski, Ausstattung: Verena Dengler, Dominique Wiesbauer, Video: Dominique Wiesbauer, Licht: Steffen Heinke, Künstlerische Beratung: Clara Topic-Matutin.
Mit: Anita Vulesica, Lorna Ishema, Astrid Meyerfeldt, Patrick Güldenberg, Sascha Nathan, Gesang: Ebow.

Berliner Ensemble, Kleines Haus, Premiere war 13.10.18, Kritik vom 15.10.18
Dauer: 140 Minuten, eine Pause

 

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