Berliner Ensemble: Luc Bondy – Kritik von "Don Juan kommt aus dem Krieg"
Premiere des Dramas von Ödön von Horváth. Ein Frauenheld kehrt in seine Heimat zurück und sucht – nach Frauen. Anscheinend hat ihn die Reue gepackt.Kathrin Angerer, Samuel Finzi (Bild: © Ruth Walz)
Der Reiz des Spielerischen
Um sich das Image eines Filous zu verschaffen, trägt Finzi einen strichdünnen Oberlippenbart, der zusammen mit einem gelegentlich geöffneten Hemd, aus dem ein paar Härchen hervorsprießen, das optische Bild abrundet. Don Juan reizt vor allem das Spielerische, das nicht leicht zu erringende Abenteuer, aber auch das Ephemere. Die Mischung aus Clochard, Bohemien und Lebemann hat es den Frauen anscheinend angetan – "er hat etwas Bestimmtes, sagt eine Kunstgewerblerin über den eleganten Blender, der von keinerlei Werten geleitet wird und ausschließlich auf die Strahlkraft seiner Persönlichkeit setzt. Ein Leben ohne Weltbild, ohne Idealismus, ohne tieferen Sinn, es sei denn, der einzige Sinn liegt im Sichanschmiegen ans betörend Weibliche, das dem im Grunde brüchigen, empfindsamen Mann Festigkeit verleiht. Es gibt ihn auch diesmal wieder, den Finzi-Theaterblick: Erstaunen, scheinbare Sprach- und Hilflosigkeit, und dahinter lauert eine Raffinesse, die eine hohe Anziehungskraft besitzt.
Beine und entblößte Schulterblätter
Vor der großen Bühnenfläche ist eine Vertiefung, in der die holde Weiblichkeit sich versammelt. Ein violetter Couchbezug und ein paar Tische, an denen ein undurchdringliches Geflecht von Frauen sitzt. Man zeigt Bein, man zeigt entblößte Schulterblätter, man verströmt den Duft der Leichtigkeit. Während Katharina Susewind einen kleinen Operetten-Part liefert, fällt die Nebenrollenkönigin Anke Engelsmann – auffällige Kennzeichen: keine – vor allem durch ihre Größe auf. Als Don Juan bei einer Professorenwitwe (Kathrin Angerer) einzieht, bleiben bald wegen ungezügelter Impulsivität heftige Gefühle an ihm haften. Auch die jüngere Tochter, die nach Ödön von Horvath delikate Beine besitzt (was Don Juan nicht entgeht), gerät in einen Taumel der Gefühligkeit. Coco König füllt diese Rolle aus und versucht juvenilen Liebreiz zu verströmen. Ganz anders Kathrin Angerer: sie gibt ihrer Figur etwas Matronenhaftes, ohne allerdings auf das für sie typische schrille Piepsen zu verzichten. Vielleicht wird ihr Auftritt in den folgenden Aufführungen jene Castorf-Veteranen anlocken, die überall ein Stück Volksbühnen-Flair einsaugen wollen.
Leander Hausmann bei der Premierenfeier. Er inszeniert bald den "Hamlet" im BE. (Bild: © Steffen Kassel)
Gebremste Erotik
Luc Bondy lässt mit gebremster Erotik agieren. Zuschauer, die eine überhitzte Einbildungskraft besitzen und an einer Ausdehnung ihres Vorstellungsvermögens arbeiten, können sich den vorenthaltenen Rest wohl gut hinzudenken. Da Don Juan an verschiedenen Frauenfronten arbeitet und seine Kräfte zersplittert, ist keine wahre Läuterung, keine ultimative Bindung möglich. Für Finzi ist das ein Idealrolle, obwohl er sich hinsichtlich des Spleenigen zurückhalten muss. Er spielt den Don Juan als einen Getriebenen, der auf Frauen eine fast magische Anziehungskraft ausübt – insofern ist der taumelnde Frauenheld auch ein Opfer. Am Ende kommt es noch zu einer schönen Szene mit Swetlana Schönfeld als Großmutter, eingebettet in eine Schneelandschaft. Deutschland, ein Wintermärchen? Leider fehlt der Inszenierung mit Notbett-Romantik mitunter das Knisternde, der Verve, das Überströmende. Dennoch gelingt dem Berliner Ensemble ein passabler Start in die neue Spielzeit.
Don Juan kommt aus dem Krieg
von Ödön von Horváth
Regie: Luc Bondy, Mitarbeit Regie: Geoffrey Layton, Bühne: Karl-Ernst Herrmann, Kostüme: Moidele Bickel, Musik: Bela Koreny, Künstlerische Mitarbeit: Reinhild Hoffmann, Maske: Cécile Kretschmar, Dramaturgie: Dieter Sturm, Dietmar Böck.
Mit: Kathrin Angerer, Samuel Finzi, Katharina Susewind, Coco König, Antonia Bill, Swetlana Schönfeld, Larissa Fuchs, Johanna Griebel, Ursula Höpfner-Tabori, Laura Mitzkus, Ilse Ritter, Anke Engelsmann. Musiker: Bela Koreny / Max Doehlemann (Klavier), Dragan Radosavievich (Violine, Banjo, Singende Säge), René Decker (Saxophon, Mundharmonika, Flöte).
Premiere vom 15. Oktober 2013
Dauer: 1 Stunde 50 Minuten, keine Pause
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)