Der letzte Umzug: immer auf den Friedhof?

Nach dem Tod eines Menschen erwarten die Hinterbliebenen diverse bürokratische Pflichten, darunter mit als Erstes die Organisierung der Beerdigung. In Deutschland besteht Friedhofszwang. Es ist behördlicherseits nicht gestattet, Verstorbene im Garten beizusetzen oder sich die Urne mit ihrer Asche daheim auf die Kommode zu stellen. Es ist üblich, bei einem Sterbefall einen Bestatter zu kontaktieren, der oft damit verbundene Aufgaben wie Benachrichtigung des Standesamtes und Schaltung von Todesanzeigen in der Zeitung mit übernimmt. Bleibt noch zu klären, ob Erd- oder Feuerbestattung, und danach folgt schon die Wahl der Grabstelle auf dem Friedhof. Nach erfolgter Beerdigung sind die niedergelegten Kränze und Blumengestecke rasch verwelkt. Während die Gräber einiger Verstorbener regelmäßig von Angehörigen besucht und gepflegt werden, verwaisen andere Grabstätten rasch. Teils wird ihre Pflege einer Gärtnerei anvertraut, teils verwildern sie allmählich. Nicht immer steckt schnelles Vergessen oder Gleichgültigkeit dahinter. Das moderne hektische Leben oder große räumliche Entfernungen verhindern häufig das persönliche Gedenken vor Ort. 

Trotzdem kostet nicht allein die Beerdigung auf dem Friedhof viel Geld. Auch in den Folgejahren summieren sich die Kosten für Grabmiete und -pflege. Wenn dann ein Grab unbesucht bleibt, ist das doppelt traurig. 

Manche Menschen möchten nach ihrem Ableben ihren Hinterbliebenen keine derartigen Verpflichtungen aufbürden oder ihnen ein schlechtes Gewissen bereiten und entscheiden sich für eine anonyme Beisetzung. So gut das gemeint ist, so sehr kann auch dies Angehörige belasten, denen dadurch ein direkter Ort zum Gedenken fehlt, selbst wenn sie ihn nur selten aufsuchen sollten. Denn bei einer anonymen Beerdigung ist nur ein weiträumiges Areal als Beisetzungsort ausgewiesen. 

Als idealer Ausweg bietet sich die ewige Ruhe in einem ausgewiesenen Bereich mitten im Wald an, wo der Verstorbene direkt zugänglich unter einem bestimmten Baum bestattet ist.

 

Ruh-Wald Flakenholz

Ruh-Wald Flakenholz

Letzte Ruhe im Wald am Beispiel vom Ruh-Wald Flakenholz

Idyllisch im Weserbergland gelegen, deutet bereits die genauere Lagebeschreibung auf einen abgeschiedenen ruhigen Ort hin. Flakenholz in der Nähe vom Flecken Aerzen zählt zum Landkreis Hameln-Pyrmont. Eine unverbindliche Besichtigung ist nach vorheriger Terminabsprache möglich. Im Ruh-Wald Flakenholz stehen hauptsächlich mächtige 120 Jahre alte Buchen. Jeder für eine Waldbestattung vorgesehene Baum trägt eine kleine nummerierte Plakette, sodass anhand einer im Zugangsbereich aufgestellten Tafel alle Bäume leicht auffindbar sind. Entsprechend ihrer Größe und Schönheit sind die Bäume in drei Preiskategorien eingruppiert. Unter einer Baumschönheit ist hier ein möglichst gerade und kräftig gewachsenes Exemplar mit üppiger Krone zu verstehen. Ein dem Ideal entsprechender Baum ist derzeit (Juni 2013) für 4.500 Euro zu haben. Die mittlere Kategorie kostet 3.800 Euro und die unterste 3.200 Euro. "Hässlich" ist aber kein Exemplar, vielleicht nur etwas knorriger, dazu schlanker und in der Krone lichter. Wie so oft bei Schönheitsfragen liegt auch hier das individuelle Maß im Auge des Betrachters. Unter jedem dieser Bäume können maximal zehn Personen im Kreis angeordnet bestattet werden. Wer mag, kann später natürlich auch exklusiv allein unter seinem Baum liegen. Meistens ist es aber doch so, dass sich Familien oder Freunde einen Baum teilen. Selbst wenn nicht alle zehn Plätze darunter belegt werden, ergibt sich für jeden ein erschwinglicher Eigenanteil. Steht jemand mit seinem Wunsch nach einer Beisetzung im Ruh-Wald im Familien- und Freundeskreis allein da, kann er sich von der Verwaltung des Ruh-Waldes einem Baum reservieren lassen, den er sich mit anderen Einzelpersonen in gleicher Situation teilt.

Ruh-Wald Flakenholz

Ruh-Wald Flakenholz

An Bäumen, unter denen bereits beigesetzt wurde, ist am Stamm meistens eine kleine mit Namen gravierte Tafel angebracht, auf Wunsch ergänzt um Geburts- und Sterbedaten sowie einen Spruch. Noch zur Verfügung stehende Bäume sind mit einem farbigen Band versehen: blau für persönliche Bäume von Einzelpersonen, Familien und Freunden sowie gelb für Teilvergaben an Einzelpersonen im Verbund mit Fremden. Ist ein Baum gekauft, wird sein Band entfernt. Dazu muss noch keine Beisetzung stattgefunden haben. 

In einem Ruh-Wald beziehungsweise Friedwald erfolgen ausschließlich Urnenbegräbnisse, wobei die Urnen aus kompostierbarem Material sein müssen. Die Urnen mit den eingeäscherten Verstorbenen werden tief genug vergraben, um groben Unfug durch Menschen auszuschließen oder ein Durchwühlen von Tieren. Die Auflösung im Waldboden geht erstaunlich schnell, bei stärkerem Regen im Anschluss an die Beerdigung dauert dies nur gut eine Woche. 

Wie eine Beerdigung im Ruh-Wald ablaufen soll, steht den Beteiligten frei. Eine Trauerfeier mit Ansprache eines Geistlichen oder Trauerredners sowie geladenen Trauergästen ist ebenso möglich wie eine aus der Ferne organisierte stille Beisetzung. In Cafés und Restaurants der nächstgelegenen Ortschaften lässt sich der sogenannte Leichenschmaus ausrichten und der Tag beschließen.

Was nicht erlaubt ist, ist Grabschmuck. Der Wald soll so natürlich wie möglich bleiben. Herumliegende verwelkte Kränze und Gestecke mit Drahtresten, Schleifen und schwer verrottendem Dekorationsmaterial sind kein schöner Anblick mehr, sondern gleichen irgendwann Müll. Die Natur mit ihren Moosen, Blumen, Farnen und Kräutern schafft hier die Bepflanzung, ein paar Steine kommen als extra Dekoration hinzu und an Bäumen hämmernde Spechte oder durch den Wald staksende Rehe werden zu neuen Nachbarn.

Ruh-Wald Flakenholz

Mit der Zeit werden die Atome der einstigen menschlichen Körper Teil der Flora und Fauna des Waldes.

Die Kostenfrage

Allein des Geldes wegen wird sich wohl niemand für die Beerdigung in einem Ruh-Wald oder Friedwald entscheiden. Dafür ist die Bestattungsform zu speziell. Außerdem sind die Orte abgelegen und nicht so schnell und bequem erreichbar wie die Friedhöfe direkt in den Städten und Dörfern.

Ruh-Wald Flakenholz

Dennoch soll hier abschließend eine grobe Kostenbetrachtung folgen. Ein Baum für ein paar Tausend Euro kostet bei Nutzung mehrerer Personen jeden anteilig nur noch einige Hundert Euro. Eine Feuerbestattung ist ebenfalls günstiger als eine Erdbestattung mit teurem Sarg. Selbst die für den Wald verwendeten biologisch abbaubaren Urnen sind deutlich günstiger als herkömmliche Urnen aus kostbarerem Material und Design. 

Statt eines ebenfalls höhere Kosten verursachenden Grabsteins schlagen hier nur wenige Euro für ein mit einer Inschrift graviertes Täfelchen zu Buche, auf welches sogar verzichtet werden darf. Ebenso fallen nach dem Baumkauf keine jährlichen Nutzungskosten mehr an, wie von klassischen Friedhöfen gewohnt. Mit dem Preis eines Baumes bezahlt der Käufer gleichzeitig ein Nutzungsrecht für 99 Jahre. Danach ist der Baum für die Holzverarbeitung vorgesehen.

Da ein allmählich zunehmendes Interesse an Waldbestattungen zu beobachten ist, muss mit einer Preisentwicklung gemäß Angebot und Nachfrage gerechnet werden. So ist vorstellbar, dass die Baumpreise steigen werden. Je besser ein Baumstandort erreichbar ist, desto teuer wird er auch sein beziehungsweise preiswertere Bäume in unzugänglicheren Randlagen stehen. Wer also bereits mit dem Gedanken an diese Bestattungsform spielt, ist gut beraten, sich bald darum zu kümmern.

Mit dem Sterben eilt es natürlich trotzdem nicht. 99 Jahre sind eine lange Zeit und selbst in Jahrzehnten ist immer noch viel davon übrig. Dafür ist alles so weit wie machbar bereits geregelt und der nächste Versicherungsvertreter, der einem eine Sterbegeldversicherung verkaufen will, bekommt eine lange Nase gezeigt. Die Kosten für die Einäscherung und Beisetzungszeremonie irgendwann werden schon noch übrig sein oder sollten den Verwandten die entfallenden weiteren Begräbnisfolgekosten wert sein.

Ruh-Wald Flakenholz

Im Mai habe ich zusammen mit Verwandten einen – unseren – Baum gekauft. Er ist hier im Foto zu sehen.  Wir haben ihn schon richtig ins Herz geschlossen. Trotzdem ist es ein merkwürdiges Gefühl, sich genau vorstellen zu können, wo und wie wir dort einmal liegen werden. Scherze, wer neben wem liegen möchte und ob sich das später gegebenenfalls wieder ändern lässt, blieben allerdings auch nicht aus.

 

 

 

Und wenn der Blitz in den Baum einschlägt, was dann?

Blitze schlagen zwar bevorzugt in freistehende Bäume ein, sind aber in einem Wald nicht völlig auszuschließen. Außerdem können Stürme ihre Opfer fordern. Baumbesitzern droht deswegen kein Totalverlust. Für bereits ausgesuchte, aber noch nicht "in Betrieb befindliche" Bäume können sich Käufer ein neues Exemplar aussuchen. Bei bereits als Begräbnisstätte genutzten Bäumen erfolgt eine Neupflanzung.

Heute Baum gekauft und zehn Jahre später auswandern nach Brasilien …

Nutzungsrechte an einem Baum lassen sich auf andere Personen übertragen. Einäscherungen sind dazu weltweit möglich und die Asche ließe sich problemlos an die Familie in der alten Heimat versenden. 

Ein gewisses Restrisiko bleibt, aber es ist kalkulierbar. Schlimmstenfalls bleibt ein Baumanteil eines Tages ungenutzt.

 

 

 

 

Urheberrecht für den Artikel inkl. Fotos: Lieselotte Wever

Textdompteuse, am 11.06.2013
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