Böse Wörter und verbotene Gesten
Der Stinkefinger von Vizekanzler Gabriel sorgt für heiße Diskussionen: Was darf man und was frau?Beliebtes Tierreich
Fast alle Länder kennen Tiernamen als Schimpfwort. Man nehme zum Beispiel das Schwein. Obwohl längst widerlegt durch Untersuchungen zur Intelligenz des Borstenviehes, ist "du dummes Schwein" immer noch gang und gäbe. Das steigert sich bis zur "Sau" und "Drecksau", während es bei der Kinderzurechtweisung als "kleines Ferkel" fast noch liebevoll daherkommt. Böse wird es auch, wenn man in der arabischen Welt als Hund beleidigt wird. Wir erinnern uns an den Schuhwurf auf Ex-USA-Präsident George Bush im Zusammenhang mit diesem hervor geschleuderten Wort. Es gilt auch im Englischen, Französischen und Spanischen als herbes Schimpfwort. Aber wenn man in Bayern hört: "Hund san´s scho", dann klingt da Bewunderung mit über einen Politikerschachzug etwa, der besonders raffiniert, vielleicht auch juristisch nicht ganz koscher war.
"Dummes Huhn" gehört auch in diese Aufzählung. Die spanische Übersetzung für Huhn, nämlich "polla", klingt da übler, beschreibt ursprünglich ein unfruchtbares Huhn, das keine Eier legt, ist aber mittlerweile sogar in seriösen Lexika nun eine Bezeichnung für den Penis. Diesen wiederum also umschreibt der Engländer als "cock", nämlich Hahn, was den Amerikanern wiederum als außerordentlich vulgär erscheint.
Verwenden Sie in Spanien ja nicht das Wort "cabron", also Ziegenbock. Da der Ziegenbock nämlich Hörner aufweist, beleidigt man das männliche Gegenüber damit, dass ihm selbige seine Frau aufsetzte! Und das ist das Schlimmste für einen Latino-Macho: Er selbst dürfe ja fremdgehen, aber seine Partnerin mitnichten! Das wäre ein Angriff auf seine Männlich- und Leistungsfähigkeit!
Vogelzeigen ist teuer (Bild: Langenscheidt KG)
Tabuausdrücke aus dem Geschlechtsleben
Und damit wären wir bei einem beliebten Beleidigungsfundus: dem Sexualbereich. Primäre wie sekundäre Geschlechtsorgane sowie Körperflüssigkeiten gehören zu den Tabuvokabeln. Wobei weibliche Geschlechtsorgane öfters negativ besetzt sind, während die männlichen für Positives eingesetzt werden, meint zumindest der Linguist Pedro J. Chamizo von der Universität Málaga.
Aber Vorsicht, wenn Sie als Frau in den berühmten Mallorca-Ballermann-Song mit "caramba, carajo" laut mit einstimmen oder dies als Fluch benutzen, wenn daneben ein Spanier steht, denn damit ist das beste Stück des Mannes gemeint! Und das könnte als eindeutiges Angebot missverstanden werden.
Das berühmte Zitat des Götz-von Berlichingen, abgekürzt LmA, klingt immer noch so übel wie es gemeint ist und führt oft zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Aber gehen wir wieder nach Bayern: Es gibt Abstufungen dieses Zitats, die vom eigenen Überdruss bis zur Bewunderung reichen, ähnlich wie beim oben genannten "Hund".
Das englische "f...you ist ja fast schon salonfähig geworden, wie das deutsche Scheiße. Zumindest in der Umgangssprache.
Zweideutige oder eindeutige Körpersprache
Okay, eine Geste sagt oft mehr als tausend Worte - sehen wir am Stinkefinger von Steinbrück. Sehr beliebt aber strafbar, also mit Bußgeld belegt auch im Straßenverkehr wie der Vogel zeigende Zeigefinger an der Stirn. Vor Steinbrück wurde der Stinkefinger lange dem Fußballer Stefan Effenberg zugeschrieben übrigens. Sebastian Vettel ist da schon schlauer mit seinem hochgereckten Zeigefinger, der übrigens als typisch deutsche Belehrgeste gilt, nicht sehr beliebt im allgemeinen.
Gerade das Fußballstadion ist ja ein Hort unerschöpflicher Beschimpfungen zwischen Spielern und Schiedsrichtern, zwischen Spielern und Publikum oder Fans verschiedener Lager.
Im Wahlkampf hat man nun auch ausgewogen das Zeichen für "ich zeige Dir, wo der Hammer hängt" bei Ursula von der Leyen ausgegraben. Sie kommentierte damit stumm, dass sie ein Bischof (ausgerechnet!) als Gebärmaschine ob ihrer sieben Kinder bezeichnete.
Wünschen Sie aber einem Mittelmeeranrainer bitte nicht Glück, indem Sie ihm den Daumen drücken, diesen also in die Höhle einer geschlossenen Faust stecken, dass ist dort eine obszöne Geste, kreuzen Sie stattdessen lieber Zeige-und Mittel-Finger.
Die Stilblüten der politischen Korrektheit
Darüber ist in letzter Zeit viel diskutiert und geschrieben worden. Deshalb nur kurz. Ich darf also nicht mehr Negerkuss sagen oder Zigeunerschnitzel und was es an Auswüchsen der angeblichen politischen Korrektheit mehr gibt. Autorenkollege Rainer Innreiter hat das so treffend geschildert.
Von Beschönigungen und Bedeutungsumwandlungen
Damit wären wir aber bei den sogenannten Euphemismen, den beschönigenden Umschreibungen, wenn man Scheu hat, das Kind beim Namen zu nennen. Ausländer gibt es nicht mehr, sondern nur noch Personen mit Migrationshintergrund, um nur ein Bespiel zu nennen. Die Spanier sind da noch lockerer, für die bin ich nach wie vor eine Ausländerin.
Wörter machen auch eine Bedeutungswandlung durch. Das "wib" im Mittelalter, also das Weib, gilt nördlich der Mainlinie als abfällige Bemerkung zur Frau. Wiederum in Bayern kann man immer noch sagen: "wir Weiber". Weibi ist auch ein übliches Kosewort dort. Ja, Sprachforscher Chamizo sieht sogar Probleme beim Wort Intoleranz: Das sei streckenweise zum Tabu geworden, lieber sage man heutzutage Null Toleranz, was für ihn aber mehr Gleichgültigkeit bedeute.
Worte und Gesten können eine Waffe sein
Man sieht aber an den Beispielen, dass es
a) auf die jeweilige Kultur oder das Land ankommt, wie es gemeint ist und
b) auch auf die Betonung und Mimik dazu.
Heutzutage, das zeigte auch der Wahlkampf, vergessen immer mehr Politiker die gute Kinderstube und lassen sich zu Schimpftiraden herab - das ist allemal medienwirksam, meint Journalist José Maria Romera.
Andere zu beleidigen und erniedrigen, mit Worten zu verletzen ist heute Alltag in unserer Gesprächskultur. Bewusst oder unbewusst werden Wörter auch zum Träger für Gewalt, was meist noch mehr Aggressivität des Angegriffenen auslöst. Klar kann ein energisches Wort zur rechten Zeit auch reinigenden Effekt haben wie ein Gewitter. Aber wie sagte schon der französische Staatsmann Chateaubriand: "Es genügt ein Wort, um das Glück eines Menschen zu zerstören." Facebook-Mobbing-Selbstmorde zeigen solche Auswüchse ganz deutlich. Wägen wir also unsere Worte und Gesten gut ab.
Bildquelle:
Gabriele Hefele
(Wie schreibt man eine Glosse, Anekdote, Satire?)