Dr. Thomas LeichtDas Auto ist aktuell noch der Deutschen liebstes Kind. Selbst, wenn Strecken unter fünf Kilometer gefahren werden. Das zeigt eine aktuelle Studie des Statistischen Bundesamtes. Demnach nutzen rund 40 Prozent der Berufspendler:innen das Auto. Doch die Zeiten ändern sich langsam, denn der Anteil an pendelnden Radfahrer:innen ist laut einer Befragung in den letzten vier Jahren auf 26 Prozent angestiegen. Besonders in Städten schwingen sich immer mehr Berufstätige aufs Rad. Eine Entwicklung, die auch der Automobilindustrie nicht verborgen blieb. "Der Bereich Mikromobilität ist der aktuell am stärksten wachsende in unserem Unternehmen. Wir haben schon seit längerem begonnen, darin zu investieren", sagt Dr. Thomas Leicht, Leiter des Bereichs Sonderaufgaben Antriebe bei der Brose Unternehmensgruppe. Der Automobilzulieferer fertigt eigene E‑Bike-Antriebe und gehört mittlerweile zu den Größen der Branche und steht beispielhaft für immer mehr Zuliefererfirmen, die bislang im Autosektor aktiv waren, sich nun zusätzlich dem Fahrradbereich öffnen.

Foto: Dr. Thomas Leicht

Dr. Kurt-Christian Scheel,Das erkennen auch die Verantwortlichen des VDA, wie Dr. Kurt-Christian Scheel, Geschäftsführer Politik und Gesellschaft, bestätigt. Deshalb war es für den Verband auch ein logischer Schritt, der diesjährigen IAA in München erstmals den Namenszusatz "Mobility" zu geben, um die Ganzheit der Mobilität sichtbar zu machen. "Viele Menschen fahren wegen des zeitlichen Vorteils mit dem Auto. Immer da, wo wir aus guten Gründen sagen, dass wir das Auto zurückdrängen wollen, brauchen wir Alternativen, damit die Menschen ihr Bedürfnis nach Mobilität auch erfüllen können," so der passionierte Radfahrer Scheel.

 Foto: Dr. Kurt-Christian Scheel,

Mehr Radverkehr für lebenswerte Städte gefordert

Der VDA untersuchte in der Folge laut Scheel, wie sich das Mobilitätsverhalten ändert und gerade unter der Sichtweise, wodurch eine Stadt lebenswerter wird, der Radverkehr an Bedeutung gewinnt. Es sei auffällig, wie positiv sich der Radverkehr entwickelt, Wichtig sei es nun, dass die Städte darauf reagieren, so Scheel.

 

 

 

Dr. Volker DohrmannFoto: Dr. Volker Dohrmann

Ein wichtiger Punkt: Die besten Verkehrsverhältnisse sowohl für die Bürger:innen in der Stadt, im Umland als auch auf dem Land zu schaffen. In vielen Städten zeigt sich bereits das Bestreben für eine Verkehrswende. "In Hamburg ist die Stadtregierung sehr aktiv. Es wurden einige Radprojekte realisiert und die Verkehrswende ist im vollen Gange", berichtet Volker Dohrmann, Leiter Strategie, Produkt und Marketing beim Hamburger Fahrradhersteller Stevens. Er fordert: "Wir brauchen aber breite Radstraßen und nicht schmale Radwege." Das Problem dabei: Die Verkehrsflächen werden in den Städten nicht größer, Autos hingegen schon. In der Folge entstehen Verteilungskämpfe zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen.

"Die Frage ist natürlich: Wer bekommt wie viel Platz in der Stadt?", so Alexander Kraft vom Liegeradspezialisten HP Velotechnik. Der Hersteller sieht sich mit seinen dreirädrigen Modellen als eine Art Bindeglied zwischen Auto und Fahrrad und möchte seine Produkte in Zukunft mehr für Pendler:innen auf Mitteldistanzen als Alternative zum Auto etablieren. Eine Umgestaltung des Verkehrsraums, z. B. mit sicherer Radwegeführung und besseren Parkplatzmöglichkeiten für Radfahrende aller Art, sei auch deshalb unerlässlich. "Es gibt immer wieder Initiativen gegen Parkraumumgestaltung, aber generell ist der Anspruch für mehr Parkraum für Fahrräder in den Kommunen spürbar", so die Einschätzung von Andreas Hombach, Leiter Key-Account-Management beim Fahrradparksystemanbieter WSM. Das wird auch durch die rapide steigenden Nutzungszahlen untermauert – wo immer mehr Menschen aufs Rad setzen, gibt es Bedarf für zusätzliche Infrastruktur.

Foto: Alexander Kraft

Viele Verkehrsteilnehmer wollen eine sinnvolle Veränderung

Um den Verkehrsraum ansprechend umzugestalten, werden Konzepte benötigt, die den Ansprüchen und den Mobilitätserwartungen der Menschen vor Ort entsprechen.

Tatsächlich sind zum Beispiel, laut einer aktuellen Umfrage des VDA, Radwege in der Innenstadt gefragter als Autoparkplätze. Das zeigt, dass viele Menschen den Willen haben, Veränderungen bei ihrer Mobilität, vorzunehmen. Dieses Umdenken wird als Chance in Hinblick auf den Klimawandel gesehen.

Diese Entwicklungen müssen in den Planungsgesprächen mit bedacht werden. "Wir brauchen mehr Mittel für Infrastruktur in der Mobilität. Wir benötigen gerade in den Städten eine attraktive Infrastruktur, damit jeder Verkehrsträger, auch das Fahrrad, seine Stärken ausspielt", wünscht sich Scheel deshalb von der Politik und sieht gerade den Verkehrsmix als lohnenswerten Ansatz. Dr. Thomas Leicht geht sogar noch einen Schritt weiter und möchte eine deutlichere Verschiebung in Richtung Fahrrad sehen: "Es muss ein klares Signal geben, dass etwas passiert. Wir brauchen eine Umwidmung von Verkehrsflächen."

Eine klare Forderung: Die neue Regierung muss mehr tun

Eine klare Forderung: Die neue Regierung muss mehr tun

Von wem das Signal für eine Umverteilung ausgehen muss, darin sind sich die Experten noch uneins. Für Alexander Kraft ist klar, dass mehr Wille zur Verkehrswende vom Bund eingebracht werden sollte: Er appelliert an die Bundesregierung in diesem Bereich, nicht alles stillschweigend an die Kommunen und Kreise weiterzuleiten. Er erwartet mehr Entscheidungsfreudigkeit und das Setzen neuer Rahmenbedingungen der Bundesregierung.

VDA-Geschäftsführer Scheel sieht hingegen gerade die Kommunen in der Pflicht, in den Belangen des Zusammenspiels zwischen Autofahrern und Radfahrern, den Straßenverkehr positiver zu gestalten, Er erklärt, dass die unterschiedlichen Orte andere Voraussetzungen und Bedürfnisse der Mobilität für ihrer Einwohner zu haben. Alleine bei den Verkehrsströmen, der gesamten Infrastruktur, der Topografie oder beim bestehenden Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Deshalb müsse es Konzepte geben, wie die Bedingungen in den Kommunen verbessert werden können.

Die bange Frage vieler Autofahrer: "Kommt bald mehr Tempo 30?"

Die bange Frage vieler Autofahrer: Kommt bald mehr Tempo 30?Eine schnelle Umsetzung wäre, die von Radfahrverbänden immer wieder geforderten. Flächendeckenden Tempo-30-Zonen in Innenstädten, so Scheel. Er spricht sich ebenfalls für mehr Freiräume bei der Einrichtung für die Kommunen aus. Beispielsweise bringt er eine sinnvolle Bündelung des Durchgangsverkehrs ins Spiel. Auf diesen Fahrbahnen gelte dann zum Beispiel weiterhin ein schnelleres Tempo, während auf den anderen Straßen 30 km/h zur Regel werden könnte. So werde die Sicherheit der nicht-autofahrenden Verkehrsteilnehmer:innen erhöht. Zum Ausbau der Infrastruktur gehöre ebenfalls ihre Qualität, zum Beispiel des Fahrbahnbelages oder die der Ampelschaltungen. Scheel mahnt, dass in dieser Hinsicht in vielen Städten noch Nachholbedarf bestehe. Er prognostiziert in Hinblick auf die nächste IAA Mobility (Internationalen Automobil-Ausstellung, in München) dass man dort ebenfalls erkenne, dass Autos und Fahrräder zusammen auf die Straße gehöre und die Verantwortlichen weiter an dem verbesserten Konzept zum Miteinander aller am Straßenverkehr teilnehmenden arbeiten.

Alle Fotos: Pressedienst-Fahrrad.

MonikaHermeling, am 11.01.2022
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Bildquelle:
www.ergonbike.com (Brauchen Männer und Frauen einen unterschiedlichen Fahrradsattel?)
GTÜ, Gesellschaft für Technische Überwac (Eine Rettungsgasse korrekt bilden)
Foto: ADAC Stiftung (Sicherheit im Herbst und Winter für Fußgänger und Radfahrer)

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