Buch-Tipp: Wunsiedel von Michael Buselmeier
Ein Theaterroman rund um einen jungen Schauspieler der bei den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel eine Niederlage der romantischen Art erlebt.Wunsiedel
Neues aus der Provinz
Die Schriftsteller scheinen die Provinz für sich entdeckt zu haben. Nicht als kreatives Rückzugsgebiet, um mit rauchender Pfeife in romantischer Gartenlaube große Werke zu schreiben, so wie man sich verklärt den intellektuellen Schriftsteller gerne vorstellt, sondern schlicht als Sujet bzw. Handlungsort ihrer Werke. Man denke nur an die Erfolgsgeschichte von Jörg Maurer, der mit seinen Alpenkrimis "Jagdfieber", "Föhnlage" und "Niedertracht" einen Bestseller nach dem anderen herausbrachte. Michael Buselmeier begibt sich nun in das oberfränkische Wunsiedel mit seinem Roman.
Wunsiedel, mitten im Fichtelgebirge gelegen, ist Realität und nicht etwa ein erfundener Ort, wenngleich sicherlich nicht jedem bekannt. Gerne wirbt die Kreisstadt mit einem Zitat von Jean Paul, der 1763 dort geboren wurde: "Ich bin gerne in dir geboren, du kleine, aber gute, lichte Stadt". Was gibt es noch über Wunsiedel zu sagen? Es gibt einen großen Greifvogelpark, historische Gartenanlagen, ein Rotwildgehege und einmal im Jahr pilgern zum Leidwesen der meisten Bürger eine Horde Neo-Nazis ins Städtchen, um den Weggefährten und bis ins hohe Alter unbelehrbaren Rudolf Heß an seinem Grab zu besuchen. Außerdem, und das ist für Buselmeiers Roman von zentraler Bedeutung, finden im Felsenlabyrinth die Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel statt.
Wunsiedel: Ein Theaterroman |
Worum geht’s in Wunsiedel?
In "Wunsiedel" erzählt der nur mäßig begabte und äußerst erfolglose Schauspieler Moritz Schoppe aus seiner Sicht seine Geschichte, die damit beginnt, dass er in den frühen 1960er Jahren ein Engagement für die Luisenburg-Festspiele bekommt. Es sind 10 schreckliche Wochen, die ihre Spuren hinterlassen. Als Regieassistent soll er den "Götz von Berlichingen" in einer aktualisierten und modernen Form auf die Bühne bringen. Erste Hürde: der Intendant, der ihn verpflichtet hatte, ist noch vor dem ersten Probetag verstorben und dessen Nachfolger hat mehr die populäre, leichte Kost vor Augen, um auch den einfachsten Geschmack des Publikums zu befriedigen.
Schoppe selbst, übernimmt nur kleinere und unbedeutende Rollen empfindet sich ohne Zweifel als großer romantischer Liebhaber, der beginnt seine romantischen Gefühle in schwelgerischen Liebesbriefe – ganz im Stile eines Werthers – nach Hause zu schreiben. Nach dem Krieg aufgewachsen nur bei seiner Mutter, leidet er zudem unter starkem Heimweh.
Nach nunmehr 44 Jahren, kehrt der Schauspieler zurück an den Ort seiner jungen Jahre und er empfindet Wunsiedel, das ihm einst "eine einzige Enttäuschung" war, als ein echtes kleines Idyll. Er kommt zu einer Selbstbetrachtung und Analyse seiner Jugendjahre, in denen er von sich selbst besessen war, in Wunsiedel aber nur Enttäuschungen erlebte. Inzwischen hat er den Theaterberuf an den Nagel gehängt und sagt von sich "Ich vermisse die Jugend nicht" in der er "wie ein offenes Messer" herumlief.
Wunsiedel – ein altmodischer Theaterroman
Moralisch korrekt, heimatverbunden und unaufgeregt
Der Roman Wunsiedel von Michael Buselmeier wartet nicht mit Spektakulärem und Unvorhergesehenem auf, vielmehr erscheint er – und das muss nicht zwingend negativ sein! – ein wenig altmodisch mit stark anachronistischen Zügen des Protagonisten, aber auch des Autors selbst. Sprachlich eher ruhig, wohlüberlegt gehalten und moralisch nicht angreifbar meint man, in einem Buch aus längst vergangenen Tagen zu blättern und sieht Bilder vor sich, die aus einer anderen Zeit stammen, ein wenig verstaubt und vergilbt, aber auf eine eigene Art rührend zugleich. Bei aller Gewähltheit der Sprache, zieht der Autor mit einer Leidenschaft über das Theater her und stellt in den Worten Schoppes Wunsiedel an den Rand der zivilisierten Welt.
Fazit
Michael Buselmeiers Roman Wunsiedel ist ein unspektakulär aber gekonnt konstruierter Rückblick eines Schauspielers, der 2008 zurückkehrt und mit einem inneren Abstand den Ort aufsucht, der Ausgangspunkt seiner beruflichen und privaten Krisen war. Sowohl Gegenwart als auch Vergangenheit sind in Buselmeiers Werk gekonnt miteinander verwoben und lassen den Leser die Außenseiterrolle des Moritz Schoppe eindrücklich nachempfinden.
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)