Buchrezension: "Unendlichkeit" von Alastair Reynolds - Erster Band des Revelation-Space-Zyklus
"Unendlichkeit" galt als der erste große Science-Fiction-Roman des 21. Jahrhunderts. Alastair Reynolds verknüpft Fantasie und Wissenschaft zu einer atemberaubenden Geschichte.Unendlichkeit: Roman |
Ein Epos im Weltraum nimmt seinen Anfang
Dan Silvestre untersucht auf dem kleinen und öden Planeten Resurgam die Überreste der Amarantin, eines Volkes, das wie so viele andere in der Galaxie eine Blütezeit erreichte und dann vollständig ausgelöscht wurde. Silvestre ist überzeugt, dass es für die menschlichen Kolonien auf dem Planeten lebenswichtig ist, die Ursache für das Verschwinden der Amarantin zu ergründen, denn unter Umständen könnte genau das noch einmal geschehen. Aber es kommt zu einer Revolution. Silvestre, der neben seiner Tätigkeit als Wissenschaftler auch noch Regierungschef ist, wird abgesetzt und inhaftiert.
Die "Sehnsucht nach Unendlichkeit" ist ein gewaltiges Raumschiff, das von dem Triumvirat Yuuji Sajaki, Abdul Hegazi und Ilia Volyova geführt wird. John Brannigan, der Kommandant, ist derzeit nicht fähig, das Raumschiff zu führen. Er leidet an der Schmelzseuche, einer schrecklichen Krankheit, die seine zahlreichen Implantate infiziert hat, und liegt deswegen im Kälteschlaf. Vor vielen Jahren, als er schon einmal krank war, hat ihm ein Wissenschaftler auf dem Planeten Yellowstone das Leben gerettet. Dieser Mann ist tot, aber sein Sohn lebt noch. Und auf diesen setzen die Ultras, wie sich die Raumfahrer nennen, auf der "Unendlichkeit" als letzte Chance. Es ist Dan Silvestre.
Ana Khouri war Soldat in dem seit Jahrzehnten andauernden Krieg auf ihrem Heimatplaneten Sky's Edge. Durch einen schwerwiegenden Fehler landete sich jedoch auf dem falschen Raumschiff, wo sie im Kälteschlaf zu dem weit entfernten Yellowstone gebracht wurde. Nun ist sie hier gestrandet und verdingt sich ihr Leben mit Auftragsmorden. Eines Tages wird sie von einer geheimnisvollen Frau angesprochen, die sich "die Mademoiselle" nennt. Diese erteilt ihr den Auftrag, sich in die Mannschaft eines Lichtschiffs einzuschleusen und einen bestimmten Mann unbedingt und unter allen Umständen zu töten: Das Raumschiff heißt "Sehnsucht nach Unendlichkeit" und ihr Opfer ist Dan Silvestre.
Die "Sehnsucht nach Unendlichkeit" hat noch mehr zu bieten als nur einen leistungsfähigen Antrieb. An Bord befindet sich ein Geschützpark mit 40 Geschützen der Höllenklasse. Volyova hat keine Ahnung, wer diese Waffen hergestellt hat, aber sie weiß um ihre gigantische Zerstörungskraft. Niemals darf irgend jemand diese Geschütze in seine Finger bekommen. Doch leider gibt es ein Problem an Bord des Lichtschiffs: Ein Virus, der sich Sonnendieb nennt, scheint irgendwo in den Tiefen des Computersystems auf seine Chance zu lauern.
Alastair Reynolds - der Autor
Alastair Reynolds wurde 1966 im südlichen Wales geboren und wuchs in Cornwall auf. Er studierte Physik und Astronomie an der Newcastle University und arbeitete danach bis 2004 als Wissenschaftler bei der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA). Seit 2004 arbeitet er hauptberuflich als Autor - anders wären seine gigantischen Romane (die deutschen Ausgaben bewegen sich immer im Bereich von 700 bis 900 Seiten) nicht realisierbar. "Unendlichkeit" ist sein erster Roman.
Science und Fiction in wunderbarer Weise miteinander verbunden
Aber es geschieht noch etwas anderes: Nach Einstein vergeht die Zeit in einem bewegten System langsamer als in einem unbewegten. Fliegt ein Raumschiff ein Jahr nahe an der Lichtgeschwindigkeit, sind auf einem Planeten vielleicht zehn Jahre vergangen. Deswegen ist die Galaxie nicht voll von Raumreisenden, sondern nur die Ultras, sehr merkwürdige Gestalten ohne jegliche soziale Bindungen außerhalb ihres Lichtschiffs, können den Weltraum bereisen. Wer zu einem anderen Sonnensystem fliegen möchte, muss sich sicher sein, dass er die Menschen, die er kannte und die zurückbleiben, unter Umständen nicht mehr oder nur stark gealtert wiedersehen wird. Deswegen bezieht sich das Leben der Ultras nur auf das Innere ihres jeweiligen Lichtschiffs.
Insgesamt sind Reynolds Romane sehr stark wissenschaftlich orientiert. Er bricht nicht die physikalischen Grenzen, er erklärt viel aus der Astronomie und Astrophysik und er zeigt uns Technik, die möglicherweise so oder so ähnlich umsetzbar wäre - wenn sie nicht schon in der Entwicklung ist. Einiges scheint auf den ersten Blick weit hergeholt, andererseits kann man heute bestimmte Tendenzen in der technischen Entwicklung beobachten, die in diese Richtung gehen könnten. Wenn man bedenkt, dass Reynolds bei der ESA gearbeitet hat und dass die Europäische Raumfahrtbehörde mit Sicherheit nicht jeden einstellt, kann man davon ausgehen, dass der Mann weiß, worüber er schreibt, und dass er relativ selten in den Bereich der "Spinnerei" abdriftet.
Dennoch erzählt Reynolds eine wunderbare und spannende Geschichte mit sehr schönen Charakteren, die nicht nur gut oder böse sind. Dan Silvestre ist zwar überzeugt, dass seine Forschungen für die Menschen auf Resurgam wichtig sind, aber er ist auch ein ziemlicher Egozentriker. Khouri, die eigentlich auch eine sehr sympathische Frau ist, verdingt sich ihren Lebensunterhalt als Auftragsmörderin in Chasm City - wobei die Opfer selbst den Auftrag erteilen, da sie mit der Jagd um ihr eigenes Leben ein bisschen Abwechslung in dasselbige bringen möchten. Khouri kann hilfsbereit, aber auch knallhart und brutal sein. Reynolds Charaktere wirken insgesamt sehr realistisch und sehr lebensnah und der Leser kann sich wunderbar in sie hineinversetzen.
Der "Revelation-Space-Zyklus"
"Unendlichkeit" ist der erste Roman des "Revelation-Space-Zyklus". Insgesamt besteht der Zyklus aus den folgenden Romanen, wobei die ersten drei eine zusammenhängende Geschichte erzählen und die letzten beiden "Chasm City" und "Aurora" nur in demselben Universum spielen:
- "Unendlichkeit"
- "Die Arche"
- "Offenbarung"
- "Chasm City"
- "Aurora"
Die folgenden Bände enthalten Kurzgeschichten, die ebenfalls in der Welt des "Revelation-Space-Zyklus" angesiedelt sind:
- Träume von Unendlichkeit
- Galactic North
Unendlichkeit: Roman | Chasm City: Roman | Die Arche. |
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Obwohl "Unendlichkeit" zurecht als ein Meisterwerk der anspruchsvollen Science-Fiction bezeichnet werden kann, findet man leider auch hier einige schlechte Aspekte. "Unendlichkeit" hat 760 Seiten und ist damit einfach zu lang. An einigen Stellen bricht Reynolds Erzähltrieb hervor und er zieht die Geschichte mehr in die Länge als notwendig gewesen wäre. Auch die ausschweifenden Beschreibungen zerren manchmal an der Geduld des Lesers.
Außerdem setzt Reynolds einiges an Wissen voraus. Dem Leser muss die Tatsache bewusst sein, dass die Zeit in bewegten Körper langsamer vergeht als in unbewegten. Wer noch nie etwas von Einsteins Relativität gehört hat, wird ein wenig überrascht sein und im Extremfall den Roman in das Reich der Mythen verbannen. Das ist aber beim besten Willen nicht der Fall. Reynolds erklärt, was ein Neutronenstern ist und wie er entsteht. Er spricht über Galaxien und auch über Quanten. Vieles erklärt er recht gut, aber an einigen Stellen muss der Leser eigenes Wissen besitzen oder bereit sein, sich dieses anzueignen.
Ewigkeit | Träume von Unendlichkeit | Das Haus der Sonnen: Roman |
Fazit
Für Sience-Fiction-Fans ist "Unendlichkeit" ein Muss. Der Roman hat einige Schwächen, aber darüber kann man hinweg sehen, da die Lektüre sich in jedem Fall lohnt. Reynolds nimmt den Leser mit auf eine faszinierende Reise durch den Weltraum. Natürlich darf man sich von dem hohen wissenschaftlichen Anteil nicht abschrecken lassen wie auch davon, dass man hier actionreiche Raumschlachten vergebens sucht.
Somit empfehle ich "Unendlichkeit" allen Liebhabern der anspruchsvollen aber spannenden Science-Fiction und lade euch ein, mit Alastair Reynolds durch den Weltraum zu reisen.
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)