Von "The Texas Chain Saw Massacre" (bescheuerter deutscher Titel: "Blutgericht in Texas") über "Poltergeist" hin zu "Crocodile". Tobe Hooper hat schon deutlich bessere Zeiten gesehen – und seine Fans ebenso bessere Filme von ihm! Hätte ein junger Regisseur mit dem Horrorfilm "Crocodile" sein Debüt gegeben, könnte man über die bescheidene Qualität noch hinwegsehen. Dass aber ein Genreveteran einen dermaßen unspektakulären, bar jeglicher Originalität inszenierten Streifen abliefert, befremdet und ist das einzige Schauderhafte an dieser Filmgurke.

Übermutter: Lady Crocodile

Bereits der Plot macht klar, wie konventionell und ohne die geringste Spur von Ehrgeiz dieser Horrorfilm in Angriff genommen wurde: Eine Gruppe attraktiver bzw. muskulöser Studenten fährt an einen abgelegenen See, um dort an Bord eines Hausboots abzufeiern. Derweil entdecken am Ufer zwei Rednecks ein Nest mit riesigen Eiern, die sie keiner Spezies zuordnen können. Anstatt weiter ihres Weges zu gehen, zerschlagen sie die meisten Eier.

Die Rache der Mutter folgt auf bzw. in den Fuß, denn bei der Guten handelt es sich nicht um ein harmloses Singvögelchen, sondern um ein enorm großes Krokodil, das die beiden Frevler auseinandernimmt. Tags darauf entdecken auch die Studenten das Gelege und einer von ihnen verstaut heimlich eines der Eier in seinem Rucksack.

Das hätte er besser sein lassen, denn Lady Crocodile ist mächtig angepisst und frisst auf der Suche nach ihrem ungeschlüpften Croc Junio der Reihe nach die jungen Leute.

Tobe „Texas Chain Saw Massacre“ Hooper

Stünde als Regisseur von "Crocodile" nicht Tobe Hooper zu Buche, wäre dieser Horrorfilm wohl längst in diversen Ramschkisten verschwunden und würde höchstens noch im Abendprogramm laufen, wenn die anspruchsvollen "Ruf mich an!"-Sendungen auf Grund unerwarteter Gehirnschwangerschaften der blonden Quasselstripperinnen Pause machten.

Zweieinhalb gute Filme kann sich Hooper an die Fahnen heften. Vorneweg natürlich seinen Genreklassiker "The Texas Chain Saw Massacre" (basierend auf der faszinierenden Legende rund um die Kannibalenfamilie Sawney Beans), den 1982er-Horrorfilm "Poltergeist", den man allerdings größtenteils Steven Spielberg zuschreiben muss, sowie der 1985 produzierte Vampir-SF-Verschnitt "Lifeforce", dem trotz guter und interessanter Ideen in der zweiten Filmhälfte das Blut ausgeht.

Vom Ruhme seines "The Texas Chain Saw Massacre" zehrt Tobe Hooper seit Jahrzehnten. Und fast könnte einen Filmfan der Verdacht ereilen, es habe sich um einen zufälligen Geniestreich gehandelt. Denn was Hooper mit "Crocodile" auftischt, ist so genießbar wie ein zwei Wochen lang in der prallen Sonne geparkter Big Mac.

Spezialeffekte: Setzen, sechs!

Dies hängt nicht zuletzt mit dem Plot zusammen. Eine Gruppe Studenten fährt in eine abgelegene Gegend, um dort zu saufen und die Sau rauszulassen. Dieser "Plot" ist an abgeschmackter Fadesse kaum noch zu überbieten und sollte eigentlich seit Jahrzehnten unter ernsthaften Filmemachern verpönt sein. Ist er nicht, wie "Crocodile" beweist. Dass ausgerechnet ein Tobe Hooper im reifen Alter zu diesem Mittel greift, ist unverständlich.

Denn auf Nummer sicher musste er angesichts des deutlich sichtbar geringen Budgets gewiss nicht gehen. Von den Darstellern ist selbst einem Horrorfan wie dem Rezensenten kein einziger ein Begriff und die Spezialeffekte sind durch die Bank dürftig bis grottenschlecht. Die Krokodilattrappen erinnern an jener aus der berüchtigten Reihe italienischer Genreproduktionen mit Krokodilen bzw. Alligatoren (ein Unterschied, der den Produzenten selbst bisweilen entweder nicht bewusst oder ohnehin piepegal war) und gehen noch als passabel durch. Vom computeranimierten Lederlieferanten könnte man dies nicht behaupten.

Ich bin Schnappi, das große ...

Ich bin Schnappi, das große Krokodil / mag Studentenfutter, fresse oft zuviel (Bild: http://pixabay.com/)

Kugelfestes Krokodil

Allzu oft bekommt der Zuschauer das Tier aber ohnedies nicht zu Gesicht – wohl aus gutem Grunde. Überhaupt dauert es quälend lange, bis das Ungeheuer endlich zuschlägt. Dabei beweist es eine gewisse Bauernschläue: Nachdem es zwei Rednecks verspachtelt hat, schiebt es deren Wagen in den See, als wollte es die Beweise vernichten. Im weiteren Verlauf des Filmes erweist es sich als kugelfest und mit enormer Bisskraft ausgestattet, etwa wenn es einen der Studenten mitsamt dem Steg, auf dem er sich befindet, frisst.

Apropos: Das Schicksal der Figuren lässt einen völlig kalt. Diese setzen sich aus den üblichen Stereotypen zusammen: Die dämliche Schlampe, der notgeile Sportler, das naive Mauerblümchen, etc. Neu ist nur ein nerviger Hund, der bedauerlicherweise einfach nicht dem Krokodil zum Opfer fallen will, obwohl er diesem  in einer Szene völlig unmotiviert durchs offene Maul läuft.

Jumping the Crocodile: Tobe Hooper

Entsprechend spannungslos zieht das Reptilien-Diner am Zuschauer vorbei. Die Handlungen der Figuren sind, gelinde ausgedrückt, nicht stets nachvollziehbar, wobei sich ohnehin die Frage stellt, wie Lady Crocodile der Spur ihres verschleppten Eis überhaupt folgen kann: Hat sie es mit GPS ausgestattet? Oder wurde das Junge im Ei mit integriertem Handy geboren und gibt der Mutter Anweisungen?

Die Angriffsszenen verlaufen nach bekannten Mustern: Erst eine falsche Fährte legen, dann erwartungsgemäß "unerwartet" zuschlagen. Spätestens wenn Lady Crocodile aus dem Wasser heraus über ein fahrendes Boot springt (jumping the Crocodile?), entpuppt sich dieser Horrorstreifen als Albernheit der Extraklasse. Nun könnte man die Vermutung anstellen, Tobe Hooper habe mit "Crocodile" eine Parodie inszenieren wollen. Allerdings fehlen dem Machwerk jegliche Anzeichen von Humor.

Somit muss man als Fazit ziehen: "Crocodile" ist einfach nur ein billig, offenbar in aller Eile produzierter Horrorfilm, der mit dem Namen des Regisseurs wirbt. Ob dieser noch lange zugkräftig sein wird, wenn Tobe Hooper weiterhin eine Gurke nach der anderen abliefert, darf bezweifelt werden. Den Produzenten wäre zu wünschen gewesen, vom Krokodil in den Allerwertesten gebissen zu werden – als ausgleichende Gerechtigkeit für diesen aus ähnlichen Genrestreifen zusammengestoppelten Mist.

Originaltitel: Crocodile

Regie: Tobe Hooper

Produktionsland und -jahr: USA; 2000

Filmlänge: ca. 90 Minuten

Verleih: Highlight

Deutscher Kinostart: -

FSK: Freigegeben ab 16 Jahren

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