Die DDR: Betrachtung ohne Ostalgie-Brille

War die DDR also wirklich so ein Schlaraffenland, in dem es mangels sozialer Probleme vor allem um FKK, Schlagermusik und ostdeutschen Erfindungsgeist ging? So manche Fernsehsendung erweckt bisweilen diesen Eindruck. Ein Blick auf jenen seltsamen Staat, ganz ohne Ostalgie oder Voreingenommenheit offenbart indes ein völlig anderes Bild:

  • Trotz einer staatlichen Rundum-Versorgung von der Geburt bis zur Verrentung hatten die Menschen in der DDR eine geringere Lebenserwartung als heute. So schlecht kann das derzeitige Sozialsystem trotz seiner offensichtlichen Mängel also nicht sein.
  • Ein Mythos ist auch die angebliche Vollbeschäftigung sowie die Gleichbehandlung berufstätiger Frauen.
  • Wie sozial die DDR-Ideologie wirklich war, zeigt sich zudem am Umgang mit den Rentnern: Diese durften in der Regel problemlos nichtsozialistische Länder bereisen. Da alte Menschen reine "Kostenfaktoren" für den Staat darstellten, war es schließlich egal, ob sie die Gelegenheit zur Republikflucht nutzten...
  • Wie perfide das angeblich so tolle Sozialsystem der DDR tatsächlich agierte, wurde erst im Frühjahr 2013 anhand eines Medikamenten-Skandals offenkundig.
  • Wer die DDR als den besseren deutschen Staat verklärt, hat wahrscheinlich auch vergessen, was es bedeutet, für ein paar Brötchen stundenlang anzustehen, sich für marode Altbauwohnungen per Warteliste zu bewerben und dauerhaft mit Mangelwirtschaft, Schwarzmarkt und notwendigen Bestechungen konfrontiert zu werden.
  • Wer heute über die politischen Verhältnisse meckert, wäre genau dafür in der DDR eingesperrt worden. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nutzen paradoxerweise viele Ostalgiker zur Verklärung eines Staates, der freie Meinungsbildung nicht zuließ.

Warum in der DDR tatsächlich manches besser war

Unbestreitbar ist allerdings, dass die DDR in der Tat zahlreiche Sozialleistungen für ihre Bürger stemmte. Besonders Familien und junge Menschen kamen so in den Genuss erstaunlicher Wohltaten. Wer sich für eine sozialistische Hochzeit entschied, durfte auf staatliche Kostenübernahme hoffen. Ein zinsloser Ehe-Kredit ermöglichte den Start in das gemeinsame Leben und musste nicht zurückgezahlt werden, sobald eine gewisse Kinderanzahl erreicht war.

Kinder wurden beinahe rund um die Uhr betreut, während ihre Eltern im Schichtdienst schufteten. Schulspeisung, Ferienbetreuung, öffentliche Verkehrsmittel und Lehrbücher konnten zu Spottpreisen, oftmals im Pfennigbereich, genutzt werden. Die medizinische Vorsorge war beispielhaft und quasi eine Pflicht für jedes Kind.

Man sollte sich angesichts jener auch für die DDR eigentlich unbezahlbaren Sozialversorgung aber einmal fragen, welchem Zweck dieser Aufwand diente. Denn die DDR war längst nicht der erste deutsche Staat, der sich das Wohl der Kinder exorbitante Summen kosten ließ. Bereits die Hitler-Diktatur verfolgte ähnliche Ziele. Beiden Systemen ging es offenbar vor allem darum, dem Staat möglichst viele kräftige und gesunde Kinder zu ermöglichen. Sie sollten systemtreu erzogen werden und befehlsblind ihre Intelligenz sowie ihre körperlichen Fähigkeiten in den Dienst der Diktatur stellen. Es ist erschreckend, wie nahezu deckungsgleich die roten und die braunen Machthaber dabei vorgingen. Hitlers Jungvolk fand sein Pendant in den sozialistischen Jungpionieren. Wie einst die Hitlerjugend (HJ) viele junge Menschen vereinnahmte, war später die Mitgliedschaft in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) verpflichtend für alle, die keine Außenseiter sein wollten. Das Nazi-Erholungsprogramm "Kraft durch Freude" (KdF) steht dem System der FDGB-Ferienorganisation gegenüber. Solcherlei Parallelen ließen sich noch beliebig fortsetzen: Sportförderung zur staatlichen Prestigesteigerung, sozial getarnte Enteignungen von Systemgegnern, militärische Erziehung der Jugend...

Warum die DDR nicht verklärt werden darf

Die angeblichen oder wirklichen Verfehlungen heutiger Politiker und Behörden eignen sich vortrefflich, um die DDR zumindest zu verharmlosen. Da wird an den Stammtischen der Republik schon einmal schnell der BND mit der Stasi verglichen. Unterschlagen oder zumindest übersehen wird dabei, dass heute Folter, Bespitzelung oder Schikanen zwar vorkommen. Doch werden solche Dinge aufgedeckt, gelten sie eben als Verbrechen und ziehen Bestrafung nach sich. In der DDR hingegen waren solche Menschenrechtsverletzungen quasi ein Grundrecht der Staatsdiener.

Welch Geistes Kinder die Verfechter der These von der besseren DDR wirklich sind, zeigte ein Aufmarsch vom 09. Mai in Berlin. Am sowjetischen Jahrestag des Sieges über Deutschland marschierten Ewiggestrige in militärischen Uniformen der DDR vor dem Ehrenmal Treptow auf. Das Tragen sozialistischer Symbole wird in Deutschland (im Gegensatz zu anderen ehemaligen Ostblock-Staaten) nur ungenügend geahndet. Die Parallelen zu den jährlichen Nazi-Aufmärschen in Dresden lagen auf der Hand. Im Gegensatz zu jenen stellte sich den Verfechtern der roten Diktatur kaum jemand in den Weg. Genau so hat schon einmal eine finstere Zeit für die Demokratie begonnen. Die Weimarer Republik ging an der Tolerierung eben solcher Zustände zugrunde...

Quellenauszug:

Uwe Holmer: Der Mann bei dem Honecker wohnte, SCM Hänssler, Holzgerlingen, 2009

Bruder Andrew: Der Schmuggler Gottes, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, 2009

Hubertus Knabe: Honeckers Erben, Propyläen Verlag, 2009

Eigene Recherchen

Donky, am 17.11.2016
2 Kommentare Melde Dich an, um einen Kommentar zu schreiben.


Laden ...
Fehler!