Der Fern-Seher
Die Charakterstudie Der Fern-Seher aus der Reihe TTTT - Tolle Typen Tolle Ticks von Alexander Hassberg kritisiert das eintönige Leben des Durchschnittsdeutschen, der lieber das Fernsehprogramm konsumiert als selbst etwas zu erleben.Mein kleines bescheidenes Leben ist, nun ja: klein und bescheiden. Kleine Wohnung, kleines Gehalt für einen Haufen abzuarbeitender Kleinigkeiten mit wenig Verantwortung. Kurze Liebesbeziehungen, selten verirrt sich ein Freund in meine Bude und wenn, dann dreht sich alles um den üblichen Kleinkram.
Aber das ist nicht schlimm. Es ist alles gut sortiert und übersichtlich. Es gibt ja die Welt im Breitbild, die das Leben interessant macht.
Die großen Dramen spielen sich nun einmal nicht direkt vor meinen Augen, live und in Farbe, ab, sondern in 16:9. Und das ist auch gut so.
Es reicht doch, wenn ich andere sehe, die ihren Garten umgraben, andere, die sich vor Gericht streiten und wieder andere, die nicht wissen, wie sie ihre Millionen ausgeben sollen.
Console Television Receiver (Bild: ellenm1 / Flickr)
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Ich brauche meine Couch nicht zu verlassen und kann dennoch anderen beim Siegen und Verlieren zuschauen.
Und in einem bin ich ganz groß: Mich beobachtet dabei niemand. Ich habe die Freiheit, von der die Promis vor der Linse nur träumen. Ich kann in den Supermarkt gehen, ohne dass mich Fans anquatschen. Ich kann mich in der Disco besaufen und es wird nicht gleich ein Nationalskandal daraus.
Warum tue ich das eigentlich nicht? Einfach mal die Sau raus lassen? Der Welt da draußen zeigen, wo der Frosch die Locken hat!
Was hindert mich eigentlich daran? Morgen werde ich das mal in Angriff nehmen. Aber nicht heute. Heute habe ich es mir ja schon so schön auf meinem Sofa gemütlich gemacht. Und alles was ich erleben will, kann ich mir in High Definition auch ansehen.
Also, was soll ich draußen in der Kälte? Was soll ich mich auf die Suche nach Leuten begeben, die gar nicht mit mir reden wollen? Ich schlafe da erst mal eine Nacht drüber, quäl mich durch meinen Job und dann schau ich weiter.
Dann schau ich aber erst einmal in die Fernsehzeitung. Vielleicht läuft ja was gutes, es wäre schade, das zu verpassen.
Ach, liebe Welt, mach dir keine Sorgen. Ich lebe mein Leben und ihr lebt euer leben - ich schaue euch dabei zu.
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