Mit Sicherheit nicht "Der letzte Exorzismus"!

Was unterscheidet Horrorstreifen wie "The Blair Witch Project", "Alien" oder "Halloween" von Filmen über Exorzismen? Ganz einfach: Während die überwiegende Menge von Genrewerken rein fiktive Plots aufgreifen, basieren Filme über Exorzismen auf tatsächlich praktizierten Ritualen. Alleine in Italien sind, so unglaublich es auch klingen mag, derzeit rund 200 Priester als Exorzisten tätig! Der wohl bekannteste Exorzismus-Fall überhaupt, nämlich jener der während des Rituals verstorbenen Anneliese Michel, geschah in den 1970er-Jahren mitten in Deutschland.

Verständlich also, dass diese Thema selbst in den hochtechnologisierten Industriestaaten immer noch für Aufsehen und Interesse sorgt. Mit "Der letzte Exorzismus" inszenierte der Hamburger Daniel Stamm einen weiteren Genrefilm, der sich des "Gimmicks" einer Handkamera und pseudo-dokumentarischen Stils bedient.

Mit Sicherheit nicht

Handlung

Pastor Cotton Marcus (Patrick Fabian) verdingte sich lange genug als charismatischer Geistlicher, der mitunter zu kleinen Tricks griff, um seine Predigten aufzupeppen. Seit er in den Nachrichten den Fall eines während des Exorzismus verstorbenen Jungen verfolgte, kann er seine Profession nicht länger ausüben. Er sieht seine Aufgabe nunmehr darin, mit den Schwindeleien und Manipulationen seines Gewerbes öffentlich abzurechnen. Er engagiert die Filmproduzentin Iris  Reisen (Iris Bahr), um gemeinsam mit ihr einen Dokumentarfilm über die dunklen Seiten religiösen Wahns zu drehen.

 

Sie soll ihn bei seinem letzten Exorzismus filmen, der in den Süden der USA führt. Cotton erhielt nämlich vom Farmer Louis Sweetzer (Louis Herthum) einen verzweifelten Brief, in welchem dieser um Hilfe für seine von Dämonen besessene Tochter Nell (Ashley Bell) fleht. Überhaupt soll der Teufel auf der Farm sein Unwesen treiben, dem allnächtlich ein Stück Vieh zum Opfer fällt.

 

Bereits bei der Ankunft werden Cotton, Iris und ein Kameramann mit dem seltsamen Aberglauben und absurden religiösen Wahnvorstellungen konfrontiert. Bei Sweetzer angekommen lernen sie Nell als schüchterne, offenbar von ihrem Vater und ihrem Bruder Caleb (Caleb Landry Jones) unterdrückte Teenagerin kennen. Cotton führt wenig später einen mit technischen Hilfsmitteln eindrucksvoll gestalteten Exorzismus durch, um Nell und ihren Vater zu überzeugen, dass der Teufel aus ihrem Leib vertrieben wurde.

 

Aber noch in derselben Nacht zeigt sich die Erfolglosigkeit des Unterfangens: Nells "Besessenheit" wurde nicht kuriert und erneut findet Louis Sweetzer ein grausam abgeschlachtetes und verstümmeltes Tier vor. Eine unerwartete Wendung nehmen die Ereignisse, als Cotton und Iris von Nells Schwangerschaft erfahren. Steckt nicht nur religiöser Wahn hinter den Problemen der Familie, sondern spielt sich vielmehr ein weitaus komplexeres Drama auf der Farm ab?

Kritik - "Please allow me to introduce myself" - Sympathy For The Devil (The Rolling Stones)

"The Blair Witch Project", oder: Die Rückkehr der Handkamera

In seiner Rezension zu "Der letzte Exorzismus" benannte ein Filmkritiker des "Hollywood Reporter" den Streifen in das "Linda Blair Witch Project" um. Hinter diesem Gag verbirgt sich freilich eine Wahrheit, die das Publikum zwangsläufig spaltet: Als Pseudo-Dokumentation mit einer Handkamera gedrehte Filme erfreuen sich seit der Kinosensation "The Blair Witch Project" ungebrochener Beliebtheit. Mit "Cloverfield" erblickte ein Jahrzehnt später sogar ein 30 Millionen Dollar teurer Blockbuster im Doku-Stil das Licht der Leinwand. Da erscheint es fast schon ironisch, dass derlei Filmen mit beträchtlichem Aufwand zu den "Rüttelbildern" verholfen wird.

Selten zuvor passte dieser Handkamera-Stil dermaßen gut zu einem Film, wie im Fall von "Der letzte Exorzismus". Schließlich möchte der vom Glauben (und Geschäft) abgefallene Pastor Cotton die abscheulichen Seiten der Religion unverblümt aufzeigen, wofür eine raue und unverfälschte Bildersprache bestens geeignet ist.


No Sympathy For The Devil!

Vorab eine gute Nachricht: Wem der eingangs erwähnte "Cloverfield" zu hektisch und unruhig war, muss sich bei der Rezeption von "Der letzte Exorzismus" nicht vorab mit MIttelchen gegen die Seekrankheit eindecken. Zwar ist der Stil unverkennbar von einer Handkamera-Perspektive geprägt. Doch dies fällt nicht sonderlich negativ ins Gewicht, obwohl vom Bildrand abgeschnittene Köpfe bei einem angeblich professionellen Kameramann reichlich amateurhaft wirken.

Gute Voraussetzungen für einen realistisch wirkenden, dezent gestalteten Horrorfilm. Tatsächlich startet "Der letzte Exorzismus" verheißungsvoll. Binnen weniger Minuten wird der Zuschauer in die Gedanken- und Arbeitswelt des Cotton Marcus, fulminant von Patrick Fabian verkörpert, eingeführt. Dabei entwickelt der Zuschauer keine Sympathien für den Schwindler und Menschenmanipulierer, sondern Verständnis dafür, weshalb er die Leute jahrelang hintertrieb und ausnutzte. Wie ein geschickter Geschäftsmann auch musste er für sich das Beste herausholen, um seine Familie ernähren zu können. Der wahre Glaube trat längst hinter den Showact zurück.

 

Standard-Klischee Rednecks

"Der letzte Exorzismus" fesselt paradoxerweise so lange, bis er zum versprochenen Ritual vorgedrungen ist. Denn bereits bei der Ankunft der Filmemacher und Cotton im südlichen US-Bundesstaat Louisiana werden alle Redneck-Klischees bedient, vornehmlich jenes der gewalttätigen, primitiven Bauerntölpel, die noch in der Epoche vor der Aufklärung steckengeblieben sind.

Außer harter körperlicher Arbeit und religiöser Hingabe scheinen diese Leute nichts zu kennen, schon gar nicht die Vorzüge moderner Technologie. Geradezu peinlich wird es, wenn Nell vor Freude kreischt, weil ihr Filmemacherin Iris Reisen ein Paar abgetragener Schuhe schenkt. Selbstverständlich verfügt der Hausherr auch über stets einsatzbereite Schusswaffen. Weshalb man mit diesen im besten Fall einfältigen, im schlechtesten Fall dummen und aggressiven Leuten irgendeine Art Sympathie oder zumindest Verständnis aufbauen soll, wird nicht ersichtlich. Folglich lassen einen die Schicksale dieser Rednecks völlig kalt.

 

Finale Banale

Was der deutsche Newcomer Daniel Stamm, über dessen Familiennamen andere ihre Späße treiben sollen, in der ersten Hälfte des Filmes behutsam aufgebaut hat, fällt im banalen Finale schneller zusammen als ein Kuchen bei geöffnetem Backrohr. Die letzten Minuten können als Zugeständnis an die Horrorfans verstanden werden, die sich über eine Stunde lang fragten, wann es denn endlich mal zur Sache gehe. Oder hatte Eli Roth schlichtweg keine Lust mehr und wollte den Film nur noch rasch zu Ende bringen? Die Spannungskurve des Filmes verläuft jedenfalls nach dem starken Beginn rasch nach unten und erreicht mit dem Showdown ihren TIefpunkt.

Ein Jammer auch angesichts der guten Darstellerleistungen, allen voran der überragende Patrick Fabian, bislang höchstens als Nebendarsteller in TV-Serien bekannt. Ihm ist die Rolle des im Grunde verlogenen Pastors wie auf den Leib geschrieben. Auch "Nell"-Darstellerin Ashley Bell weiß durchaus zu gefallen, wenngleich sie für Verkörperung eines weiblichen Teenagers sichtbar zu alt ist. Aber mit derlei Petitessen nimmt man es in Hollywood, wo End-Zwanziger Jugendliche darstellen, ohnehin nicht so genau.

Fazit - Vade Satana! Und nimm diesen Film gleich mit ...

"Der letzte Exorzismus" sitzt zwischen den Stühlen und plumpst schlussendlich zu Boden. Denn was möchte der von Eli Roth ("Hostel") produzierte Streifen eigentlich sein? Ein Psychodrama? Dagegen sprechen der ruhige Beginn und das grauenhaft verbockte Ende. Ein Horrorfilm? Wohl kaum, fehlen doch die genretypischen Zutaten. Eine Anklage wider den Exorzismus? Dann hätte der Film einen anderen Schluss benötigt.

Schlussendlich kann kein eindeutiges Fazit erfolgen. Angesichts der relativ kurzen Laufzeit von 89 Minuten dürfen alle Horrorfans ruhig einen näheren Blick riskieren. Es gab schon erheblich schlimmere Zeitverschwendungen als "Der letzte Exorzismus". Allerdings musste man sich bei diesen meist nicht über das sträflich vernachlässigte Potenzial der Geschichte ärgern.

Daten & Fakten

Originaltitel: "The Last Exorcism"

Regie: Daniel Stamm

Produktionsland und -jahr: USA 2010

Filmlänge: ca. 98 Minuten

Verleih: Kinowelt

Deutscher Kinostart: 30. September 2010

FSK: ab 16 Jahren

Offizielle Website:www.derletzteexorzismus.de
Ihre inneren Stimmen sind gefragt!
Laden ...
Fehler!