Der malende Fischer von Stromboli
Morgens und abends vertäut er die Schiffe am Hafen, und im Winter malt er sich die Sehnsucht von der Seele: Mario Cusolito, verborgener Künstler unter rumorendem VulkanEr erinnert an Karl Marx - oder Odysseus
Umgekehrt erregt er aber einiges Aufsehen, wie er da steht. Der Kopf mit der grauen Mähne, dem kaum gebändigten mächtigen Bart, das erinnert an Karl Marx. Oder an Odysseus. Mario steckt in halblangen, unter den Knien abgeschnittenen Jeans; die auf sizilianische Art etwas zu kurz geratenen Beine sind mehr als muskulös; er steht da - barfuß. Und keiner wagt, ihn anzusprechen. Mario Cusolito ist ein Mann des Meeres. Der inzwischen 73 Jahre alte Fischer lebt seit Jahr und Tag auf der Vulkaninsel Stromboli vor Sizilien im Tyrrhenischen Meer. Er ist Fischer, Bootsmann und - lange hat es kein Mensch gewusst - Maler aus jener eigentümlichen Ursprünglichkeit heraus, die Insulanern zu eigen ist, deren kleine Welt begrenzt wird von Urgewalten. Mario Cusolito hat über sich den rumorenden Vulkan und um sich herum das unbändige Meer.
Als Autodidakt in verborgener Welt
Der Fischer und Maler hat weithin unbemerkt über jetzt fast 50 Jahre hinweg als Autodidakt seine Inselwelt mit Pinsel und Palette eingefangen. Vor 30 Jahren schließlich wurde er einem größeren Publikum bekannt gemacht: Mit einer Ausstellung in dem Privatclub "Punto rosso" auf Stromboli, dessen Initiator Stefano Cervi die künstlerischen Impulse der eolischen Inselwelt - und da gab und gibt es eine Reihe bislang verborgener Blüten - einem größeren Publikum darbieten wollte. "Punto rosso" ist längst verblichen; das geht schnell in Süditalien, aber Mario Cusolito ist geblieben und hat sich durchgesetzt.
Die gedrängte Umwelt in kräftigen Farben
Der malende Fischer malt Innerliches. Mario Cusolito mit der stämmigen Gestalt, der von Sonne, Wind und Regen gegerbten Haut, dem Rauschebart, malt in kräftigen Farben seine gedrängte und darum auch etwas bedrohliche Umwelt: Ineinander verschachtelte Kästen, die Häuser auf dem Eiland, er malt die sakrale Umwelt: "Seine" Kirche San Vincenzo - und die Farben werden heller. Und er malt die schnäbelnden Vögel im Pulk. Das ist, als schaue er aus seiner in Kästen gefügten dörflichen Inselwelt den Zugvögeln nach - den Schwalben beispielsweise, die im Frühjahr und im Herbst auf seiner Insel Rast machen und dann weiterziehen. Und wenn er "seinen" Vulkankegel malt und ihn zusammensetzt aus lauter schreienden Sirenen-Gesichtern, dann hat er an Odysseus gedacht, der sich an seiner Feuerinsel vom Meer aus orientiert hat und auch weiter gezogen ist.
Ehrenmitglied der eolischen Künstlervereinigung
Das kann er weder den Schwalben noch Odysseus nachmachen. Das heutige Ehrenmitglied der Künstlervereinigung der Eolischen Inseln malt sich im Winter die Sehnsucht von der Seele und vertäut morgens um sechs und abends um neun die Fährschiffe, die dann weiterziehen. Nach Neapel oder nach Messina.