Astrid Meyerfeldt

© Arno Declair

 

 

Diskursfreudigkeit ohne Referenz

Das Studio, zwecks Lichtverwertung mit einem offenen Dach ausgestattet, ist noch das Originellste des Abends. Alles, was sich im Innern abspielt, wird nach außen projiziert, entweder auf die Fassade oder auf eine Leinwand. Das Häuschen bewegt sich auf Rollen, wiederholt mühen sich die fünf Schauspieler*innen dabei ab, es um die eigene Achse drehen zu lassen, wie bei einem permanenten Kreislauf. Astrid Meyerfeldt ist mit großen rollenden Augen dahergekommen, um schwerbewaffnet in Alaska auf Goldsuche zu gehen. Anscheinend ist ihr im Vorfeld das dort herrschende subpolare Klima entgangen, denn sie ist gekleidet, als wolle sie einen Kurzurlaub in der Wüste machen. Franz Beil trägt ein schwarzweiß gestreiftes Outfit, als sei er eine Popversion der Neuen Deutschen Welle aus den frühen 80ern. Blumiger und bunter wird es bei Katrin Wichmann, die als neue Variante von Caroline Peters in Erscheinung tritt, vor allem was die Debatierlust anbelangt. Und Benjamin Lillie wirkt wie ein erprobter Seminarist, der etliche intellektuelle Küchengespräche auf dem Buckel hat, die letztlich zu keinem zwingenden Ergebnis führen. Alle sind sie diskursfreudig, leider kommt nur selten eine brauchbare Referenz zustande, aber vielleicht ist nur die Selbstreferenz das Ziel wie bei einem Dadaismus-Gedicht. Thesen werden in den Raum geschleudert, ohne dass eine maßgebliche Sentenz hängenbleibt. Insofern ist Pollesch ein Großmeister für ausgehungerte Halbintellektuelle, die nach großen Gedanken suchen und sich in einen Geistesrausch hineinmanövrieren, Hauptsache, der Kopf hat etwas zum Arbeiten.

 

Fähigkeit zur Uneindeutigkeit

Warum um Himmels Willen soll die Unsichtbarkeit ein Phänomen, ja Privileg der weißen Typen sein? Parallelen tauchen auf zum (bösen) alten weißen Mann aus der Kampffeminismus-Ecke. Und worin liegt der Wert der Unsichtbarkeit? Etwa darin, dass man bestenfalls als Dekor, als Komparse den Raum füllt und nicht weiter auffällt. Pollesch, ein Variationsspezialist vor dem Herrn und ein gänzlich unromantischer Autor, versucht gelegentlich die Liebe ins Spiel zu bringen (oder was er dafür hält) und besitzt vor allem die Fähigkeit zur Uneindeutigkeit, zum Unfestgelegten. Der Perspektivismus ist seine Sache. Immerhin, es tauchen immer wieder ein paar schöne Sequenzen auf, die zum Schmunzeln anregen. Aber etwas Haltbares kann man nicht nach Hause nehmen, zu unausgegoren sind die Einfälle, die zu selten spritzig sind. Der Regie führende Schnell- und Vielproduzent sollte sich einmal eine Auszeit gönnen. Doch solange er Beifallsstürme ernten kann, wird er unermüdlich weitermachen.

 

Black Maria
von René Pollesch
Regie: René Pollesch, Bühne und Kostüme: Nina von Mechow, Video: Ute Schall, Live-Kamera: Ute Schall, Hannes Francke, Licht: Marco Scherle, Animation: Luis Krawen, Dramaturgie: Juliane Koepp.
Es spielen: Katrin Wichmann, Jeremy Mockridge, Franz Beil, Benjamin Lillie, Astrid Meyerfeldt.
Deutsches Theater Berlin, Premiere war am 30.Januar 2019, Kritik vom 9. Februar 2019.

Dauer: ca. 105 Minuten

 

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