Hoffnung auf die Erlösung

Anfangs sind die Schauspieler*innen ganz in Schwarz gekleidet, als seien sie durch einen Kamin gekrochen, und hocken an einem langen Tisch, der wohl eher an eine Grabtafel gemahnt. Um sie herum dampft der Brandnebel. Unruhige Zeiten das, da kommt es schon einmal vor, dass Uwe Zerwer den Inhalt einer Flasche über Torsten Flassigs Kopf gießt, wie um sich Erleichterung zu verschaffen. Nach einer Weile stehen die Akteur*innen in fleischfarbener Unterwäsche da und diverse Brandflecken kommen zum Vorschein. Ein Stigma der Verletztlichkeit, den Hang zur Selbstzerstörung andeutend. Irgendwann wird der Tisch unsanft weggeräumt und die Schauspieler*innen irren umher wie hektische Insekten, deren Tatendrang eben verdrängen soll, aber in eine betriebsame Leere mündet. Auf einem Laufband kommt Schlabber-Kleidung bei ihnen an, und auch Streichhölzer, um alles, was mühsam aufgebaut wurde, mit Feuereifer und Lust an der Apokalypse niederzubrennen. Die große Retterin und Erlöserin ist Rosa – sie wird niemals kommen, es sei denn als quasi unschuldiges Kind. Rosa repräsentiert eine kollektive Sehnsucht, die von einem charismatischen Hoffnungsträger eine völlige Wandlung der Dinge erwartet. Abzuwerfen ist aber nur die halbe Last, jene Alltagsphänome, die man mit sich herumschleppt, ohne sie zu brauchen. Das Schöne, oder das, was man dafür hält, soll erhalten bleiben. Nun, steile Hierarchien lassen sich nicht einfach per Knopfdruck abschaffen, zu flachen Rangordnungen oder zu deren Beseitigung gelangt man nur durch tägliche mühevolle Kleinarbeit.

 

Der Zukunft gilt ihre wahre Liebe

Rosa ist im Grunde nur ein Wunschtraum, sie ist eine Idee oder Idealvorstellung, auf die man seine Hoffnungen projiziert, auf das alles Unangenehme und Störende und Lebensbehindernde niedergerissen wird. Hier fällt einem ein Satz aus Nietzsches Zarathustra ein: "Ich liebe die großen Verachtenden, denn es sind die großen Verehrenden und Pfeile der Sehnsucht nach anderen Ufern". Die Schauspieler-Leistungen sind okay, hervorzuheben ist ein Negations-Monolog von Sarah Grunert. Was man nicht hat und was man alles nicht will. Aber im Grunde ihres Herzens sind diese vermeintlichen Totalverweigerer und Perspektivlosen Menschen, die, mit diversen Sehnsüchten beladen, der Nachwelt vorarbeiten wollen. Der Zukunft gilt ihre wahre Liebe. Insofern ist diese Inszenierung gar nicht so dystopisch.

 

Das hässliche Universum
von Laura Naumann
Regie: Julia Hölscher, Bühne: Paul Zoller, Kostüme: Susanne Scheerer, Musik: Tobias Vethake, Dramaturgie: Ursula Thinnes
Mit: Sarah Grunert, Katharina Linder, Luana Velis, Uwe Zerwer, Torsten Flassig und Cosima Geadah/Aimèe Rose Geiger.

Schauspiel Frankfurt, Premiere war am 28.9. 2017.

Deutsches Theater Berlin, Kammerspiele, Aufführung vom 13. 6. 2018.
Dauer: 90 Minuten, keine Pause

 

Laden ...
Fehler!