Trinkhorn

Trinkhorn (Bild: Clker)

Met-Genuss bringt Musenkuss

Die nähere Beschäftigung mit dem Thema Kreativitätsförderung durch Drogenkonsum erscheint  gleichermaßen naheliegend wie heikel. Einerseits lassen sich problemlos und zu allen Zeiten Musiker, Schriftsteller, Maler und andere Kunstschaffende finden, die ihrem Geist mit Rausch-mitteln auf die Sprünge halfen, andererseits müssen wissenschaftliche Untersuchungsvorhaben regelmäßig an Betäubungsmittelgesetzen scheitern. Von hitzigen Diskussionen über Drogen-missbrauch und –legalisierung ganz zu schweigen.

Über all das mussten sich die alten Germanen keinen Gedanken machen, wenn sie sich aus purem Vergnügen oder im Vollzug kultischer Handlungen in Saufgelagen hemmungslos dem Met-Genuss hingaben. Trunkenheit und Ekstase durch starken Alkoholkonsum war hier ganz selbst-verständlich gleichbedeutend mit Wissenserwerb und künstlerischer Inspiration. In ihrer Mythologie ist Met, der aus Honig, Wasser und Gewürzen gebraute Honigwein, nicht nur Trank der Götter, sondern gleichzeitig auch "Dichtermet" (Dichterwein) oder – in Anlehnung an die altnordische Bezeichnung für Dichter – "Skaldenmet"

 

Weisheit auf Wanderschaft

Laut germanischer Mythologie geht die Entstehung des Dichtermets auf den Friedensschluss der beiden Göttergeschlechter der Wanen und der Asen zurück. Diese hatten zuvor einen erbitterten Kampf um göttliche Vormachtstellung ausgefochten, aus dem das jüngere Geschlecht der Asen als Sieger hervorging. Die Wanen, ältere erdverbundene Götter der Fruchtbarkeit, behielten aber weiterhin ihre geachtete Stellung. Als Zeichen der Übereinkunft und Sühne vermischten beide Seiten ihren Speichel in einem Kessel und erschufen aus diesem Gemisch das allumfassende Weisheit verkörpernde Wesen Kvasir.

Kvasir wurde jedoch nach längerer Wanderschaft von den beiden Zwergen Fjalar und Gjalar getötet. Sie vermischten sein Blut mit Honig und füllten es in den Kessel Ödrörir und die Gefäße Son und Bod. Ödrörir ("der zur Ekstase anregende"), der Name des Kessels, wird oft auch als Bezeichnung für deren Inhalt, das Dichtermet, verwendet. Jeder, der aus diesen Gefäßen trank, wurde sofort zum Weisen und Dichter. Dies erfuhr auch der Riese Suttungr, dessen Vater eben-falls von den zwei Zwergen getötet worden war, und forderte den magischen Trank als Sühnegabe. Nachdem er das Objekt seiner Begierde erhalten hatte, versteckte er es tief unter der Erde in einer Höhle und kommandierte seine schöne Tochter Gunnlöd zur Wache ab.

Odin, Supreme God in Norse Mythology (Bild: 5221158)

Odin in göttlicher Mission

Trotz aller Bemühungen des Riesen blieb der Aufenthaltsort des Tranks dem Asen Odin, Kriegs-, Todes- und oberster Gott aller Götter, nicht lange verborgen. Durch seine beiden Raben Hugin und Munin, die ständig in der Welt umherflogen und ihrem Herrn von allen Vorkommnissen berichteten, war er stets bestens informiert. Da er auch Gott der Zauberei, Dichtung, und Weisheit war, tat er alles, um sein Wissen zu mehren und damit gleichzeitig die hervorgehobene Stellung seiner Götterfamilie gegenüber Riesen und Zwergen zu wahren.

 

Um den Met für die Götter zurückzugewinnen, heuerte er unter einem Decknamen bei Baugi, dem Bruder des Suttungr, als Knecht an, vollbrachte es durch eine List, dass sich die anderen Knechte in Baugis Diensten gegen-seitig umbrachten und machte sich dadurch für den Riesen unverzichtbar. Da er als Gott ohne zu Flunkern ankündigte, allein die Arbeit gleich mehrer Knechte erledigen zu können, rang er Baugi das Versprechen ab, ihn nach getaner Arbeit zum Met zu führen und davon kosten zu lassen. Suttungr weigerte sich jedoch, Odin und Baugi zum Trank durch zu lassen.

Hilfe aus dem Werkzeugkasten

Natürlich gab Odin sein Ansinnen nicht ohne weiteres auf, zog plötzlich einen Bohrer aus seinem Gewand hervor und überredete Baugi, der den genauen Aufenthaltsort der kostbaren Flüssigkeit ebenfalls kannte, einen Tunnel dorthin zu bohren. Kaum war der erste schmale Spalt fertig gestellt, verwandelte sich Odin in eine Schlange (oder einen Wurm) und schlüpfte hindurch. Der Wächterin Gunnlörd wiederum zeigte er sich in Gestalt eines schönen Riesen. Nachdem sich die beiden drei Nächte lang miteinander vergnügt hatten, führte ihn die Riesin bereitwillig zum Met. Dort ange-kommen trank Odin Ödrörir, Son und Bod leer, verwandelte sich in einen Adler und erhob sich in die Lüfte. Suttungr, der das Unheil mittlerweile bemerkt hatte, nahm sofort die Verfolgung auf.

 

Odin and Gunnlod (Bild: 6804920)

Von dem, was nun folgt, gibt es zwei unterschiedliche Versionen. In der ersten Variante flog Odin schnurstracks nach Asgard, der Götterburg, wo er das zuvor getrunkene Met in von den anderen Asen bereit gestellten Gefäßen wieder ausspieh. In einer zweiten Version drohte Odin, der an der großen Menge Met in seinem Magen schwer zu tragen hatte, von Suttungr eingeholt zu werden. Um zu entkommen, erleichterte er sich von einem Teil des Mets, das seitdem als Trank der schlechten, untalentierten Dichter galt. In Asgard angekommen, spieh er den verbliebenen Teil des Mets in die bereitgestellten Schalen und erschlug mithilfe der anderen Götter den kurz darauf eintreffenden Suttungr.

Beiden Varianten gemeinsam ist das Happy End für die germanischen Götter. Denn nach Odins wagemutigem Einsatz  konnten sie genussvoll und im völligen Bewusstsein eigener Überlegenheit die Weisheit wieder, wenn nicht mit Löffeln (fr)essen, so doch aus Met-Bechern trinken.

 

kreaTexta, am 11.11.2011
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