Der tschechische Alexanderroman

Die tschechische Fassung steht zusätzlich noch verstärkt mit der deutschen Rezeption in einem Wechselspiel. Es handelt sich um einen Ritterroman mit heldenhaften Königen, edlen Rittern und ritterlichen Fürsten, allesamt gottgefällig und tugendhaft. Die mittelalterliche Rezeption ist vielfältig, es sind 80 Dichtungen in 35 Sprachen überliefert. Neben der Bibel war der Alexanderroman mit seinen ersten volkssprachlichen Fassungen eines der weit verbreitetsten Bücher in Europa.

Ulrich von Etzenbach

Etzenbachs Gedicht umfasst 28000 Verse, es ist zwischen 1271 und 1282 am Prager Hof von König Wenzel entstanden. Im Unterschied zum Werk Rudolf von Ems ist Alexander bei ihm nicht makellos. Oft wird in literarischen Werken Alexander verherrlicht und in einem positiven Licht dargestellt. Moralische Schriften hingegen sollen ein abschreckendes Beispiel für Maßlosigkeit und Grausamkeit sein.

Moralische Schriften und Heldenepen sind häufig nicht deckungsgleich. Auch im Falle des Alexanderromans bewegt man sich auf dem schmalen Grat zwischen Heldentum und verwerflichem Handeln.

Der lateinische Alexanderroman prägt

Pseudo-Kallisthenes: Die Urfassung des Alexanderromans stammt vermutlich aus Ägypten (3. Jahrhundert), ursprünglich war sie möglicherweise als Geschichtsschreibung gedacht und ist der Vorläufer der meisten Alexanderdichtungen. Das Motiv wurde vielfach aufgegriffen und existiert in vielen Übersetzungen und Bearbeitungen aus dem Griechischen, z.B. Curtius Rufus "Historia Alexandri" oder Walter von Châtillons (Gualterus ab Castellione) "Alexandreis" um 1180.

Verbindung der deutschen und tschechischen Literatur im 13. Jahrhundert

Die tschechische Literatur machte Ende des 13. Jahrhunderts eine rasante Entwicklung mit. Man sah sich in einem Wettstreit mit lateinisch und deutsch geschriebener Literatur. Durch direkte Vergleiche entstand so eine Verbundenheit zwischen den Literaturen.

Träger der Literatur waren nunmehr nicht nur Geistliche, sondern auch der Adel, der bei den deutschen Nachbarn einen neuen Lebensstil und Literatur kennenlernte. Sogar am Hof fanden sich Dichter, die auf deutsch dichteten, auch fand eine Hinwendung von der geistlichen zur weltlichen Literatur statt. Die Alexandreis ist das erste Werk aus der weltlichen Dichtung, das in tschechischer Sprache geschrieben ist, 1310 von einem unbekannten Verfasser. Die Alexandreis kann als Wendepunkt bezeichnet werden, an dem die lateinische Literatur von der tschechischen abgelöst wird und den Beginn der tschechischen Literatur kennzeichnet. Außerdem sollte die deutsche Ritterdichtung verdrängt werden.

Durch die Gesellschaftsstruktur waren in Tschechien ähnliche Voraussetzungen für den höfischen Roman gegeben wie in Deutschland (fürstliche Gönner, adliges Publikum). An die Form wurde hoher künstlerischer Anspruch gestellt, hohe Kultur soll Volksdichtung sein.

ABER: Die Alexandreis stand damit recht isoliert da, weil keine Rücksicht auf das Volk als Lesepublikum genommen wurde.

Quellensuche - Wer lieferte die Vorlage für die tschechische Fassung?

  • Eschenbach (Etzenbach)

Für Eschenbachs Werk als Vorlage spricht, dass es am Prager Hof um 1280 mit 28000 Versen entstanden ist, und dass in der Alexandreis neue literarische Elemente auftauchen, die aus den Beziehungen zu mittelhochdeutschen Dichtungen stammten. Es war wohl Ulrichs Gönner, dem Premysl Ottokar II gewidmet bzw. dessen Sohn Wenzel II.

  • Châtillon

Sein Werk stellt die unangezweifelte Hauptquelle dar, allerdings mit großen Unterschieden. Wo der tschechische Text von Châtillon abweicht, gleicht er Eschenbachs, und umgekehrt. Entweder hat der Verfasser also diese Werke gekannt, oder aber er hat die gleichen Glossen und Kommentare aus den lateinischen Handschriften benutzt. Wobei die Theorie mit der Kenntnis wahrscheinlicher ist, denn es wäre ein zu großer Zufall, wenn verschiedene Dichter aus den lateinischen Kommentaren das gleiche herauslesen würden.

Oder aber, die Dichter hatten unterschiedliche lateinische Handschriften als Quelle, die wiederum teilweise voneinander abweichen. Dass Beziehungen zwischen den Texten bestehen, ist gewiss, allerdings besteht in der Forschung eine Einigkeit darüber, in welchem Grade. Châtillons Werk kann als Grundlage für beide gesehen werden.

Tschechische Alexandreis

Sie wurde offensichtlich für den tschechischen Adel geschrieben und vertritt die Weltsicht des Adels, spricht verächtlich vom niederen Volk "chlapy". Sie ist auf den tschechischen Ritter gerichtet, auf ritterliche Werte, Kühnheit und kämpferische Stärke. Der Stoff ist stark nationalisiert, was man an der Verwendung tschechischer Eigennamen sowie Anspielungen auf die zeitgenössische tschechische Geschichte erkennen kann. Abweichungen von der Quelle können durch ein Bemühen um Modernität erklärt werden. Tschechischer Patriotismus kommt durch die Abneigung von einer Überfremdung des Landes zum Ausdruck und zeigt sich in dem Wunsch, der tschechische Herrscher möge genauso stark wie Alexander sein. Eschenbachs Werk und die tschechische Alexandreis unterscheiden sich von Châtillons Werk durch Modernisierung. Eschenbach und der Tscheche unterscheiden sich voneinander im literarischen Geschmack. Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten bestehen in Wortwahl und Wortverbindungen, Metaphern, Genitivkonstruktionen. 9000 Verse umfasst der tschechische Alexanderroman. Es existieren 9 Fragmente mit insgesamt 4140 Versen, von denen sich 691 miteinander decken, von den übrigen 3449 sind einige bruchstückhaft.

Veränderungen im Text sind meist sprachlicher Natur, wie z. B. Lautverschiebungen, Substanz bzw. Inhalt bleiben jedoch weitgehend gleich. Von Abschreibefehlern ist bei allen Bruchstücken auszugehen.

Sonja, am 09.03.2014
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