Die Dacho-Prunksitzung in Wiesbaden 2015: Politikverseuchte Werbeschau?
Hat Wiesbaden keine eigene Karnevalskultur? Diese Frage stellt sich unweigerlich, wenn man eine der Prunksitzungen des Dachverbands der Wiesbadener Karnevalsvereine besuchtNachmittagssitzung ohne Karnevalsschmanckerl?
Die Sitzung der Dacho fand zuletzt am Samstag dem 25.01.15 ab 16:00 Uhr im Kurhaus statt. Nachmittagsveranstaltung im Kurhaus? Dies machte Hoffnung auf eine kulinarisch passende Untermalung, denn traditionsgemäß ist der Delikatessfachbetrieb Käfer für die Verköstigung im Kurhaus zuständig. Doch die Erwartungen wurden umgehend mit der Realität konfrontiert, als es die "Speisekarte" zu studieren galt. Eine Sitzung, die um 16 Uhr beginnt und kein Kaffee im Angebot? Von den saisonal obligatorischen Krebbeln ganz zu schweigen. Stattdessen Wein in sämtlichen Variationen - aber nur flaschenweise. Die Gerichte waren auch übersichtlich in der Anzahl. Für 12,50 € gab es ein wirklich kleines Schnitzel Wiener Art mit Kartoffelsalat, der geschmacklich recht dürftig war und von vielen Discountern besser angeboten wird. Die Gulaschsuppe hingegen schmeckte definitiv nach etwas, nämlich hauptsächlich Pfeffer. Wäre sie versalzen gewesen, könnte man dem Koch ja noch unterstellen, dass er verliebt war. Aber was ist die Ursache, wenn alles nur noch nach Pfeffer schmeckt?
Hat Wiesbaden keine Karnevalstalente?
Als zu Beginn die 19 Karnevalsvereine auf die Bühne drängten und die Bühne unter dem Gewicht der Akteure fast zusammen zu brechen drohte, gewann man den Eindruck, dass Wiesbaden, welches bisher immer im Schatten des Mainzer Karnevals gestanden hatte, doch einiges an Akteuren zu bieten hat. Verschiedene Tanzgruppen, Mariechen, Elferräte und Büttenredner lokaler Karnevalsvereine waren zugegen. Da kein Programm auslag, ging der unbedarfte Besucher dann (leider) fälschlicherweise davon aus, dass diese Vereine sich auch am kommenden Programm beteiligten, doch weit gefehlt. Die Wiesbadener Stadtgarde begeisterte zwar mit einer Tanzvorführung und Molli sorgte für manche Lachträne, doch dies war es dann soweit mit den Wiesbadener Akteuren. Die anderen Tanzgruppen und Redner wurden nicht aus den Wiesbadener Vereinen rekrutiert, sondern aus ganz Deutschland und sogar dem rivalisierenden Mainz eingekauft.
Hat Wiesbaden denn niemanden, der ein williges Publikum mit seinem Talent begeistern kann? Sind etwa alle Beteiligten der örtlichen Vereine so schlecht, dass sie sich nicht für einen Beitrag bei der Dachositzungen qualifizieren konnten? Oder ist der Dacho eher daran gelegen möglichst professionell zu sein und weniger die örtlichen Vereine zu fördern? Das wäre in der Tat traurig.
Werbung, Werbung und wieder Werbung
Da teilweise bekannte Karnevalsgrößen aus den Hochburgen engagiert wurden, die sich ihre Auftritt natürlich auch bezahlen ließen, tat es dringend Not, für die Darbietungen Sponsoren zu finden. Während man bei kleineren Dorfkappensitzungen aber allgemein den Helfern für die Mithilfe dankt, wurde bei der Dachositzung jeder, und ich meine wirklich jeder Sponsor und Politiker namentlich begrüßt. Nach jeder Nummer setzte der Vorsitzende zur Begrüßung weiterer Größen aus Politik und Wirtschaft an und dankte für diese und jene Spende. Teilweise reihten sich pro Pause bis zu 20 Erwähnungen aneinander. So bekam man immer mehr das Gefühl, dass fast der gesamte Innenraum nur aus den erwähnten Personen bestand. Ist die Dachositzung also auch nur eine Veranstaltung bei der es um Sehen und Gesehenwerden geht? Nun ergab auch das Applausverhalten der Publikums einen Sinn: Als der Gardist eine wirklich passende und kritische Darbietung zur aktuellen (Wirtschafts-)Politik darbot, schien vielen Gästen das Lachen im Hals stecken zu bleiben.
Natürlich nahmen die Werbepausen unter dem Strich auch viel Zeit in Anspruch: Nach vier Stunden Programm kam eine gefühlte Stunde Werbung zusammen. Damit lässt sich dass Werbespotverhalten der Dacho leicht mit RTL und Co. vergleichen, die ja bekanntermaßen großen Wert darauf legen, dass der Zuschauer genug Zeit bekommt, um die Toiletten aufzusuchen.
Karneval und Fasching also lieber regional
Die Dacho bietet also eher eine gute Möglichkeit für Firmen und Politiker, um sich mal wieder erwähnen zu lassen. Die Kostüme und das Schunkel scheinen da eher nebensächlich zu sein. Die Prominez amüsiert sich eben jahreszeitengerecht und passt sich den örtlichen Gepflogenheiten an. Doch wirkliche Faschingsfreude will nicht so recht aufkommen. Es handelt sicvh eher um eine Fröhlichkeit nach Drehbuch.
Wer also eine typische Prunksitzung mit regionalem Einschlag erleben will, sollte lieber die Veranstaltung der Vereine direkt besuchen. Hier beteiligen sich dann wirklich nur ansässige Karnevalsbegeisterte, die mit dem nötigen persönlichen Elan und dem regionalen Bezug bei der Sache sind. Natürlich sind diese nicht so professionell wie bei der Dacho. Und natürlich sind die Kostüme auch meist nicht so hochwertig von Schneidern hergestellt. Auch das Bühnenbild und die Lichttechnik haben meist einen hobbymäßigen Anstrich. Und meist findet sich auch keine deutsche Meisterin im Gardetanz unter den Darstellern. Doch wer braucht das schon? Denn die örtlichen Vereine bieten etwas viel Wichtigeres:Karneval in seiner Urform und nicht als verkleidete Werbeaktion.
Bildquelle:
Nadine Seeger
(Ist eine Universität für Hunde ein Witz?)
CDS Medien SAAR
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