Ruinen der Stadt Teotihuacán in Mexiko (Bild: mike_ramirez_mx / Pixabay)

Schmetterlinge galten als die Seelen von Toten

Die Gesellschaft von Teotihuacán war hierarchisch strukturiert. Die Elite wohnte in komfortablen Häusern, während die Händler, Handwerker und Arbeiter in Wohnblocks innerhalb ethnischer Viertel lebten, die für die jeweiligen Stämme angelegt worden waren. Die Kunsthandwerker produzierten Unmengen an Schmuck, Tonwaren, Federarbeiten und kunstvoll gefertigten Gebrauchsgegenständen. Die Straßen und Plätze der Stadt bestanden aus Zement. Darunter verliefen Wasserleitungen.

Die künstliche Bewässerung der Felder stellte die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sicher. Die Bedeutung des Wassers lässt sich auch an der Verehrung des Regengottes Tlaloc ersehen. Mit Quetzalcoatl, dem Gott des Lebens, gehörte er zu den wichtigsten Gottheiten. Religiöse Führer herrschten als Zeremonienmeister und Vermittler zwischen Menschen und Göttern. In Teotihuacán gab es Fresken, die Verstorbene am Aufenthaltsort des Regengottes zeigten. Fröhliche Lieder stiegen in Form von Sprechblasen aus ihren Mündern, während sie zwischen Schmetterlingen tanzten. Schmetterlinge galten als die Seelen von Toten, die ihren Verwandten im Diesseits einen Besuch abstatteten.

Nach tausend Jahren begann der Niedergang der Stadt

Die Bewohner von Teotihuacán benutzten Kalender, anhand derer die Zeit in Zyklen von zweiundfünfzig Jahren eingeteilt wurde. Am Ende eines jeden Zyklus löschte man sämtliche Feuer und entzündete neue. Tempel wurden vergrößert oder neu gebaut. Man feierte die Wiedergeburt der Welt. Durch Handelsbeziehungen, Bündnisse und manchmal auch durch militärische Eroberungszüge dehnte Teotihuacán seinen Einfluss und viele Bereiche seiner Kultur auf einen Großteil Mittelamerikas aus. Im Laufe der Zeit gelangten Produkte, Fähigkeiten und Ideen durch Händler und andere Reisende nach Norden in die mexikanische Hochebene. Wahrscheinlich drang dieses Wissen sogar bis in den Süden der heutigen USA vor. Allerdings ging die Ausbreitung nicht immer friedlich voran.

Einige Völker unterwarfen sich der Macht Teotihuacáns erst nach Drohungen oder durch Einsatz von Gewalt. Viel ist über diese Eroberungsfeldzüge nicht bekannt. Nach beinahe tausend Jahren begann der Niedergang der Stadt. Möglicherweise führten die intensive Nutzung und die Rodung des umgebenden Landes zu Wirtschftskrisen und der Erkenntnis, dass das Land und die natürlichen Ressourcen die immer stärker wachsende Bevölkerung nicht mehr ernähren konnten. Irgendwann im 7. oder 8. Jahrhundert wurde Teotihuacán zerstört. Entweder von Rebellen innerhalb der Stadt oder von Feinden von außen.

Um das Jahr 900 lag der Ursprung Teotihuacáns bereits im Dunkeln. Die Stadt war menschenleer. Die Bewohner hatten zwar Bauwerke hinterlassen, aber weder schriftliche Aufzeichnungen noch Kunstwerke, die Aufschluss darüber hätten geben können, wer diese Stadt einst erschaffen hatte. Als die Azteken kamen, stellten die riesigen Pyramiden sie vor ein Rätsel. Deshalb nannten sie die Stadt ehrfürchtig "den Ort, wo die Menschen zu Göttern wurden".

BerndT, am 15.11.2022
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Bildquelle:
jeffmgrandy / Flickr (Cahokia - Die größte Stadt im frühen Amerika)
Tauralbus /Flickr (Das Volk der Olmeken)

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