Der Olympic-Unfall

Violet Jessop, geboren in Argentinien, entstammte einer irischen Auswandererfamilie, die nach dem Tod des Vaters nach Großbritannien zurückgekehrt war. 1910 heuerte die junge Frau bei der Londoner Reederei White Star Line als Stewardess an und trat damit in die Fußstapfen ihrer Mutter. Am 20. September 1911 tat sie ihren Dienst auf der noch jungen "Olympic", als dem Schiff im Ärmelkanal seine pure Gigantomanie zum Verhängnis wurde. Spätere Untersuchungen ließen vermuten, dass der riesige Sog der Olympic für den Unfall verantwortlich war. Demnach wurde dadurch das britische Kriegsschiff "HMS Hawke" regelrecht in die Seite der "Olympic" hineingezogen. Die Kollision richtete an dem Luxusdampfer erheblichen Schaden an. Die Gefahr des Untergangs war recht real. Mit Mühe und Not gelang es der Mannschaft allerdings, die "Olympic" in den Hafen von Southampton zu manövrieren. Violet Jessop konnte nicht wissen, dass sich dieses Erlebnis beinahe harmlos ausnehmen sollte, im Vergleich zu dem, was ihr noch bevorstand.

Titanic: Legendäre Katastrophe der Seefahrt

Vielleicht hätte es für Violet Jessop ein Wink des Schicksals sein müssen. Die Titanic unterstand dem gleichen Mann, der auch bei der Kollision der Olympic zugange war: Kapitän E. J. Smith, für den die Jungfernfahrt der Titanic eigentlich die letzte Aufgabe vor der Pensionierung war. Dennoch trat die junge Frau am 10. April 1912 auf dem Luxusliner ihren Dienst an. Die Stewardess war eine von nur 23 Frauen der Schiffsmannschaft. Vier Tage später, kurz vor Mitternacht, wurde Violet Jessop zum zweiten Mal mit einer lebensbedrohlichen Schiffskatastrophe konfrontiert. Auf der nach einer Kollision mit einem Eisberg schwer beschädigten Titanic laufen die Evakuierungsmaßnahmen an. Als Besatzungsmitglied hatte die junge Frau zunächst keinen Anspruch auf einen Platz in den Rettungsbooten. Doch ein Vorgesetzter befiehlt ihr, den Passagieren das Besteigen der Rettungsboote zu erklären. Im allgemeinen Chaos drückt zudem jemand der jungen Frau ein Baby in die Arme. Auf diese Weise entflieht Violet Jessop in Rettungsboot Nr. 16 dem Untergang.

Das Ende der Britannic

Das dritte Schwesterschiff der Olympic-Baureihe, die Britannic wurde zuletzt fertiggestellt. In ihre Konstruktion sollten wohl die technischen Erfahrungen aus den anderen beiden Schiffen einfließen. Entsprechend soll die Britannic das stabilste, sicherste und größte Produkt der Baureihe gewesen sein. Allerdings hatte die spätere Bauzeit auch einen Nachteil, der letztendlich zum Untergang der Britannic beitrug: Das Schiff wurde nie zur Passagierbeförderung eingesetzt, da mittlerweile der Erste Weltkrieg tobte. Stattdessen diente die Britannic als Lazarettschiff. Violet Jessop arbeitete hier als Krankenschwester.

Am Morgen des 21. November 1916 brach auf der Britannic das Chaos aus. Das Schiff war in der Ägäis auf eine Seemine gefahren und begann zu sinken. In der allgemeinen Panik soll Violet Jessop erstaunlich ruhig geblieben sein und sich vor Verlassen des Schiffs sogar noch eine Zahnbürste eingesteckt haben. Nun gut, Erfahrung mit Schiffskatastrophen hatte die junge Frau immerhin. Sie ahnte allerdings nicht, dass sie diesmal nur sehr knapp dem Tode entrinnen sollte.

Die weiterhin rotierenden Schiffsschrauben der Britannic erzeugten einen enormen Sog und zerhackten alles, was in ihre Reichweite kam, auch Menschen. Violet Jessops Rettungsboot geriet ebenfalls in diesen Strudel. Die junge Frau sprang aus dem Boot, tauchte tief hinab und kollidierte beim Auftauchen mehrmals hart mit dem Kiel eines Rettungsbootes. Aber sie hatte wiederum überlebt. Außer einer Wunde am Bein schien Violet Jessop unverletzt. Erst Jahre später diagnostizierte man bei ihr eine mittlerweile verheilte Schädelfraktur, die sie sich offenbar beim Auftauchen zugezogen hatte.

Violet Jessop: Der Seefahrt treu geblieben

Bereits nach einem dieser Erlebnisse hätten wohl viele Menschen der Seefahrt den Rücken gekehrt. Violet Jessop jedoch ließ sich nicht abschrecken. Sie arbeitete insgesamt rund 42 Jahre als Stewardess bei verschiedenen Reedereien und ging erst 1950 in den Ruhestand. Damit überlebte sie alle drei Katastrophenschiffe bei weitem (Die nicht gesunkene Olympic wurde in den 1930er Jahren abgewrackt.). Die Frau jedoch, die nicht ertrinken konnte, starb am 5.Mai 1971 an Herzversagen.

 

 

Quellenauswahl:

Wie geschah es wirklich, Verlag Das Beste, Stuttgart, 2000

Brockhaus Wissenswelten

Wiener Zeitung

Englischsprachige Website zur Olympic

Englischsprachige Website zur Britannic

Donky, am 06.02.2020
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