Die deutschen Seebäder entstehen

Speziell in Deutschland wird der Titel eines Seebades oder Seeheilbades durch die zuständigen Bundesländer verliehen, wenn bestimmte Voraussetzungen dauerhaft erfüllt werden. Dieses Prädikat erhalten Ortschaften mit Seeklima, die einen Kurbetrieb und medizinische Einrichtungen zur Durchführung von Kurmaßnahmen unterhalten. Ein Seeheilbad hat noch weitere Mindestbedingungen einzuhalten.

Damit kam in den besseren Kreisen ein Aufenthalt am Meer und das Baden im Meer in Mode, wenn auch anfangs nur von einem hölzernen Badekarren aus. Denn die Badekultur eine Seebades hatte meist eine medizinische Komponente und war strengen Regeln zur Einhaltung der Sittlichkeit unterworfen.

Die Sittlichkeit musste gewahrt werden

Zu Anfang übertrug man aus englischen Seebädern die Ideen von Strand-Einrichtungen an die deutsche Nord- und Ostseeküste. Das waren die Badekarren – Badehütten auf Rädern – oder einfache Sitzlauben und Badehütten aus Holz, Stroh oder Lehmfachwerk. Sie wurden später mit dem Aufkommen des Tourismus für jedermann durch Strandzelte, einfache Bänke oder Strandstühle ergänzt. Mit dem Wachsen des Tourismus entstanden notwendige neue Promenaden in den Orten.

Bevor der erste Strandkorb entstand, gehörte der Strand dem wohlhabenden Bürgertum, das die vorhandenen Einrichtungen in geschlossener, hochgeknöpfter Kleidung zum Schutz vor der Sonne nutzte. Ein Umziehen oder gar Sonnenbaden war ein Verstoss gegen den herrschenden strengen Sittenkodex; auch galt braune Haut als ausgewiesenes Merkmal der Klassen unterhalb des wohlhabenden Bürgertums. Ein Bad im Meer war höchstens abseits des Strandlebens und scharf getrennt nach Geschlechtern sittsam.

Grund für Veränderungen im Strandaufenthalt war die Gewährung von Erholungsurlaub, die es den Arbeiter erlaubte, einen Teil des Urlaubs und der Ferien der Kinder am Meer zu verbringen. Plötzlich wurde es schicklich, sich in leichter Kleidung im Strandkorb zu sonnen und von dort aus in modischer rot-weiß oder blau-weiß geringelter Badebekleidung baden zu gehen.

Die Erfindung des Strandkorbs

In der Literatur und der Malerei war schon seit zwei Jahrhunderten von geflochtenen Weidensesseln mit hochgezogenem Rückenteil und "überdeckten Stühlen" berichtet worden. Ihre Nutzung außerhalb des Hauses war jedoch völlig unüblich.

Im Frühjahr 1882 wandte sich die an starkem Rheuma leidende ältere Dame Elfriede von Maltzahn an den Rostocker Hofkorbmachermeister Wilhelm Bartelmann, weil sie sich für den kommenden Sommer eine schutzbietende Sitzgelegenheit für den Strand wünschte, um trotz ihrer Krankheit einen Aufenthalt in Warnemünde genießen zu können. Bartelmann erfand und schuf für sie einen mit grauen Markisenstoff überspannten Einsitzer aus Weiden- und Rohrgeflecht, den er Strandstuhl nannte.

Die Erfindung weckte das Interesse von Neidern. Folgebestellungen häuften sich. Binnen kurzem entwickelte Bartelmann Folgeprodukte als Einsitzer und Zweisitzer mit Markisen, Fußstützen und Seitentischen. Dieser immer weiter entwickelte Prototyp fand binnen weniger Jahre an Nord- und Ostsee starke Verbreitung.

Das erfolgreiche Marketing übernahm seine Frau Elisabeth

Seinen handwerklichen Fähigkeiten verschuf allerdings seine Frau Elisabeth zum Durchbruch, denn sie hatte erkannt, dass ein Strandstuhl kein Verkaufsschlager ist. Bereits im Sommer 1883 bot Elisabeth Bartelmann nahe am Warnemünder Leuchtturm Strandkörbe zur Vermietung an. Das Geschäft florierte bestens. Bis zur Jahrhundertwende hatte sie ihre Geschäftsidee auf weitere sechs Ostseebäder ausgeweitet, nämlich Graal, Müritz, Dierhagen, Rerik, Kühlungsborn-Arendsee und Brunshaupten.

Bald gingen von anderen potentiellen Strandkorbvermietern Bestellungen ein. In Warnemünde zählte man schon 1892 rund einhundert Körbe, um 1900 stieg die Zahl auf 550, die drei Vermietern gehörten. Im Jahr 1935 vermieteten 16 Anbieter vor Ort etwa 3000 dieser Logenplätze; 7500 Strandkörbe standen zwischen Boltenhagen und Dierhagen insgesamt.

Allerdings wurde die Familie Bartelmann durch ihre Erfindung nicht reich, denn sie vergaß, für ihren Strandkorb ein Patent anzumelden.

Strandkörbe heute

2012 gab es in Warnemünde zehn Strandkorbvermietungen mit einem Angebot von 1200 Körben. Diese Körbe haben sich im Vergleich zu Bartelmanns verfeinertem Prototyp kaum verändert.

Strandkörbe sind auch heute ungefähr 160 Zentimeter hoch, 120 Zentimeter breit, 70 bis 80 Kilogramm schwer und bestehen aus vier Grundelementen. Ihre Herstellung dauert zwischen acht und zehn Stunden. An der Nordsee herrscht die eckige Form von Strandkörben vor, an der Ostsee die etwas rundere Variante.

Für Deutschlands Feriengebiete an Nord- und Ostsee sind Strandkörbe ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Die Vermietung der über 100.000 Strandkörbe ist eine feste Einnahmequelle im Saisongeschäft der Strandkorbvermieter und der Kurorte.

Außerdem werden mehrere tausend verschiedenartige Strandkörbe jährlich produziert und verkauft. Die Kunden dafür finden sich nicht allein an den Küsten, sondern zu einem immer mehr wachsenden Anteil im Binnenland, wo sie seit inzwischen vier Jahrzehnten zur Möblierung von Terrassen und Gärten zunehmend in Mode gekommen sind. Ein Strandkorb bietet den ganzen Sommer über in jedem Garten, auf jeder Terrasse und jedem Balkon maritimes Flair, verbunden mit den schönsten Urlaubserinnerungen.

 

Der Schlafstrandkorb

Natürlich gibt es auch heute erfolgreiche Weiterentwicklungen, zum Beispiel den Schlafstrandkorb. So wird seit der Sommersaison 2016 wird in verschiedenen Orten an Nord- und Ostsee ein Schlafstrandkorb angeboten, der sich für Übernachtungen am Strand eignet. Er ist 1,30 Meter breit und 2,40 Meter lang und bietet zwei Erwachsenen Platz. Die wetterfeste Persenning mit Fenstern kann komplett geschlossen werden und ermöglicht bei Wind und Regentropfen geschütztes Übernachten am Strand.

Der G8-Gipfel-Strandkorb

Unvergessen sind die Bilder vom Achter-Strandkorb anlässlich des G8-Gipfels 2007 der führenden Industrienationen und Russlands in Heiligendamm. Zum Gipfel im eigenen Land hatte die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern die Idee, für das Abschlussfoto aller teilnehmenden politischen Persönlichkeiten einen eigens für diesen Zweck hergestellten Strandkorb für acht Personen bauen zu lassen. Der Strandkorb war zwei Meter hoch und sechs Meter lang.

An Material benötigte die Herstellerfirma zwei Kilometer Flechtband, einen Kubikmeter Holz und 35 Quadratmeter blau-weißes Tuch. Er wurde anschließend an wechselnden Standorten in Deutschland zu einem kleinen Publikumsmagnet. Ende 2007 wurde er zu Gunsten der Aktion "Ein Herz für Kinder" für eine Million Euro an eine Vermögensberatungsfirma versteigert und steht seitdem für weitere Spendensammlungen zur Verfügung.

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