Bachs Passacaglia: Meisterhafte Orgelmusik in der Tradition

Bach komponierte seine Passacaglia vermutlich zwischen den Jahren 1706 und 1713. Während dieser Zeit war er als Hoforganist und Kammermusiker in Weimar tätig. Neben der Passacaglia entstanden in Weimar viele Kompositionen für die Orgel, unter anderem die Toccata und Fuge in d-Moll, eines der populärsten Werke Bachs. Aktuell gibt es allerdings Diskussionen darüber, ob dieses Werk wirklich aus Bachs Feder stammt. Es bleibt jedoch unbeantwortet, wer sonst der Urheber sein könnte. Ich denke vielmehr, dass die Toccata und Fuge auf einem anderen Weg entstand. Es ist belegt, dass Bach während seiner Zeit in Weimar viele Reisen unternahm. Oft war der Anlass dieser Reisen, Orgeln zu prüfen. Reisen war damals, wie auch heute, sehr zeitaufwendig. Ein charakteristisches Merkmal Bachs war seine effiziente Arbeitsweise. Dies zeigt sich besonders darin, dass er viele seiner Werke mehrfach verwendete. So ist beispielsweise die Sinfonia der Kantate "Wir müssen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen" eine Adaption des ersten Satzes des Cembalokonzertes BWV 1052. Um weniger Zeit auf Reisen zu verbringen, komponierte Bach die Toccata und Fuge als ein Werk, mit dem man eine Orgel prüfen konnte, ohne dass er selbst vor Ort sein musste. Diese Theorie würde auch die Popularität dieses Werkes erklären und vor allem die Verfasserschaft bei Bach belassen.

 

Bevor wir uns wieder Bachs Passacaglia zuwenden, halte ich es für sinnvoll, Ihnen einen Überblick über Bachs Zeit in Weimar zu geben. Gerade in dieser Phase entwickelte Bach seinen ureigenen Kompositionsstil. Er studierte Werke von Johann Pachelbel und Dietrich Buxtehude, den er in Lübeck persönlich kennengelernt hatte. Zudem hatte Bach in Weimar Zugang zu einer umfangreichen Musiksammlung, die ihm den Zugang zu den Werken damals namhafter französischer Komponisten wie Jean-Baptiste Lully und André Raison ermöglichte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bach neben seiner Tätigkeit als Hoforganist in Weimar die Freiheit hatte, Reisen zu unternehmen, die Werke seiner Zeitgenossen zu studieren, von ihnen zu lernen und sich selbst auszuprobieren. Im Rahmen dieses Studiums und Ausprobierens muss Bach mit der musikalischen Form der Passacaglia in Kontakt gekommen und inspiriert worden sein, ein eigenes Werk dieser Gattung zu schreiben.

 

Wir können davon ausgehen, dass Bach seine Passacaglia in erster Linie für sich selbst schrieb. Bach war sich seiner Stärken stets bewusst. Er wusste, dass er einer der besten Organisten seiner Zeit war, und scheute sich nicht, dies auch anderen zu beweisen. Dieses Verhalten gehörte zu Bachs Charakter und wurde ihm später während seiner Zeit in Leipzig als Arroganz ausgelegt.

 

Bach beginnt seine Passacaglia mit dem typischen Bassthema, das acht Takte umfasst. Dieses Thema bleibt die Grundlage für die folgenden 20 Variationen. Am Anfang ist das noch offensichtlich, doch im Laufe der Zeit werden die Variationen immer komplexer, sodass man das ursprüngliche Bassthema fast aus den Augen – oder hier besser aus den Ohren – verliert. Es bleibt jedoch immer gegenwärtig.

 

Ich möchte nicht zu viel in Bachs Musik hineininterpretieren, aber dennoch einen meines Erachtens wichtigen Gedankengang äußern. Auf der einen Seite schätzte Bach die strikten musikalischen Strukturen, und es ist meisterhaft, wie er sich darin bewegt. Auf der anderen Seite wissen wir, dass Bach überzeugter Lutheraner war, und so sehe ich in diesem immer gegenwärtigen Bassthema auch einen geistlichen Aspekt, der für unser praktisches Leben hilfreich sein kann. Genauso wie dieses Thema ist nämlich auch Gott immer gegenwärtig. Auch wenn viele Dinge in unserem Leben sehr komplex sind, können wir uns auf eine bleibende Konstante verlassen, die uns Sicherheit und Trost bietet.

 

Aber Bach wäre nicht Bach, wenn er nur die damals so beliebte Musikform der Passacaglia um ein weiteres Werk erweitert hätte. Aus diesem Grund ließ er seiner Passacaglia eine Fuge folgen. Im Laufe seines Lebens wurde die Fuge immer mehr zu Bachs ureigenem Markenzeichen. Eines seiner bekanntesten Werke, "Das wohltemperierte Klavier", dessen erster Teil übrigens ebenfalls in Weimar entstand, besteht aus 24 Präludien – Vorspielen – auf die immer eine Fuge folgt. Eine Fuge ist eine sehr komplexe musikalische Form. In der Regel beginnt sie mit einem Thema, auf das eine Antwort folgt. Während diese erklingt, beginnt die erste Stimme, das Thema zu wiederholen oder ein neues Thema einzuführen. Die dritte und wichtigste Komponente einer Fuge bildet der sogenannte Kontrapunkt, der das harmonische Grundgerüst darstellt, das alles zusammenhält. Im Rahmen dieser Fuge entwickelt Bach das bekannte Bassthema weiter. Auf diese Weise entsteht ein einzigartiger Wechsel zwischen Bassthema, Variationen und einer mehrstimmigen Fuge. Dieser einzigartige Wechsel macht Bachs Passacaglia unverwechselbar. Der Hörer, damals wie heute, kann nur staunen über die Vielfalt der einzelnen Stimmen. Wo will Bach mit seiner Musik hin? Worauf will er hinaus? Das sind die Fragen, die ich mir beim Hören dieses Werkes immer wieder stelle. Doch die Antwort kenne ich bereits. Kurz vor dem Ende des Werkes erklingt ein dissonanter Akkord, ein kurzes Schweigen – was war das? Stammt dieser Akkord wirklich von Bach? Ist man versucht zu fragen. Doch dann folgen die letzten Takte, die alles auf den Schlusspunkt treiben.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bachs Passacaglia und Fuge in c-Moll in erster Linie ein Werk ist, mit dem Bach seine Meisterschaft als Organist und Komponist seinen Zeitgenossen vor Augen führen wollte. Zudem verarbeitete er in diesem Werk viele Einflüsse anderer Meister seiner Zeit. Ob dieses Werk auch eine geistliche Aussage beinhaltet, lässt sich nur vermuten, aber nicht endgültig belegen.

 

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