Die Organisations-Defizit-Störung
Das Sammeln von Gegenständen kann ein Versuch sein, die eigene innere Leere auszufüllen und der Einsamkeit zu entkommen.Definition von Personen mit einer Organisations-Defizit-Störung
Bezeichnet mit "Messie" werden Menschen, die keine Ordnung halten können und eine krankhafte Sammelwut haben, deren Folge eine mit Müll vollgestopfte Wohnung ist. Wer eine Organisations-Defizit-Störung hat, leidet unter dem Unvermögen, eine zeitliche oder räumliche Ordnung im privaten Leben aufrechterhalten zu können, das Chaos ist vorherrschend. In Deutschland sind schätzungsweise bereits 1,8 Millionen Menschen davon betroffen, die Mehrzahl in der Altersgruppe zwischen 40-50 Jahre. Gesammelt wird zwanghaft alles Mögliche, auch Nutzloses, es kann nicht mehr unterschieden werden zwischen brauchbaren und unbrauchbaren Objekten. Neue Gegenstände werden mitgebracht und das gleiche zwanghafte Verhalten verhindert, alte Gegenstände wegzuwerfen. Etwas davon wegzugeben, verursacht ein Gefühl der Verzweiflung. Ist das der Fall, wird das Ansammeln von Gegenständen den Zwangserkrankungen zugerechnet mit gleicher Wertigkeit wie ein Waschzwang. Viele der Betroffenen haben allerdings keine Zwangsstörung, sondern weisen nur zwanghafte Elemente auf. Werden dagegen die Kriterien "Kontrollverlust" und "Abstinenzunfähigkeit" erfüllt, weist dies auf ein die Störung begleitendes Suchtverhalten hin.
Erklärungsversuche für die Entstehung der Organisations-Defizit-Störung
Die genauen Ursachen für die Krankheitsentstehung sind noch nicht bekannt und verschiedene Forschungsrichtungen liefern dafür verschiedene Erklärungsmodelle. Vermutlich handelt es sich aber um keine neue Krankheit. In Lebensformen der Vergangenheit - in einer Großfamilie und in beengten Wohnverhältnissen - war es nicht möglich, diese Neigung hemmungslos auszuleben. Heute dagegen leben viele Menschen allein und fühlen sich oft einsam.
Das Sammeln von Gegenständen ist ein Versuch, die eigene innere Leere auszufüllen. Es ist zu beobachten, dass oft andere Zwangserkrankungen wie Alkoholismus oder Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität zeitgleich auftreten. Möglicherweise sind genetische Faktoren involviert, das Messie-Syndrom tritt familiär gehäuft auf. In neurologischen Untersuchungen wurden Messies verglichen mit anderen Personen mit Zwangserkrankungen. Dabei stellte sich heraus, dass die Stoffwechselaktivität in verschiedenen Bereichen des limbischen Systems im Gehirn vermindert ist.
Persönlichkeitsmerkmale von "Messies"
Menschen mit ausgeprägtem Sammelzwang weisen eine verminderte Entscheidungsfähigkeit selbst bei alltäglichen Kleinigkeiten auf, haben Gedächtnisprobleme und verminderte Hautleitwerte. Sie sind sehr sensibel und nachdenklich und oft einsam und depressiv. Meistens äußerlich unauffällig, kennzeichnet Betroffene ein Gefühl des Versagens; sie haben Minderwertigkeitsgefühle, weil sie die Ordnungsaufgabe nicht erfüllen können und geraten dadurch leicht in soziale Isolation. Messies fühlen sich den Geschehnissen gegenüber hilflos ausgeliefert und verhalten sich eher passiv. Sie sind nicht diejenigen, die aktiv und selbstbestimmt ihr Leben gestalten. Weitere Situationen oder Personen, die erlebt werden als etwas oder jemand, der etwas einfordert, werden aus Selbstschutz abgelehnt. Eine oft beobachtete Feindseligkeit kann die Folge sein. Viele Betroffenen sind eher perfektionistisch und im Berufsleben überkorrekt. Dieser überzogene Perfektionismus führt leicht in die Gedankenfalle "man brauche gar nicht anzufangen etwas aufzuräumen, denn man schafft sowieso nicht alles auf einmal". Die Störung bezieht sich fast immer auf das Privatleben und die eigene Wohnung. Die eigene Situation wird als hoffnungslos erlebt, die Gedanken kreisen um die Bewältigung von einfachsten alltäglichen Arbeiten.
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Mögliche Krankheitsauslöser
Eine nicht erkannte und nicht behandelte Schizophrenie kann ausschlaggebend sein für die Entstehung der Störung, ebenso wie eine Borderline-Persönlichkeit oder eine Altersdemenz. Möglicherweise ist auch eine Störung der Übertragung von Neurotransmittern dafür verantwortlich, die zu einer chronischen Übererregung im Nervensystem führt, dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, kurz ADHS. Wird dies im Kindesalter nicht erkannt und behandelt, kann dies Auswirkungen haben im Erwachsenenalter und die Ausprägung eines Messie-Syndroms begünstigen. Neurobiologen sehen Vorgänge im Gehirn als ausschlaggebend an.
Erfolgreiches Sammeln schüttet ebenso die Erfolgshormone Dopamin und Endorphine aus, wie andere Erfolgserlebnisse beim Sport oder ein Lob im zwischenmenschlichen Bereich. Aus psychologischer Sicht kommen frühkindliche Belastungen als Auslösefaktoren in Frage. Verlust- und Existenzängste in der frühen Kindheit führen zu einem mangelhaften Urvertrauen und einem geringen Selbstwertgefühl. Fehlt die Grundlage, sich auf andere Personen verlassen zu können, kann es zu einer Verschiebung kommen: das Sammeln von dauerhaften Dingen gewährt eine andere Art von Selbstsicherheit. Gegenwärtige Auslöser können Überforderungssituationen sein, die auf innerlich bereits verunsicherte Personen treffen und kritische Lebensereignisse, wie Hochzeit, Todesfall oder Scheidung.
Behandlungsmöglichkeiten der Organisations-Defizit-Störung
Kann eine Therapie durchgeführt werden, sind die Chancen groß, das Problem in den Griff zu bekommen. Eine Schwierigkeit besteht in der Einwilligung, eine Therapie mitmachen zu wollen, denn die innere Bereitschaft ist unabdingbar. Viele Betroffene schämen sich für ihr Verhalten und wollen alles tun, um ihre Störung nach außen hin nicht bekannt werden zu lassen. Hier haben die Hausärzte gute Ansatzmöglichkeiten, sie kennen die Patienten, diese vertrauen ihnen womöglich und den Hausärzten kann eine Störung auffallen.
Ein Therapiekonzept ist eine Kombination aus Psychotherapie - Gesprächs- und Verhaltenstherapie - und der Einnahme von Psychopharmaka, beispielsweise von Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern. Auch eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie kann helfen. Erst wenn das Selbstvertrauen wieder gestärkt ist, können Messies anfangen, ihr Chaosproblem zu beseitigen. Ein anderer Behandlungsansatz ist das Coaching. Ein persönlicher Berater steht den Betroffenen in deren Wohnung bei, erstellt mit ihnen zusammen Arbeitspläne, arbeitet Lösungsvorschläge aus für eine Entmüllung der Wohnung, unterstützt bei deren Durchführung, greift aber nicht aktiv ein und wirft nicht selbst Sachen weg. Der zu Beratende fühlt sich auf diese Weise weniger unter Druck gesetzt und bedroht. Diese Aufgabe kann auch ein guter Freund übernehmen, der gut zuhören kann, ohne zu bewerten. Der Besuch von Selbsthilfegruppen (die "Anonymen Messies") ist ebenfalls hilfreich, denn Menschen, die in der gleichen Situation sind, können sich besser nachvollziehen.
Bildquelle:
Lucy M. Laube
(Die generalisierte Angststörung)