Als schwuler Priester seine Sexualität ausleben - Versteckspiel vor der Kirche

Nach den Geschehnissen in der US-amerikanischen Diözese Boston und der österreichischen Diözese St. Pölten in den Jahren 2002 und 2004 hat die katholische Kirche im Jahre 2005 ein Schreiben veröffentlicht, das sich mit den Kriterien und Voraussetzungen der Zulassung von Männern zum priesterlichen Dienst befasst. Diese "Instruktion über Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesterseminar und zu den Heiligen Weihen" (29. 11. 2005) hat für viel Aufregung und vor allem Angst unter denen gesorgt, die sich auf die Diakonen- und Priesterweihe vorbereiten. Auch die von vielen deutschen Diözesen eingeführten psychologischen Untersuchungen vor dem Eintritt in ein Priesterseminar haben zu großer Sorge und noch größerer Heimlichtuerei bei Amtsanwärtern geführt.

Die Zahl der homosexuellen Priester ist groß

Seriösen Schätzungen zufolge sind (je nach Jahrgang und Ort) zwischen 20 und 40 Prozent aller katholischen Priester "homosexuell". Das Unverständliche an dieser Situation ist, dass die katholische Kirche dies stillschweigend duldet, allerdings nur, solange die Betroffenen sich nicht outen und ihre Neigungen frei ausleben. Tun sie es doch, müssen sie um ihre berufliche Existenz fürchten. Dieser Gedanke schreckt viele ab, zu ihrer sexuellen Neigung zu stehen. Das ist verständlich, denn selbst als ausgebildeter Theologe mit Bestnoten sind die Chancen, einen beruflichen Wiedereinstieg außerhalb der Kirche zu schaffen, mehr als gering. Deshalb ist es nachvollziehbar, wenn viele ältere Priester ihre homosexuellen Neigungen entweder gänzlich unterdrücken oder lediglich im Verborgenen ausleben. Zu groß ist einfach die Angst, in fortgeschrittenem Alter plötzlich auf der Straße zu stehen, ohne jede Chance auf eine berufliche Zukunft. So sind es hauptsächlich junge Priester, die sich entschließen, dem Versteckspiel ein Ende zu bereiten und einen anderen Weg einzuschlagen.

Katholische Kirche in Belgien führt psychologische Tests ein

Damit Pädophile in der Kirche keinen Platz finden, will die Kirche in Belgien psychologische Tests für Priesteramtskandidaten einführen. Diese sollen zur Klärung der eigenen Sexualität beitragen, so der Erzbischof von Brüssel. Ein Hintergedanke bei der Einführung wird sicher auch sein, homosexuell veranlagte Interessenten gleich mit auszusortieren. Ob ein solcher Test sinnvoll ist und den gewünschten Erfolg bringt, mag dahingestellt bleiben.

Homosexuelle Priester werden von der Kirche einfach fallengelassen

Eine erschreckende Tatsache ist, dass Priester, die ihren Dienst entweder selbst aufgeben oder durch das Bekanntwerden ihrer homosexuellen Neigung zum Gehen gezwungen sind, von der Kirche einfach im Stich gelassen werden. Die gängige Regel in der katholischen Kirche ist es, dass ein Betroffener ab dem Augenblick des Ausscheidens aus dem priesterlichen Dienst noch drei Monate sein Gehalt weiter bezieht und danach völlig auf sich allein gestellt ist. Da muß die Frage gestattet sein, wie es für Priester weitergehen kann, die außer einem Theologie-Studium keine weitere Ausbildung genossen haben? Wovon sollen sie leben? Denn Arbeitslosengeld I steht ihnen nicht zu, weil sie bis zu ihrer Entlassung im Rang eines Beamten standen und keinerlei Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet haben. Zwar werden sie durch ihre Diözese rentenversicherungstechnisch nachversichert, müssen aber, wenn sie nicht sofort wieder ins Berufsleben eintreten können, den oft erniedrigenden Weg zum Arbeitsamt gehen und Hartz IV beantragen.

Leider zeigt sich in einer solchen, für den entlassenen Priester sehr schwierigen, Situation die gnadenlose Unbarmherzigkeit der katholischen Kirche, denn dem entlassenen Priester wird jede Chance auf Betätigung im seelsorgerlichen Bereich innerhalb der Institution Kirche verwehrt. Nur wenn er sein "sündhaftes" Leben aufgibt und reumütig zurückkehrt, darf er wieder als Seelsorger tätig werden.

Viele homosexuelle Priester praktizieren ein Doppelleben

Das Wissen um die Konsequenzen treibt viele Priester mit homosexueller Neigung in den "Untergrund". Tagsüber sind sie die beliebten und geachteten Seelsorger in ihrer Gemeinde, in ihrer wenigen Freizeit leben sie ihre Sehnsucht nach Nähe, Zärtlichkeit und Liebe entweder in versteckten Beziehungen aus oder holen sich an manchmal zwielichtigen Orten kurzzeitige Befriedigung ihrer tiefsten und natürlichen Bedürfnisse. Nicht wenige scheitern an solch einem Doppelleben und zerbrechen innerlich daran, dass sie nicht zu sich selbst stehen dürfen und sich vor der Kirche verstecken müssen. Leider gibt es nur wenige Institutionen, bei denen sie sich Hilfe holen können. Zwar existieren Gruppen schwuler Priester und die HuK (Homosexuelle und Kirche) versucht, ein Anlaufpunkt zu sein, aber letztlich ist der Betroffene doch allein. Denn jede Form des Outens kann das Ende der kirchlichen Karriere bedeuten.

Nur die Kirche selbst kann das Problem lösen

Wer helfen könnte, wäre einzig die Kirche selbst. Die Aufhebung der Zölibatsverpflichtung (die ohnehin reines Kirchengesetz und keine aus der Bibel zu begründende Verpflichtung darstellt) und die Orientierung an den humanwissenschaftlichen Erkenntnissen (nach denen Homosexualität weder krankhaft noch beeinflussbar oder therapierbar ist) wären erste Schritte. Dennoch verweigert die katholische Kirche sich der Öffnung und treibt auf diese Weise auch die nachrückenden Generationen homosexuell veranlagter Priester in eine unerträgliche, weil unnatürliche Situation, für die ein Coming-out unter solchen Voraussetzungen unmöglich bleibt. Denn seine ganzheitliche Persönlichkeit (und dazu zählt nun einmal auch die eigene Sexualität) und Sehnsüchte zu unterdrücken oder sie zumindest zu verstecken, kann für die Seele des Menschen nicht von Vorteil sein und wird sich stets negativ auf seine Lebensgestaltung auswirken.

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