Die Tour de France - Wer hat sie erfunden?
Alle Jahre wieder Tour de France und es stellt sich einmal mehr die Frage nach dem Sinn oder Unsinn eines solchen Radrennens. Ein Blick zurück auf die Anfänge.Tour de France - Wer hat's erfunden?
Aus einer Wette zweier Zeitungsmacher, dem Verleger von "L'Auto" Henri Desgrange und dem Verleger von "Le Vélo" ist dieses Rennen entstanden.
Desgrange wollte ein spektakuläreres Rad-Rennen als Le Vélo auf die Beine stellen. Sein Mitarbeiter, Journalist und erster Organisator Géo Lefevre lieferte dafür die Ideen.
Randbemerkung:
Es heißt auf französisch "Le Tour de France" und "La Tour Eiffel". Auf deutsch völlig konträr: "Die Tour de France" und "Der Eiffelturm". Jedem (Volk und Sprache) das Seine.
Henri Desgrange, Géo Lefevre und Maurice Garin - die Helden der ersten Tour der France
Am 20. November 1902 brütete besagter Lefevre die verrückte Idee aus, ein Rennen mit sechs Etappen quer durch Frankreich zu planen.
Juli 1903: Sechs Etappen, 2.428 Kilometer, bis zu vier Ruhetage zwischen den Etappen. Der erste Sieger Maurice Garin brauchte dafür 94 Stunden, 33 Minuten und 14 Sekunden. Sein Preisgeld: 6.075 Francs und viel, viel Ehre.
Die verlegerische Rechnung ging auf, denn der Journalist Lefevre lieferte die Berichte und die Auflage verdreifachte sich. Die Zeitung Le Velo musste 1904 eingestellt werden.
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Die Tour de France, die Mutter aller Radklassiker
Immer mehr, immer länger, immer spektakulärer – aber um welchen Preis? Die nüchternen Zahlen sprechen für sich: 3.497 km müssen gefahren werden. 2.115 m hoch ist das Dach der Tour, der Col du Tourmalet.
20 Etappen, mit 40 bis etwa 200 km Länge, zahllose Höhenmeter, die erst mal erklommen werden müssen, und als Sahnehäubchen gesamt 101,4 Zeitfahr-Kilometer; das müsste jedem Normalsterblichen nicht nur Respekt einflößen, sondern auch auf die einleuchtende Frage bringen: "Wie soll ein normaler Mensch diese Strapazen heil bewältigen?"
Warum erlaubt man den Fahrern nur zwei Ruhetage bei einem Renngeschehen von 20 Tagen? Muss man sich wirklich wundern, wenn zu unerlaubten Hilfsmitteln gegriffen wird? Denkt man im Radsport eigentlich auch an die Fahrer oder nur an das damit verbundene Geld, das in diesen Tagen umgesetzt wird?
L'Equipe, der Gewinner
An die 300.000 Exemplare von l'Equpe werden während der Tour verkauft, täglich. Das Nachfolgeblatt von L'Auto nascht kräftig am Gewinn aus diesem Riesenspektakel mit.
Ob Doping oder nicht, die Quote ist hoch, denn auch Dopingskandale lassen sich super vermarkten. 20 Millionen Euro soll die ASO, die Amaury Sport Organisation, die zum Medien-Imperium Philippe Amaury (L'Equipe, Le Parisien) gehört, als Gewinn lukrieren. Der Umsatz liegt bei geschätzten 140 Millionen.
Tour de France heißt auch Tour der Leiden, Tour der Katastrophen
Die Radfahrnationen Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, Holland und USA haben ihre Helden, aber auch ihre tragischen Gestalten des Radsports.
- Jacques Anquetil, Felice Gimondi, Eddy Merckx, Sean Kelly, Miguel Indurain, Bernhard Hinault, Marco Pantani, Laurent Jalabert, Lance Armstrong, Jan Ullrich oder Erich Zabel, sie waren schier unbezwingbar, Überhelden und doch gingen einige von ihnen in die Knie.
Beim Doping ertappt oder am Ruhm und dem schwarzen Loch danach gescheitert, wie der sympathische italienische Pirat Marco Pantani. Seit den Dopingskandalen der letzten Jahre haftet automatisch an jedem Sieger ein Fleck, der sich nicht aus den Gedanken wischen lässt.
Aber auch schwere Stürze brachten so manchen Fahrer um faire Chancen, vorne mitzumischen. 2012 war es besonders schlimm. "Einige Fahrer kauerten mit zerfetzten Trikots im Straßengraben, andere wurden hektisch in Krankenwagen geschoben. Zertrümmerte Carbonrahmen säumten den Weg, Mechaniker wuselten panisch durch das Chaos. Bei einem Tempo von 70 Kilometern pro Stunde hatte es das halbe Feld niedergerissen. Es war einer der schlimmsten Massenstürze der vergangenen Jahre, der die sechste Etappe der 99. Tour de France überschattete."
10 Fahrer mussten verletzt aufgeben.
Alle Jahre wieder - Sturzorgie 2015
Schlimme Bilder auf der 3. Tour-Etappe: Ein kleiner Fehler eines Fahrers verursacht einen Massensturz. Mehrere Profis müssen aufgeben, auch der Mann in Gelb. Das Rennen wird sogar kurzzeitig gestoppt.
Montagnachmittag bot die Tour de France auf der dritten Etappe durch Belgien um 15.58 Uhr Bilder, die niemand gern sieht, und die im Flachen doch jederzeit möglich sein können. 55 Kilometer vor dem Ziel in Huy touchierte der Franzose William Bonnet aus der Mannschaft FDJ in der Mitte der Straße offenbar das Hinterrad seines Vordermanns, flog auf den Asphalt und wurde so zu einem Hindernis, über das ein Profi nach dem anderen stürzte."
Fazit: Fabian Cancellara, Tom Dumolin, Simon Gerrans, Daryl Impey, Dimitry Kosontschuk müssen mit Knochenbrüchen w.o. geben. 3 Etappen später erwischt es auch den Mann im gelben Trikot, Tony Martin. Weitere werden bestimmt noch folgen; es ist, wie jedes Jahr, eine Tour der Leiden.
Radrennen (Bild: a.sansone)
Die Tour, die Radfahrer und Doping
Eine Hypothese: Würden die Bekämpfer des Dopings wirklich an der Wurzel ansetzen, dann müssten sie medizinische Richtlinien herausgeben, wie lange jeweils die Etappen maximal sein dürften, wie viele Ruhetage zum "ehrlichen" Regenerieren nötig wären, etc. Warum sie das nicht wirklich vehement fordern, darüber kann man nur spekulieren. Überspitzt formuliert: Wenn nicht mehr gedopt wird, weil es gesundheitlich ja nicht mehr nötig ist, dann wäre am Ende der Arbeitsplatz eines Dopingkontrolleurs bald überflüssig.
Aber, "The Show must go on", ohne übermenschliche Leistung ist ja zuwenig Anreiz für den Zuschauer; so lautet zumindest der Ansatz der Veranstalter.
Die Dopingfälle bei der Tour de France
"Ich habe nichts dagegen, wenn ein Fahrer sich vorübergehend künstlich stimuliert, wenn es anders nicht mehr geht", dieser Ausspruch wird Desgrange nachgesagt. Die Fahrer haben sich im Laufe der Jahre brav daran gehalten. Galt Alkohol zu Beginn noch als ganz normales Stimulanzmittel, so fuhren die Radfahrer bald härtere Kaliber auf, um die Tortur zu überstehen.
- 1911 musste erstmals ein Fahrer, Paul Duboc, nach Einnahme einer zweifelhaften Flüssigkeit mit Vergiftungserscheinungen aufgeben.
- 1955 kollabierte der Fahrer Jean Malléjac am Mont Venoux. Der Tour-Arzt konnte ihn noch wiederbeleben.
- Der Brite Tom Simpson allerdings überlebte seine Aufputschversuche, eine Mischung aus Alkohol und Amphetaminen, 1967 nicht; an diesem Anstieg zum Mont Venoux bezahlte er teuer dafür. Ein Mahnmal erinnert heute noch daran.
Lance Armstrong, Jan Ulrich & Co
Aus vielfachen Tour-Helden werden ernüchtert die Doping-Sünder der letzten Jahre. Nichts zugeben, bis es nicht hundertprozentig nachgewiesen werden kann. Vorbilder für junge Sportler demontieren sich selbst.
Die Gewinner und die Verlierer der Tour de France
Sieht man auf die nüchternen Fakten, dann sind die Gewinner leicht ausgemacht. Nein natürlich sind das nicht die Fahrer, nicht einmal die mehrmaligen Toursieger. Es sind die Unternehmen, die im Umkreis der Tour arbeiten, der Veranstalter, die übertragenden Medien, die Printmedien, die Werbeagenturen, die Sportartikel-Giganten.
Hier klingelt bei der Tour die Kasse
15 Millionen Menschen werden als Zuschauer an der Gesamtstrecke erwartet und die setzen gehörig Geld um in diesen Tagen. Es muss genächtigt, gegessen werden, getrunken, Fan-Artikel müssen gekauft werden; der Euro rollt. 20 Millionen Euro soll die ASO, die Amaury Sport Organisation, die zum Medien-Imperium Philippe Amaury (L'Equipe, Le Parisien) gehört., als Gewinn lukrieren. Der Umsatz liegt bei geschätzten 140 Millionen (kurier.at). 190 Länder haben sich die TV-Rechte gesichert, etwa 3,5 Milliarden Menschen sehen dem Spektakel zu. Hier fließt wiederum genügend Geld.
Das Preisgeld für den Toursieg sind 450.000 Euro, 200.000 erhält der Zweite, der Drittplatzierte erhält 100.000. Auch wenn Etappensieger und die weiteren Fahrer Preisgelder lukrieren, man kann gewiss sein, dass noch so Einiges im Körbchen übrig bleibt.
Die neuen Gladiatoren
Die Radfahrer sind nicht viel besser dran, als die einstigen Gladiatoren im alten Rom. Sie müssen zwar schuften, sich abstrampeln, auch für die medienträchtigen Skandale sorgen, aber wie sie dieses Mammutrennen gesundheitlich oder psychisch bewältigen, scheint den Veranstaltern im Grunde nebensächlich zu sein.
Kann dieser Radsport wirklich noch ehrlich sein?
Schon seit Jahren stelle ich mir die Frage, wie unmenschlich noch die Strapazen für Sportler sein dürfen, ehe die breite Masse einmal "Halt, Stopp!" schreit. Wie soll es denn wirklich mit rechten Dingen zugehen, wenn Regenerationszeiten, die auch für Spitzensportler gelten, sträflich missachtet werden?
Faire Sportzuseher müssten schon längst, um der jungen Sportler willen, ein Umdenken und Umplanen fordern und nicht nachher auf ihre gefallenen Helden auch noch Spott und Häme gießen. Fairness ja, aber auch für die Sportler.
(Bild: skeeze / Pixabay)
Warum Radsportler auf jeden Fall eine tolle Leistung erbringen
Bei allen Dopingvorwürfen wird unter den Tisch gekehrt, dass jeder dieser Sportler die abgespulten Kilometer wirklich gefahren ist.
Er hat, bei Wind und Wetter und nicht nur bei Sonnenschein dafür meist jahrelang hart trainiert, Wadenkrämpfe, Abszesse, Stürze, Hitze, Kälte oder Regen bewältigen müssen. Doping hin oder her; er ist jeden Kilometer der Tour gefahren und kein E-Bike, auch kein Arzt oder Guru hat ihm diese Leistung abgenommen.
Jeder junge Radsportler, der am Beginn einer möglichen Karriere steht, ergreift diesen Sportberuf nicht deswegen, weil er durch Doping mühelos Kohle scheffeln kann, sondern aus Freude an seinem Talent und seiner Leistung. Er möchte seine Gegner "by fair means" besiegen, aber nicht einem Dopingwächter die lange Nase drehen. Sehen Sie sich die jungen Radsportler an, die noch am Beginn des Weges stehen und das Leuchten in ihren Augen. Sie wollen kämpfen, sie wollen sich messen.
Die Gedanken sind frei - Ansätze für einen fairen Radsport
Fairness wird nicht nur unter den Sportlern selbst gefordert, Fairness muss man auch gegenüber den Radsportlern selber walten lassen. Nur wer die unmenschlichen Strapazen nicht anprangert, treibt sie weiterhin in den Dopingsumpf. Was der Dopingsünder begangen hat, ist Unfairness gegenüber den sauberen Kollegen; das ja. Aber nicht gegenüber dem Publikum.
Man mag es blauäugig heißen, aber wären die Radsportler einig genug, dann würden sie "menschenmögliche" Etappen und Streckenlängen fordern, und die schwarzen gedopten Schafe befänden sich schnell in der Minderheit. Die Radfahrer erhielten wieder die Anerkennung, die sie sich ehrlich verdient haben. Kaum ein anderer Ausdauersportler muss so hart für seine Leistung kämpfen, wie ein Radsportler. Das sollte man bei den ganzen Diskussionen nie aus den Augen verlieren.