Entenhausen zieht in den Krieg - Propaganda der unterhaltsamen Sorte

Donald Duck mit Hakenkreuzbinde, in einer Rüstungsfabrik Munition für die Nazis herstellend? Pluto als Armee-Maskottchen? Goofy, der als Matrose bei der Navy anheuert?

Kaum vorstellbar, dass diese Ideen tatsächlich in Zeichentrickform umgesetzt und öffentlich aufgeführt wurden. Allerdings entstanden diese Cartoons zu einer besonderen Zeit, als der Sieg über den verhassten Feind mit allen Mitteln erlangt werden musste. Freilich: Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete auch das Ende der Produktion von Propagandafilmen. Im Zuge der Normalisierung der Beziehungen zu den einstigen Feinden Deutschland und Japan fielen Donalds Hakenkreuz-Episoden der Zensur zum Opfer und verschwanden in den "Giftschränken" der Disney-Studios.

Doch Jahrzehnte später findet sich die einstige Propaganda auf Videoportalen wie "Youtube" wieder und kann entsprechend bestaunt werden. Denn weitaus besser als schnöde Geschichtsdaten zeichnen derlei Filme Zeitbilder und ermöglichen es nachfolgenden Generationen, die Ängste, aber auch Hoffnungen der Vorfahren zu verstehen.

Entenhausen zieht in den Krieg

The Fuehrer's Face: Hitler hat Tomaten auf den Augen!

Der wohl berühmteste Propagandafilm der USA überhaupt, feierte am 1. Januar 1943 seine Premiere.

 

"The Fuehrer's Face"

In "The Fuehrer's Face" befindet sich Donald Duck in seinem kleinen Häuschen in Nazi-Deutschland. Nach dem Aufstehen salutiert er pflichtgemäß den an der Wand hängenden Portraits von Adolf Hitler, Benito Mussolini und Kaiser Hirohito. Danach nimmt er sein Frühstück ein: Eine hauchdünne Scheibe steinharten Brotes sowie eine Tasse Wasser, in das er verbotenerweise eine Kaffeebohne hineintauchte. Seine Morgenlektüre besteht im Lesen von Hitlers "Mein Kampf".

Dem hastigen, unerquicklichen Frühstück folgt die lange, harte Arbeit in einer trostlos grauen Munitionsfabrik. Dort muss Donald Zünder in Granaten einbauen, wobei die wahre Herausforderung darin besteht, unvermittelt auftauchenden Hitler-Bildern mit einem standesgemäßen "Heil Hitler!" zu skandieren, ohne die Arbeit zu vernachlässigen. Die einzige Arbeitspause besteht in einem verpflichtenden Fitnessdrill, um den Körper zu stählen und noch effizienter dem Führer zu dienen. Schließlich führt der unablässige Druck und Stress dazu, dass Donald komplett überschnappt... und feststellt, lediglich geträumt zu haben!

In Wahrheit befindet er sich in seinem amerikanischen Zuhause. Überglücklich, als freier Mann statt als Arbeitssklave in Nazi-Deutschland leben zu dürfen, herzt und küsst er ein auf dem Schreibtisch stehendes Modell der Freiheitsstatue.

Seine letzten, erleichterten Worte lauten denn auch: "Oh boy! Am I glad to be a citizen of the United States of America!"

In der Schlussszene des Cartoons taucht eine Karikatur von Hitler auf, die eine faule Tomate abbekommt.

 

Humor als Waffe

Weshalb sich "The Fuehrer's Face" auch heute noch großer Beliebtheit erfreut ist einfach erklärt: Innerhalb von nur acht Minuten wird die ganze Widerwärtigkeit der Nazi-Diktator überspitzt, aber treffend auf den Punkt gebracht. Als schärfste Waffe erweist sich hierbei der eingesetzte Humor, der das menschenverachtende System und vor allem Hitler unnachahmlich pointiert auf die Schippe nimmt. Natürlich endet der Cartoon patriotisch, findet aber auch hierbei zu einer interessanten Bildersprache. Denn unmittelbar nach dem Erwachen wähnt sich Donald immer noch in Nazi-Deutschland, da ein bedrohlich scheinender Schatten an der Wand dem Führer ähnelt. Rasch stellt er jedoch fest, dass es sich um einen Irrtum handelt: Die Figur, die den Schatten warf, ist in Wahrheit die Freiheitsstatue.

 

Musikalischer Hit "The Fuehrer's Face"

Neben dem Cartoon selbst war es vor allem die Titelmusik, die dem Film zu ungeheurer Popularität verhalf. Das von "Spike Jones & his City Slickers" eingespielte Song "The Fuehrer's Face" verkaufte sich millionenfach und erwies sich als einer der Hits des Jahres. Für den Film gab es in der Kategorie "Bester animierter Kurzfilm" sogar den "Oscar".

"The New Spirit" und weitere Propagandafilme - Disney im Dienste der US-Regierung

Der Cartoon "Der Fuehrer's Face" war weder der erste, noch der letzte Propagandafilm, den die DIsney-Studios während des Zweiten Weltkriegs produzierten. Ob völlig freiwillig oder nicht, sei dahingestellt. Denn: Durch den Krieg brachen die wichtigen europäischen Filmmärkte weg, was mit den Auftragsarbeiten für die Regierung zumindest hinreichend kompensiert werden konnte. 

 

Patrioten zahlen ihre Steuern gerne: "The New Spirit"

Neben "Der Fuehrer's Face" zählt "The New Spirit" zu den bekanntesten Disney-Filmen dieser Ära. In Auftrag gegeben hatte ihn das Finanzministerium, um die Zahlungsmoral der Bürger zu heben. Premiere hatte der siebenminütige Kurzfilm am 23. Januar 1942.

Die simple Handlung: Via Radio vernimmt Donald, dass auch er seinem Land dienen könne. Und zwar durch das pünktliche und korrekte Zahlen seiner Einkommenssteuern. Der wenig begeisterte Enterich schleppt nun allerlei Bücher, Zirkeln, Lineale und Rechner heran, um die vermeintliche Herkulesarbeit zu erledigen. Doch der Radiosprecher beruhigt ihn: Das Ausfüllen eines simplen Formulars genüge um zu ermitteln, in welcher Höhe er Steuern bezahlen müsse. Die Arbeit erledigt sich praktisch von selbst, da der Kugelschreiber ein Eigenleben entwickelt. Rasch tütet Donald die Steuererklärung samt Scheck ein und gibt das Schreiben in seinem Übereifer persönlich in Washington ab, obwohl es mit der Post einfacher gegangen wäre.

Abschließend erklärt der Film, was mit dem Steuergeld nun geschehe. Es werde in neue Waffen investiert um Nazi-Deutschland und das kaiserliche Japan zu besiegen, was in Wagner'schem Pomp bebildert wird. Und möglich wurde dies nur, weil brave Bürger wie Donald ihre Steuern bezahlt hätten.

 

Angeblich wurden 1942 auch dank "The New Spirit" höhere Steuereinnahmen erzielt, weshalb ein Jahr später die Fortsetzung "The New Spirit of '43" in den US-Kinos anlief.

Auch wenn diesem Kurzfilm die Raffinesse von "Der Fuehrer's Face" weitgehend fehlt und die Botschaft - zahle Steuern, damit wir Waffen produzieren und den Feind besiegen können - allzu dick aufgetragen wird: Trotz der ernsthaften Thematik unterhält der Film und zeigt eindrucksvoll, weshalb sich gerade Zeichentrickfilme für die Vermittlung von Wissen oder Propaganda hervorragend eignen.


"Out of the Frying Pan into the Firing Line": Pluto leistet seinen Beitrag

Ebenfalls 1942 erschien der Cartoon "Out of the Frying Pan into the Firing Line". Darin werden Pluto und Minnie Maus ebenfalls von einem Radiosprecher angehalten, das beim Kochen abfallende Fett zu sammeln und dem Metzger zu verkaufen, der es wiederum den Waffenproduzenten weitergibt, die es für die Erzeugung von Sprengstoff benötigen. Der anfangs wenig begeisterte Pluto, der sich auf das köstliche Fett gefreut hatte, erkennt seine patriotische Pflicht durch einen Blick auf ein Bild, das sein Herrchen Micky Maus in strammer Uniform zeigt.

 

DIeser eher unspektakuläre Cartoon diente rein aufklärerischen Zwecken und verfolgte gar nicht erst die Absicht, seine Botschaft unter der Schicht vergnüglicher Unterhaltung zu verstecken. Verglichen mit "Der Fuehrer's Face" und "The New Spirit" fällt ein solcher Kurzfilm qualitativ verständlicherweise ab.

"Education for death": Verständnis für den Feind - Wie aus einem netten Jungen ein Nazi wird

EIne Sonderstellung unter Disneys Propagandafilmen nimmt der Cartoon "Education for Deathi" ein. Auf der literarischen Vorlage "Education for Death - The Making of the Nazi" von Gregor Ziemer basierend, zeichnet der zehnminütige Streifen das Schicksal eines fiktiven deutschen Jungen namens Hans nach.

 

Aus Hansi wird ein Nazi

In düsteren Bildern, unterlegt von schwermütiger Musik, wird dem Zuschauer das kurze Leben des blonden Buben Hans vorgestellt. Von Geburt an unterliegt der ursprünglich freundliche Junge der Nazi-Propaganda in all ihren Facetten. Statt unbekümmert aufzuwachsen und sich des Lebens zu freuen, wird er mit bitterer Ernsthaftigkeit zu einem gefühllosen Nazi geformt, der den Führer mehr als sein eigenes Leben liebt. Symbolisch zeigt das letzte Bild, was am Ende eines solchen Weges steht: Reihenweise Kreuze der Gefallenen.

 

"Education for Death - The Making of the Nazi" versucht nicht Sympathie, sondern Verständnis für den Feind zu erwecken. Wäre Hans in den USA geboren worden, wäre aus ihm vermutlich ein liebenswerter, herzensguter Mensch geworden. Doch die staatliche Indoktrination entmenschlichte ihn, bis er zum zynischen Nazi wurde.

Trotz des Cartoon-Charakters handelt es sich um einen nachdenklich stimmenden Kurzfilm, der heute (leider) noch immer aktuell ist.

Hitlers vergeblicher Versuch, Disney zu kopieren - Tragikomisch: Hitler liebte Disneys Zeichentrickfilme!

Was trotz der anhaltenden Aufarbeitung der Nazi-Ära immer noch kaum bekannt ist: Adolf Hitler eiferte den Disney-Studios nach und wollte unbedingt Filme in der sprichwörtlichen "Disney-Qualität" produzieren! Ein 1941 in Berlin dafür eingerichtetes Zeichentrickstudio brachte als einziges brauchbares Resultat den 17-minütigen Kurzfilm "Armer Hansi" heraus, der aber weit davon entfernt war, an Disney heranzureichen.

Hitlers Begeisterung für das große amerikanische Vorbild war dabei durchaus privater Natur. Der Führer liebte die Zeichentrickfilme aus den Disney-Studios über alles! Propagandaminister Goebbels wusste davon und schenkte Hitler zu Weihnachten 1936 ein Dutzend Micky-Maus-Cartoons auf Film. Später notierte Goebbels in seinem Tagebuch Hitlers Reaktion darauf: "Ich schenke dem Führer 12 Micky-Maus-Filme zu Weihnachten! Er freut sich sehr darüber. Ist ganz glücklich über diesen Schatz”.

Wie ein besonders gelungener Treppenwitz der Geschichte erscheint es folglich, dass das Codewort der Alliierten für die Hitlers Niederlage besiegelnde Landung in der Normandie ausgerechnet "Mickey Mouse" lautete...

 

Bildquelle: www.lustiges-taschenbuch.de

 

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