Ein Konzert der besonderen Art

Eins vorweg: Glatt rasiert und im Anzug mit Krawatte (!) ist Hugh Laurie nicht ganz so sexy wie Dr. House, aber den einschüchternden Blick aus den wirklich verblüffend blauen Augen hat er drauf wie im Fernsehen. Damit erschöpfen sich dann jedoch die Gemeinsamkeiten zwischen dem zynischen TV-Misanthrop und dem eher unscheinbaren Hugh Laurie, der sich schon als Junge zum Blues hingezogen gefühlt hat.

Dass er es ernst meint mit der Musik, davon konnte ich mich während der beeindruckenden, anderthalb Stunden langen Vorstellung im voll gestopften Café Keese eigenohrig und -äugig überzeugen. Auf Dr. House-typische Sprüche musste das "erlesene", circa tausendköpfige Publikum verzichten, doch das hat ihm, glaube ich, keiner übel genommen.

Mit einer Vollblutband, die er als Copper Bottom Band vorstellt und die "jeden Schnitzer ausbügelt" (O-Ton Laurie), bot der Schauspieler eine wirklich gelungene Show ohne Allüren, dafür mit sichtbarer Freude am Spielen. Als musikalischer Laie konnte ich weder einen falschen Ton in seiner zur Stilrichtung passenden, mal salopp nölenden, mal brummigen Stimme erkennen, und auch Klavier und Gitarre ließen den passionierten Autodidakten erahnen.

Blues ist nicht so unbedingt meine Welt, und ehrlich - in erster Linie war ich neugierig, wie "Dr. House" in Lebensgröße wirkt und aussieht. Wie wohl die meisten Fans, denn sein Album "Let them talk" war zum Zeitpunkt der Premiere in Hamburg noch nicht erschienen.

Die lange Fahrt dorthin, die ich mit einem Städtetrip verbunden habe, hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Obwohl privat von unauffälligem Äußerem und britisch unterkühlter Zurückhaltung, besitzt Hugh Laurie eine sympathische Ausstrahlung, und im Gegensatz zu Dr. House scheint er zu wissen, dass Lachen nicht wehtut.

Es war richtig wohltuend, einen Weltstar ein wenig aufgeregt, uneitel und fast schüchtern zu erleben. Außerdem kann er nicht nur schauspielern und versteht es, zu begeistern. Spätestens bei dem Klassiker "Joshua fit the Battle of Jericho" habe ich mich beim Mitswingen und -singen ertappt. Die Leidenschaft, mit der Hugh Laurie und die Band performt haben, war ansteckend und streckenweise sogar fast hypnotisch, ohne aufdringlich oder zu laut zu werden.

Kostproben seines musikalischen Könnens zeigt Hugh Laurie bereits in den Serien "Jeeves & Wooster" und der Sketch-Show "A Bit of Fry & Laurie", in der sein langjähriger Kollege und bester Freund Stephen Fry ihn nicht zu Unrecht und nur halb im Scherz respektvoll als "Mr. Music" tituliert.

 

Ein unvergessliches Erlebnis war dieser Abend, und trotz meiner Stehkonzertphobie würde ich jederzeit noch einmal hingehen.

Zwei kleine Kritikpunkte habe ich anzubringen, die nichts mit dem Konzert an sich zu tun haben. Nämlich einige zu rabiate Fans in der ersten Reihe, die einem kleinen Fan, der Hugh aus "Stuart Little" kennt und ihn unbedingt live sehen wollte, mit ihrem aggressivem Verhalten schwer verstört haben. Außerdem das ständige Fotografieren mit den erhobenen Handys, das laut Veranstalter ursprünglich verboten war. Das Blitzgewitter beeinträchtigte die Stimmung erheblich. Als käme es nur darauf an, wer die besten und meisten Bilder schießt.

Dem kleinen Jan konnte man letztlich doch noch ein verklärtes Lächeln aufs Gesicht zaubern. An dieser Stelle ein großes Lob an die aufmerksamen und netten Sicherheitsleute, die dafür gesorgt haben, dass er nach überstandener Enttäuschung unter der Aufsicht eines beschützenden Ordners direkt vor der Bühne stehen durfte. Seine leuchtenden Augen am Schluss des Konzerts waren für mich der heimliche Höhepunkt des Abends. 

Und falls Dr. House irgendwann mal den (nichtvorhandenen) Arztkittel an den Nagel hängt, kann er ja immer noch den Blues spielen. Das macht er mit mindestens ebenso viel Verve wie medizinische Rätsel lösen.

Massenandrang vor dem Café Keese

Christine, am 29.04.2011
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Bildquelle:
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© Nicole Hanser ("Post City"– das Ars Electronica Festival 2015 in Linz (OÖ))

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