Ein ungleiches Duell auf der Straße

Als David Mann an diesem Morgen sein Auto besteigt, einen roten auffälligen Plymouth Valiant, und sich auf eine lange Fahrt durch Kalifornien zu einem wichtigen Termin gefasst macht, ahnt er noch nicht, dass er bald in einen Alptraum geraten wird. Dabei fängt alles harmlos an.

Während der eintönigen Fahrt überholt er einen Tanklastzug, der ihn zunächst am Überholen hindern möchten. Anschließend scheint die Fahrt wieder so langweilig zu werden wie bisher. Doch der Truckfahrer überholt seinerseits Mann wieder und versucht diesen von der Straße zu drängen. Schon nach kurzer Zeit muss Mann erkennen, dass der fremde LKW-Fahrer ihn umbringen möchte.

Die beiden gegnerischen Fahrzeuge in "Duell", der rote Plymouth und der Truck (Bild: http://www.wikipedia.de, Benutzer PanzerschreckLeopard)

Und dabei bleibt er an seinem Opfer dran: Immer wenn Mann denkt, er hätte seinen Gegner abgehängt oder dieser hätte die Jagd aufgegeben, taucht der Truck wieder auf. Bald schon muss Mann erkennen, dass er von den wenigen Menschen, die er unterwegs trifft, keinerlei Hilfe erwarten darf. Er ist auf sich alleine gestellt im Kampf gegen das fahrende Ungetüm, das ihn beharrlich jagt.

Trailer von "Duell"

Hintergründe

Spielbergs Assistentin machte ihn auf eine Kurzgeschichte von Richard Matheson aufmerksam, die Spielberg sofort in ihren Bann zog. Die Geschichte wirkte auf ihn wie ein Hitchcock-Film, wie "Die Vögel" oder "Psycho", nur auf Rädern. Der damals noch junge Steven Spielberg genoss keinerlei Ansehen, aber er wusste, dass er diese Kurzgeschichte verfilmen wollte. Heute bezeichnet er den Anruf, dass er die Regie übernehmen dürfte, als den zweitbesten Anruf seines Lebens. Der beste Anruf war derjenige, der ihn von der Uni geholt hat, damit er ein Regisseur werden konnte.

Spielberg fand, dass die Geschichte ein großartiges Beispiel für ein Katz-und-Mausspiel in einem Abenteuerdrama sei, und genauso wollte er sie auch verfilmen. Er konnte Dennis Weaver als Hauptdarsteller gewinnen, was ihn sehr begeisterte, denn er war wahrlich beeindruckt von Weavers schauspielerischen Fähigkeiten.

Manns Auto musste unbedingt ein rotes Auto sein, da in der Wüste beige und braune Farbtöne vorherrschen. Das Auto sollte jedoch aus der Landschaft hervorstechen. Der verfolgende LKW sollte ein Fahrzeug mit Charakter sein. Der Peterbilt, für den Spielberg sich letztendlich entschied, hatte seiner Meinung nach ein Gesicht und war damit perfekt für das gegnerische Fahrzeug geeignet. Der Truck sollte ein alter Haudegen sein, ein Verbrecher der Straße, der Autoschilder als Trophäen, als Kerben im Colt, mit sich herumschleppt. Sie schminkten ihn regelrecht mit Dreck, toten Fliegen auf der Kühlerhaube, Ölspuren und vielem mehr, was den Charakter des Fahrzeugs betonte.

Das Studio gab Spielberg 10 Tage für die Dreharbeiten. Wegen der knappen Zeit sollte er die Landschaftsaufnahmen separat durchführen lassen und den eigentlichen Film komplett im Studio drehen. Spielberg war das zu unecht und er setzte seinen Kopf durch. Er konnte den Zeitplan nicht ganz einhalten und brauchte 13 Tage, aber dafür produzierte er einen guten Film. Hilfreich war für ihn eine Karte des kompletten Geländes mit allen Straßen und allen Stationen im Film. Diese Karte reichte über alle vier Wände seines Hotelzimmers. Spielberg sagt selbst, dass er heute diesen Film wahrscheinlich nicht mehr in 13 Tagen drehen könnte, denn sehr vieles in "Duell" resultierte einfach aus spontanen Ideen.

Mit zahlreichen Tricks und äußerst guten Stuntmen als Fahrer der beiden Fahrzeuge, vor allem des LKW, gelang es Steven Spielberg, in "Duell" die Illusion von Geschwindigkeit zu erzeugen, auch wenn die Fahrzeuge eigentlich langsam fuhren. Dennis Weaver fuhr das Auto die meiste Zeit selbst, bis auf einige wirklich gefährliche Szenen. Auch die meisten Stunts, wie z.B. die Szene, in der Mann in einer Telefonzelle steht und der LKW auf ihn zurast und er im letzten Moment rausspringen kann, machte Weaver selbst.

Die letzte Szene im Film, in welcher der LKW die Klippe hinunterstürzt, ist besonders beeindruckend, denn Spielberg stand nur ein einziger LKW zur Verfügung. Er hätte keinen weiteren verheizen können. Also musste diese Szene unter allen Umständen beim ersten Versuch funktionieren. Dass sie so unglaublich mitreißend geworden ist, verdanken wir Spielbergs Planung aber auch einer gehörigen Portion Glück und guten Kameraleuten.

Spielberg bezeichnet sich selbst als nostalgisch, da er in späteren Filmen immer wieder Anspielungen auf "Duell" eingebaut hat. So parodiert er die Szene an der Tankstelle in "1941", die Schauspieler, die ein älteres Ehepaar in "Duell" darstellen, sind auch in "Die unheimliche Begegnung der dritten Art" dabei und der weiße Hai im gleichnamigen Film stirbt genauso wie der LKW. Für Spielberg war "Duell" der Start seiner Karriere und der erste einer langen Reihe außergewöhnlicher Filme.

Als der Film in Europa in die Kinos kam, musste Spielberg einige Szenen nachdrehen, denn "Duell" hatte nur eine Länge von 74 Minuten, in Europa waren für einen Kinofilm allerdings mindestens 90 Minuten vorgeschrieben. Die Szene, in welcher der LKW Manns Auto vor einen Güterzug schieben möchte, gehören nicht zum Originalfilm. Für die neuen Szenen wurden drei weitere LKWs angeschafft, von denen heute nur noch einer existiert. Dieser kann bei Brad's Trucks in North Carolina besichtigt werden.

Die Kurzgeschichte von Richard Matheson beruht übrigens auf einer wahren Begebenheit, als Matheson wirklich von einem LKW gejagt wurde. Und er hörte von anderen Personen, dass ihnen etwas ähnliches passiert sei. Möglicherweise treibt wirklich ein Mörder in einem monströsen Fahrzeug sein Unwesen auf amerikanischen Highways. Wer weiß?

Die meisten dieser Informationen stammen aus dem sehr sympathischen und interessanten Making-Of auf der DVD zum Film. In dem Making-Of sind viele weitere spannende Fakten zu "Duell" zu finden.

Gelungene Anspielung auf "Duell" in Audi-Werbung

Meinung

Mit seinem ersten Spielfilm beweist Steven Spielberg bereits, dass hier ein großes Talent am Entstehen ist. Obwohl er in "Duell" für seinen Hauptcharaker David Mann einen Alptraum wahr werden lässt, den Kampf auf Leben und Tod gegen einen schier unbesiegbaren Gegner, benötigt Spielberg keine Elemente des konventionellen Horrorfilms. Er verzichtet auf dunkle Ecken und düstere Gebäude, auf Knarren und unheimliche Effekte. "Duell" spielt am helllichten Tag in einer für Amerika normalen Landschaft.

Aber der Film verzichtet nicht auf ein Monster: Der gewaltige Truck mit seinem Rost, der abgenutzten Oberfläche, dem bedrohlichen Schild "Inflammable", den Scheinwerfern, die wie Augen wirken, erweckt den Anschein eines gefrässigen Ungeheuers, das die Jagd auf einen Menschen eröffnet hat. Die lang gezogene Motorhaube und die Scheinwerfer geben dem Lastwagen so etwas wie ein Gesicht mit einer langen Schnauze.

Spielberg kommt fast ganz ohne Dialoge und ohne Menschen aus. Ab und zu trifft David Mann einige Personen, aber dabei handelt es sich nur um Nebenfiguren. Die meiste Zeit zeigt der Film wirklich ein Duell zwischen Mann und dem Fremden im LKW, wobei der Fahrer so gut wie nie gezeigt wird, Man sieht nur einen Arm und die Füße, aber nie sein Gesicht. Dadurch, dass der Fahrer gesichtslos bleibt, wird der Eindruck erweckt, als wäre es wirklich das Fahrzeug, gegen das unser Held kämpfen muss.

David Mann selbst ist allerdings alles andere als ein Held. Er ist unbeholfen, vorsichtig, hat Selbstzweifel und ist alles andere als entschlossen in seinem Vorgehen. In gefährlichen Situationen reagiert er panisch und nicht besonnen und manövriert sich so in noch problematischere Situationen. Wenn er dann mal Mut fasst, reagiert er schnell und unüberlegt wie z.B. im Truckstopp, wo er einen Gast verdächtigt, der LKW-Fahrer zu sein, und ihn regelrecht mit Vorwürfen überhäuft ohne seinen Verdacht zu prüfen.

Nein, David Mann ist kein Held. Aber gerade seine Fehler und Schwächen machen ihn für den Zuschauer lebendig. Er zeigt seine Angst und er ist ein ganz normaler Mensch, der in eine Sitation geraten ist, die eindeutig zu groß für ihn ist. Und dennoch tut er alles, um zu überleben. Ich denke, jeder von uns kann sich besser in diese Person hineinversetzen als ihn irgendeinen heldenhaften Übermenschen.

An dem LKW hängen Autoschilder verschiedener Bundesstaaten wie Trophäen, wie die Schädel früherer Opfer möglicherweise an einer Kette um den Hals eines Drachens baumeln mögen. Offensichtlich hat der Fahrer schon andere Autofahrer getötet. Andererseits ist er kein gewissensloser Mörder, wie er auch beweist, sondern hat sich ein bestimmtes Ziel ausgesucht - das er aber beharrlich und gnadenlos verfolgt und das er unbedingt zur Strecke bringen möchte.

Spielberg fängt die Ausweglosigkeit und die Hoffnungslosigkeit dieser Situation mit einfachen filmischen Mitteln ein und gibt die Stimmung an den Zuschauer weiter. "Duell" hat nur eine einfache Handlung und verzichtet dabei auf jede Effekthascherei. Und vielleicht ist es gerade diese Einfachheit, die den Film spannend macht. Es ist der Horror auf der Straße, im Sonnenschein, im realen Alltag, der sehr viel erschreckender wirkt als Geister oder Zombies oder Riesenspinnen. LKWs begegnen wir jeden Tag und wir wissen um ihre Stärke.

Fazit

Trotz seines Alters (1971) hat "Duell" von seiner Fasziniation nichts verloren. Der Regisseur zeigt mit diesem Film wie groß sein Talent ist, das in späteren Filmen von Steven Spielberg immer mehr zum Vorschein kommen wird. Er erschafft ein stimmiges Gesamtbild, eine Sinfonie aus verschiedenen filmischen Mitteln, mit denen er aus einer ganz gewöhnlichen Situation - einer Autofahrt - einen erschreckenden Horror entwickelt - ganz ohne teure Effekte, Blutbäder, schreienden Teenagern, Action. Mit einfachen Mitteln Spannung erzeugen - das kann nur ein Meister.

"Duell" kann ohne Zweifel als eine Perle der Filmgeschichte bezeichnet werden und jeder Filmfan sollte ihn unbedingt kennen.

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