Elaine Sturtevant, Dark Threat of Absence

Sturtevant. Julia Stoschek Collection, Quadriennale Düsseldorf, 2014 (Bild: Foto: Vera Kriebel, 2014)

Elaine Sturtevant: Überholt oder weitsichtig?

Sie will natürlich gar nicht originell sein, aber will sie es wirklich so nicht sein?

Die Ausstellung ist so ennervierend wie ihr Thema: Überall große Leinwände, Bildschirme, Fernseher, teilweise übereinander gestapelt. Es kreischt und brabbelt es und blitzt und überschwemmt und bedrängt mit knalligen, hektischen Bilderfluten, die man früher vielleicht einmal als "typisch amerikanisch" abklassifiziert hätte, die heute aber über Internet und Privatfernsehen schon fast zum alltäglichen Medienkonsum gehören. Nirgendwo Ruhe. Im Treppenhaus am Eingang zwar kein akustische Bedrängnis, dafür aber wandfüllend die endlose Reihung der Aufforderung zu töten: KILL. Wer eintritt, kann sie vielleicht sogar übersehen oder findet sie eher sachlich-monoton. Wer geht, die Ausstellung verlässt, kann sich ihrer gleichförmigen Aggressivität jedoch kaum mehr entziehen.

Elaine Sturtevant: Kill (2003). Julia Stoschek Collection, 2014. (Bild: Vera Kriebel, 2.4.2014)

Appropiation Art: Was ist Kunst, was Fake?

Elaine Sturtevant (* 1930) wurde ab 1965 bekannt durch ihre Kunst-"Kopien".

Wie andere Vertreter der in den späten 1970er Jahren aufkommenden Appropriation Art kopiert sie Werke anderer Künstler, wobei – anders als beim Fälscher – genau dieses Wiederholen des früheren künstlerischen Schaffensaktes (das Re-enactment) beziehungsweise eben diese Kopie als originäre Kunst verstanden wird. Wichtig ist: Das Nachmachen ist ein bewusster Prozess, der wie bei der Konzeptkunst insgesamt ein Konzept, eine Idee, eine Frage, ein Problem oder Phänomen reflektiert, erläutert und visualisiert. Bei der Appropiation Art ist es naturgemäß oft der Kommentar zum künstlerischen Schaffen selbst oder zum Problem des Originals, des Kunstmarktes oder unserer (des Publikums) Wahrnehmung eines "echten" Kunstwerks. 

Was Sturtevant jedenfalls auszeichnete, war ihr "6. Sinn" für den Zeitgeist des Kunstbetriebs: Die Installationen, Gemälde, Skulpturen, die sie - meist zeitnah zum Original – erneut her- und ausstellte, wurden im Nachhinein zu Meisterwerken der zeitgenössischen Kunst erklärt, so Werke von Andy Warhol, Joseph Beuys, der 80er Jahre Street-Art-Künstler oder – als eines der bekanntesten Imitate – das Fenster Marcel Duchamps, das in einer weiter entwickelten Fassung auch in der aktuellen Ausstellung der Stoschek Foundation hängt und dort eine – wenngleich ungeschützte – Oase der Ruhe darstellt (Foto siehe oben).

Sturtevant - Finite / Infinite

Elaine Sturtevant: Finite / Infinite (2010), Julia Stoschek Collection, 2014. (Bild: Vera Kriebel, 2.4.2014)

Sturtevant - Be Stupid

Elaine Sturtevant: Be Stupid (2013). Julia Stoschek Collection, 2014. (Bild: Vera Kriebel, 2.4.2014)

Greift Sturtevant auch 2014 "über das Morgen" hinaus?

Die Frage nach dem herkömmlichen Kunst-Original und seiner Kopie (und letztlich damit danach, was Kunst denn überhaupt ist) jedoch ist Sturtevants Meinung nach in der heutigen, durch das WWW bestimmten Zeit obsolet – wer will heute noch entscheiden, was Kunst, was Fälschung, was Kitsch, was echt und wahr ist? Und auch Duchamps sei "nicht mehr zeitgemäß" (art - Das Kunstmagazin).

Sturtevant: "What is currently compelling is our pervasive cybernetic mode, which plunks copyright into mythology, makes origins a romantic notion, and pushes creativity outside the self. Remake, reuse, reassemble, recombine – that's the way to go." So widmet sich Elaine Sturtevant seit 2000 der Medienkunst, provozierend, grell, schrill, ennervierend, für manche vielleicht auch zu ihrem "kritischen wie karikaturierenden kakophonischen Spass" (likeyou - the artnetwork).

Die Frage, die sich dem Besucher in der Ausstellung stellt, ist jedoch, ob sich nicht Sturtevant insgesamt überlebt hat. Ist ihr Ansatz "aktueller denn je und greift im Sinne des Leitgedankens der Quadriennale 'Über das Morgen hinaus' "?

Ihre Werke thematisieren und kommentieren unsere durch aggressive Ton- und Bildverschmutzung, durch allgegenwärtige Werbung, Pornografie und Medien geprägte Umwelt, doch das gibt es ja nun auch schon länger und von anderen – und besser von anderen, das muss man einfach hinzufügen. Der Eindruck drängt sich auf, dass ihr neuer Ansatz heute überholt ist.

Sonderschau: Nathalie Djurbergs Perversitätenkabinett

Da erscheint die 1978 geborene Schwedin Nathalie Djurberg mit "The Experiment", eine Sonderpräsentation anlässlich der Art Cologne 2014 in der Julia Stoschek Collection, viel interessanter. Ihre an ein zugleich traditionelles wie perverses Kasperltheater erinnernden, animierten Knetfiguren à la "Shaun das Schaf" sind alles andere als süß: Die alterümlichen Kabinett-Figuren leben hemmungslose Gier, Sex, Gewalt, Sadismus – eine eklige Horror-Welt, die dem Zuschauer, dem Voyeur all dieses puppigen Exhibitionismus, kalte Schauer über den Rücken laufen lässt.

Infos zu NUMBER EIGHT: STURTEVANT, Julia Stoschek Collection, Düsseldorf, 8. April - 10. August 2014

  • Laufzeit NUMBER EIGHT: STURTEVANT: 5. April - 10. August 2014
  • Adresse: Julia Stoschek Collection, Schanzenstraße 54, Düsseldorf.
  • Anfahrt: Mit der U-Bahn vom Düsseldorfer Hauptbahnhof nach Oberkassel bis Belsenplatz: U74 (Richtung Düsseldorf-Lörick), U75 (Richtung Neuss Hauptbahnhof), U76 (Richtung Krefeld Rheinstraße), U77 (Richtung Düsseldorf-Am Seestern).
  • Achtung Öffnungszeiten: nur samstags und sonntags!11.00–18.00 Uhr. Sonderöffnungszeiten zur Art Cologne, 8.-13.4.2014: täglich 11.00–18.00 Uhr. Ostermontag und Pfingstmontag geschlossen.
  • Eintrittspreise: Eintritt frei!
  • Führungen: Sonntags, 12 und 15 Uhr, Dauer ca. 90 Minuten. 
  • Projekte: Venus und Apoll ist ein Projektraum für Performances, Konzerte, Lesungen, Diskussionsrunden, Film- und Videoscreenings am Worringer Platz. 
  • Material zu Elaine Sturtevant: Artikel in likeyou - the artnetwork und Art-Magazin.

Infos zu Nathalie Djurberg, Julia Stoschek Collection 2014

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