Zur Einleitung

Der Titel lässt im Vorfeld einige Spekulationen zu womit sich der Film thematisch befasst. Man kommt nicht drum herum, zu behaupten, dass es um eine Tochter geht. Wenn man die familiäre Bezeichnung wie Tochter benutzt – und nicht nur unpersönlichere Ausdrücke wie Mädchen – impliziert es eine Beziehungsgeschichte zwischen Mutter und Tochter bzw. Vater und Tochter oder aber auch Eltern und Tochter. Die vorgesetzte Bezeichnung, dass es sich um eine amerikanische Tochter handelt, lässt vermuten, dass die Bezugsperson und die Tochter zwei verschiedenen Nationen angehören. Des Rätsels Lösung soll bald aufgelöst werden.

Der Film ist nicht wie man erwartet eine amerikanische Produktion, sondern es ist ein Werk aus russischer Hand. Genauer gesagt aus der großen Filmgesellschaft Mosfilm. Seit 1920 existiert dieser Filmkonzern und hat vor allem in der Blüte der Sowjetzeit ein dutzend Filme produziert, u.a. Romanverfilmungen von dem bekannten russischen Schriftsteller Lev Tolstoi, aber auch berühmte sowjetische Regisseure wie Sergey Eisenstein und Andrey Tarkovskij arbeiteten für Mosfilm. Nach Ende der Sowjetzeit ist es ruhiger um Mosfilm geworden und deswegen kann man guten Gewissens sagen, dass der Film Amerikanische Tochter aus dem Jahre 1995 zu den neueren Produktionen Mosfilms gehört.

Bevor ich genauer auf die Handlung des Films eingehe, stellt sich ein mancher vielleicht die Frage, warum ich über diesen Film schreiben möchte. Die Antwort ist einfach: Er gehört zu den wenigen Filmen, die mich auf eine eigenständige Art berührt haben, ohne viel Schnick Schnack, ohne unsinnige special effects mit tanzenden Feen. Es ist ein Film, der mich gefesselt hat, der mich nicht auf die Uhr schauen lies, um zu schauen, für wie viel länger ich diesen Kitsch noch anschauen muss. Der Film versprüht Magie, die aus der Tiefe des Herzens kommt.

Ein unerwarteter Besuch

Die oben erwähnten Mutmaßungen über das Thema des Films stimmen nahezu. Doch ist es nicht nur eine Geschichte über Vater und Tochter, sondern vor allem soll die Barriere der unterschiedlichen Sprachen als Thema mit einbezogen werden. Denn wir erinnern uns; nicht ohne Grund heißt dieser Film amerikanische Tochter.

Diese Tochter wohnt mit Mutter und Stiefvater zusammen in –Überraschung- den USA. Ihr Leben ist zufriedenstellend und schon fast beneidenswert. Doch plötzlich taucht der leibliche Vater des Mädchens auf. Er will seine Tochter wieder sehen, nachdem die Mutter einst mit dem Kind von Russland in die USA abgehauen ist. Einfach verschwunden, ohne Erklärung oder Vorankündigung. Das Mädchen, welches zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt war, musste mit dem Gedanken aufwachsen, dass ihr Vater tot sei. Es war eines der Dinge, die sie, neben der englischen Sprache, beigebracht bekommen hatte. Halten wir uns vor Augen: Eine gebürtige Russin, die ausschließlich amerikanisches Englisch beherrscht. Keine Sensation, aber problematisch wird es, wenn der totgesagte Vater auftaucht, der ausschließlich der russischen Sprache mächtig ist. Sehr zum Ärgernis der Mutter trifft der Vater auf seine Tochter. Happy end? Noch längst nicht, denn ab diesem Punkt kommt die ganze Geschichte mit all ihrer emotionalen Last erst ins Rollen. Was tut man, wenn man sein eigenes Fleisch und Blut nicht versteht kann? Man verständigt sich mit Händen und Füßen, lehrt dem anderen seine Sprache. So kommt es, dass beide nach Russland fliehen wollen. Wie verrückt und banal die Idee ist, zeigt sich nicht nur an dem bloßen Gedanken, sondern, dass beide nach kurzer Zeit von der Polizei gesucht werden. Der Plot entwickelt sich zu einem Roadmovie; per Anhalter reisen sie quer durch die USA und je mehr Kilometer sie zurücklegen, desto mehr lernen die beiden sich zu verstehen. Ein sehr schönes symbolisches Zeichen. Was letztendlich passiert, ob sie es nach Russland schaffen oder sie zur Besinnung bzw. die Umstände sie zwingen zur Besinnung zu kommen, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. So viel sei gesagt: Es gibt ein happy end, doch ein unerwartetes.

So der Vater – so die Tochter

Tochter und Vater, verwandter können beide nicht sein, leben in unterschiedlichen Welten. Russische und englische Sprache, beide von der Nationalität her Russen.

Es ist interessant, wie die Macher des Filmes das typisch Russische in den Film durch die Vaterfigur zum Ausdruck bringen. Während der Handlung lässt dieser nämlich immer mal seinen charmanten Charakter, der auch nicht vor Korruption zurückschreckt, spielen. Die Tochter, im Verhalten, geschuldet durch ihr Umfeld und Erziehung, amerikanisch denkend, nimmt hingegen selbstbewusst das Ruder in die Hand, um den Vater durch die amerikanische Welt zu führen, die er –natürlich- etwas befremdlich findet. Dass die Tochter sprachlich einen Vorteil hat, ist außer Frage. Die Figur der Tochter konnte mich sehr überzeugen. Generell stehe ich Kinder als Hauptfiguren kritisch gegenüber. Hier jedoch handelte es sich nicht um ein Kind, welches durch Halbwissen und angeberischen Gehabe sich in den Vordergrund drängelt.

Eine Sprache

Sprachen verbinden. Eigentlich. Die These verliert seinen Wert, nachdem man am Ende des Films angelangt ist. Letztendlich –und das ist nur eine logische Konsequenz- lernen beide voneinander. Diesen Prozess des (Kennen)Lernens stellt der Film wunderbar dar. Die Vater-Tochter-Verbindung ist eine Stärke, die die Sprache überwindet und auch überwinden sollte.

Auch wenn die Kommunikation in einer gemeinsamen Sprache vom Vorteil ist, zeigt uns der Film, dass es nicht immer auf Worte ankommt, sondern auch auf Gefühle, die uns lenken, das für uns Richtige zu tun. Und wie heißt es nicht so schön; ein Blick sagt mehr als 1000 Worte.

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