Inhalt

Das Buch beginnt mit einem Rückblick am Strand von Marbella und es endet auch damit. Über diese versöhnliche Rahmenhandlung ist man als Leser dankbar, denn was dann auf den 268 Seiten folgt, wäre sonst vielleicht noch schwerer verkraftbar: Die kleine Monika muss 1944 als Vierjährige beim Einmarsch der Russen in Ostpreußen miterleben, wie zunächst ihr Hund und dann die Großeltern vor ihren Augen erschossen werden. Sie wird wie viele andere kleine und auch ältere Kinder von den Soldaten auf einen Lastwagen geschoben und dann tagelang in Kälte und Hunger in einen Gulag transportiert, ein Gefangenenlager, dieses speziell für Kinder. Die kleine Monika

In den Baracken richten sich die Kinder auf Stroh ein, erhalten kärglich oder oft tagelang gar nichts zu essen, wissen nicht, wohin mit ihren Exkrementen. Sie verwahrlosen immer mehr, schleichen sich nachts heimlich zu den Abfallhaufen, lernen Gräser, Blätter, Würmer und Käfer als Nahrung zu schätzen. Monika muss außerdem miterleben, wie die älteren Mädchen eines nach dem anderen zu Vergewaltigungen von den Soldaten aus den Baracken geholt und am nächsten Tag ihre Leichen achtlos weggeworfen werden. Aber es gibt auch hin und wieder eine mitleidige Bewacherin und einen Soldaten, der ihr heimlich etwas Schokolade zusteckt. Vor allem aber die stillen Zwiegespräche mit ihrem toten Vater und die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit der Mutter lassen ihren Lebenswillen nicht verkümmern.

Odyssee über Heim, Pflegeeltern zur lieblosen Mutter

1948 werden die überlebenden Kinder in ein Kinderheim in die DDR transportiert und dann Pflegefamilien zugeteilt. Damit endet aber das Leiden der Monika immer noch nicht, denn sie wird mehr als billige Hausdienerin ausgenutzt, kann kaum zur Schule gehen und wird ob ihrer im Lager angenommenen Gewohnheiten - sie hortet und stiehlt zum Beispiel Lebensmittel - vom Pflegevater streng bestraft und geschlagen. 1955 endlich findet ihr Onkel sie über das Rote Kreuz und bringt sie zu ihrer Mutter, die sich in den Westen hatte retten können und wieder verheiratet ist in Bayern, nachdem ihr erster Mann und der geliebte Vater von Monika als Flieger im Krieg abstürzte. Ihre Beschreibung endet mit ihrem Ausreißen von ihrer Familie nach wiederholtem Missbrauch durch ihren Stiefvater.

Foto oben: Die kleine Monika in glücklichen Zeiten in Ostpreußen vor ihrer Verschlepppung (Foto: privat - Monika Dahlhoff)

Monika Dahlhoff in ihrer Wohnung bei Marbella

Autorin Monika Dahlhoff heute (Bild: privat)

Die Autorin

Monika Dahlhoff wurde 1940 in Königsberg geboren. Die heute 74jährige Autorin schreibt unter Pseudonym. Dies nach eigener Aussage mehr zum Schutz ihrer Familie und Pflegefamilie als zum eigenen. Sie war erst nach langen Jahren fähig, diese ihre Kindheitserfahrungen zu verarbeiten, hat Fassung über Fassung erst zerrissen, bis sie sie dem Verlag anvertraute, der sich viel Arbeit mit ihrem Manuskript machte. Monika Dahlhoff kann nämlich mitreißend erzählen, aber nach eigener Aussage lernte sie kaum lesen und schreiben in frühen Jahren oder konnte eine Berufsausbildung absolvieren.
Sie ist nach langen Irrwegen heute in dritter Ehe seit 28 Jahren inzwischen glücklich verheiratet und lebt je ein halbes Jahr in ihrer alten Heimat Nordrhein-Westfalen und an der Costa del Sol Nähe Málaga, vorher auch an der Costa Blanca. Sie hat zwei Töchter von zwei verschiedenen Vätern und inzwischen auch zwei Enkel, doch die älteste Tochter hat angeblich dieses Buch ihrer Mutter nie lesen wollen. Die jüngere Tochter hingegen schon: "Ich bin froh darüber, dass Du es geschrieben hast, ich verstehe Dich nun besser."

Monika ist heute kein Opfer mehr

Monika Dahlhoff arbeitet jetzt an der Fortsetzung ihrer Lebensbeschreibung, wie es also weiter ging nach ihrem 18. Lebensjahr. So viel sei verraten: Sie erlebt aufgrund dieser Kindheit auch weiter Dramen und Tragödien, besonders in Beziehungen zu Männern, aber es wird auch ein aufschlussreiches Zeitzeugnis der 50er und 60er Jahre, der Zeit des Aufbaus und des Wirtschaftswunders werden.
Ich konnte sie persönlich kennenlernen und kann heute sagen: Monika Dahlhoff ist kein Opfer mehr, sie ist eine starke, bewundernswerte Persönlichkeit geworden, für sie ist das Leben im Gulag nun abgeschlossen. In ihren Lesungen gibt sie auch nicht das Buch wider, sondern ihre Eindrücke, Emotionen und Assoziationen heute. Und sie ergänzt vieles, was sie im Buch nicht schreiben wollte. Das ist sehr spannend und natürlich auch aufwühlend.

Eindrücke einer Leserin

Das ist kein Buch zur Unterhaltung oder Zerstreuung im Strandurlaub etwa, man kann Albträume kriegen nach dem Lesen dieses Buches, so viel sei gesagt. Sogar für die beiden Lektorinnen oder Textredakteurinnen laut Impressum des Bastei-Lübbe-Verlag soll es schwer verkraftbar gewesen sein. Monika Dahlhoff aber erhält wunderbare Briefe von Leserinnen vor allem von Frauen, die mitleiden mit ihr oder Ähnliches erlebten.

Eine unfassbare Kindheit

Fast schlimmer noch als die äußere Unbill im Lager tut einem beim Lesen das Verhalten der Mutter weh, die nie nach ihrer Tochter suchte, sie wohl einfach "abschrieb", die auch bei ihrer Rückkehr keine Zärtlichkeiten Monika gegenüber findet. Und ahnen solche Mütter wirklich nichts vom Missbrauch der Tochter durch den eigenen Ehemann, der übrigens ein bekannter Sportler war?
Man ist fast ein bisschen beschämt ob der eigenen Kindheit, die so problemlos verlief und hat als Autorin das Gefühl, eigentlich fast nichts oder nur Banales erlebt zu haben! Diese Reaktion rief das Buch auch bei mir hervor.
Doch wünscht man dem Buch eine weite Verbreitung, denn Monika Dahlhoff ist tatsächlich noch eine der letzten Zeugen dieser Zeit und auch der damit zusammenhängenden, unbekannteren Geschehnisse.

Eine Handvoll Leben - Meine kindheit im Gulag
8,99 Euro - auch als E-Book: 7,99 € ...

8,99 Euro - auch als E-Book: 7,99 € Bastei Lübbe in der Reihe "Erfahrungen" (Bild: Lübbe)

Arlequina, am 27.03.2015
0 Kommentare Melde Dich an, um einen Kommentar zu schreiben.


Laden ...
Fehler!