Entlang der Muldentalbahn von Penig nach Rochlitz
Ausflugstipp im Herzen Sachsens für Eisenbahnfreaks und RadwandererDennoch teilte diese romantische Bahnstrecke nur bedingt das Schicksal anderer Nebenbahnen. Der größte Teil der Strecke verfügt immer noch über vergleichsweise solide Gleisanlagen. Eisenbahn-Enthusiasten bemühen sich um eine touristische Nutzung, vom Bahnverkehr abgehängte Kommunen kämpfen für eine Wiederbelebung des Personentransports und einige angrenzende Unternehmen wären wahrscheinlich nicht traurig, wenn ihre Anschlussgleise für den Güterverkehr reaktiviert werden könnten. Im Koalitionsvertrag von 2019 bekannte sich die sächsische Landesregierung zudem dazu, eine eventuelle Wiederbelebung zu unterstützen. Im Prinzip braucht es dazu mutige Streckenbetreiber sowie eine dauerhaft hohe Auslastung durch all jene, die sich eine Reaktivierung wünschen.
Dieser Schwebezustand barg bisher allerdings auch einen Vorteil. Immerhin werden stillgelegte Bahnstrecken aufgrund ihres ebenen und geradlinigen Verlaufs gern zu Radwegen umfunktioniert. Naturgemäß freut das nicht jeden. Im Fall der Muldentalbahn aber besteht zwischen Schienenstrang und Radweg eine friedliche Nachbarschaft: Auf dem besonders idyllischen Streckenabschnitt Penig – Rochlitz verkehren im Sommerhalbjahr gelegentlich so genannte Schienentrabis. Die kultigen Vehikel ähneln ein wenig einem Cabrio mit Anhänger, was nur günstig sein kann. Zu sehen gibt es schließlich einiges:
Von Penig nach Lunzenau durchs Muldental
Nachdem die Gleise die Kernstadt von Penig verlassen haben, gestaltet sich die Fahrt zwar recht beschaulich, aber zunächst wenig aufregend. Interessant wird es erst an der nächsten Bahnstation. Sie gehört zu einer winzigen Siedlung namens Amerika. Meist liegt beschauliche Ruhe über dem Ort, obwohl einige Details an den Namensvetter jenseits des "großen Teiches" erinnern. Für eine nicht mehr regulär betriebene Bahnstation wirkt das Areal erstaunlich sauber und frei von Verfallserscheinungen. Auch lange Zeit nach dem Ende des regelmäßigen Bahnverkehrs bestand hier noch Anschluss an eine Busverbindung. Im Sommer 2020 wurde sie jedoch wegen zur geringer Nutzung vorläufig eingestellt.
Wer diesen Abschnitt lieber mit dem Fahrrad zurücklegen möchte, macht zunächst Bekanntschaft mit einer eher unschönen Eigenart des Muldentalradwegs: Denn jener ist über große Strecken kein echter Radweg, sondern nutzt ganz normale Straßenverbindungen! Auch die rund drei Kilometer von Penig nach Amerika bilden da keine Ausnahme. Immerhin kann man sich aber nicht verfahren. Die sehr schmale Straße heißt "Amerikaweg" und führt, vorbei an einer Kläranlage, direkt zum kleinen Ortsteil mit dem großen Namen.
Auf dem nächsten Streckenabschnitt folgt die Bahnlinie dem Verlauf der Mulde, bis die Bahnstation Rochsburg erreicht wird. Von dort aus bietet sich ein malerischer Ausblick auf das Bauwerk, welchem der Lunzenauer Ortsteil seinen Namen verdankt. Ortsunkundige werden hier wahrscheinlich unweigerlich einer optischen Täuschung unterliegen: Es scheint, als stünde Schloss Rochsburg am gegenüberliegenden Flussufer. Tatsächlich verläuft die Zwickauer Mulde hier jedoch in einigen spektakulären Schleifen. Die Bahnstation und das sehr sehenswerte Schloss befinden sich daher beide auf der gleichen Seite des Flusses. Dennoch führen die Gleise nicht am Schloss vorbei. Statt dem umständlichen Flusslauf zu folgen, kürzt die ehemalige Eisenbahnlinie rigoros ab. Dazu wurde durch den so genannten Schlossberg ein rund 290 Meter langer Tunnel angelegt, der ein Zeugnis deutscher Ingenieurskunst des 19. Jahrhunderts darstellt: Die von beiden Seiten vorangetriebenen Tunnelarbeiten sollen sich im wahrsten Wortsinn millimetergenau getroffen haben! Ans Tageslicht zurückgekehrt, treffen die Gleise wieder mit der Mulde zusammen, überqueren diese und verlaufen hinter einer Papierfabrik bis in die Lunzenauer Kernstadt.
Bahnhof Rochsburg - im Hintergrund ist bereits das Schloss sichtbar.
Für Radwanderer gestaltet sich diese Etappe etwas mühsamer: Der offizielle "Radweg" führt weiterhin über Straßen und beinhaltet zudem in Amerika den steilsten Anstieg des gesamten Muldentalradwegs! Als längere, aber schönere Alternative ist zu empfehlen, von Penig kommend am Ortseingang Amerika eine große Stahlbrücke zu überqueren und bis Rochsburg einfach auf der anderen Flussseite zu fahren. Der dortige Waldweg am Ufer ist größtenteils in erträglichem Zustand. Hat man erst einmal eine sehr enge Stelle an einem Wasserkraftwerk überwunden, wird die Strecke stetig besser. Sie trifft schließlich in Rochsburg auf eine breite Hängebrücke, über welche der Fluss erneut überquert werden muss. Beidseitig des Flusses gibt es Angebote für das leibliche Wohl. Anschließend haben Radfahrer die Wahl der Qual: Entweder strampelt man doch noch eine steil aufwärts führende Straße entlang oder man schiebt das Fahrrad den ebenso stark ansteigenden Weg zum Schloss hinauf. Beide Varianten führen an unterschiedlichen Punkten zur Schloßstraße, in welche links eingebogen werden muss. Kurz nach dem Ortsausgang zweigt die Strecke dann rechts in Richtung Lunzenau ab und verläuft damit wieder auf dem offiziellen "Radweg".
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Von Lunzenau nach Wechselburg per Schiene: Begegnung mit zwei weiteren Bahnlinien
Am gegenüberliegenden Ende der Lunzenauer Kernstadt kreuzen die Gleise zunächst eine Hauptverkehrsstraße, welche für die gelegentlichen Schienentrabis kurzzeitig gesperrt werden muss. Bei der Einfahrt in den Ortsteil Göhren bietet sich dann ein fantastischer Blick auf das Eisenbahnviadukt der Strecke Leipzig-Chemnitz unter welchem die Muldentalbahn hindurchführt. Wenig später überqueren die Gleise den Zusammenfluss von Chemnitz und Mulde und passieren dann die frühere Einbindung der Chemnitztalbahn. Beide Bahnen verliefen für einige hundert Meter parallel, wobei es auch eine Weichenverbindung gab. Die Gleise der Chemnitztalbahn wurden in den 2010er Jahren zurückgebaut. Von nun an entfernt sich die Bahnstrecke immer weiter vom Fluss, bis sie schließlich die obere Ortslage von Wechselburg mit dem Bahnhof erreicht. Das Gelände bietet einen traurigen Anblick. Dieses für den Ort vergleichsweise große Bahnhofsareal zeugt aber auch davon, dass Wechselburg einmal eine wichtige Station des regionalen Schienenverkehrs war.
Rechts und links der Mulde mit dem Rad von Lunzenau nach Wechselburg
Radfahrer hingegen müssen auf der Etappe Lunzenau - Wechselburg zunächst das tun, was die Eisenbahnstrecke schon zuvor bewältigt hat: Sie überqueren im Stadtzentrum die Mulde. Am anderen Flussufer befindet sich sogleich der "Prellbock", eine satirische Kultur-Kneipe mit Kofferhotel und vielen Artefakten der früheren Muldentalbahn. Das Gelände ist aus Sicht einiger Spaßvögel eine Lunzenauer Enklave: Sie nennen das 12.000 m² große Areal "Frohe und Hansel-Stadt Groß-Mützenau". Neubürger sind dort jederzeit willkommen…
Gleich nach dem "Prellbock" nimmt der Radweg endlich wieder einen eigenständigen Verlauf. Die asphaltierte Strecke führt, vorbei an einem Spielplatz, direkt an der Mulde entlang und bietet ein schönes Panorama. Doch wer an der nächsten Flussquerung der gut ausgebauten Strecke folgt und Küblers Brücke überquert, wird gleich danach umkehren müssen. Tatsächlich lässt der Radweg die Brücke links liegen. Er führt stattdessen geradeaus in ein Wäldchen. Dabei ist zunächst ein kurzer, steiler Anstieg zu überwinden – für alle ohne Mountainbike am besten schiebend... Danach wird die Streckenführung zunehmend besser, bis in Göhren wieder das ursprüngliche, komfortable Niveau erreicht ist. Dass man dabei quasi parallel zur ehemaligen Bahnlinie radelt, ist wegen des Baumbestandes meist nicht ersichtlich.
In Sichtweite des Göhrener Viadukts aber trennen sich Schiene und Radweg. Letzterer folgt nun wieder dem Straßenverlauf: Dieser führt zunächst über eine weitere Muldenbrücke und unterquert das Eisenbahnviadukt somit am anderen Flussufer. Erst am Ortseingang Wechselburg muss die Mulde erneut überquert werden.
Von Göhren aus führte die Muldentalbahn unter dem Viadukt der Linie Leipzig - Chemnitz hindurch
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Mit dem Schienentrabi von Wechselburg nach Rochlitz
Die letzte Etappe mit dem Schienentrabi bietet noch einmal Panorama pur. Nach dem Fischheimer Borstel (einer bewaldeten, ehemaligen Wallanlage) öffnet sich das Sichtfeld auf die Flussaue. Fischheim selbst (hier kreuzt der offizielle "Radweg") wird am äußerten südwestlichen Rand umfahren. Vorbei geht es am sanierten Bahnhofsgebäude Steudten, dessen neuen Besitzer gelegentlicher Schienentrabi-Verkehr glücklicherweise nicht zu stören scheint.
Nach der ehemaligen Ladestelle Biesern (in dem Ort befand sich eine Sandgrube) ist die Sicht frei auf das Rochlitzer Schloss. Wenig später überquert der Schienenweg die Mulde über eine Stahlträgerbrücke, wobei aus Muldeninsel, Schlossmühle und natürlich dem Schloss selbst ein tolles Rundum-Panorama entsteht. Sofort schließt sich eine weitere Brücke an, die genial unauffällig zwischen dem Schloss und der Petri-Kirche verläuft. Bevor gut einen Kilometer weiter der Rochlitzer Bahnhof zu sehen ist, mündet noch eine so genannte Quer- oder Verbindungsbahn ein. Dieser stillgelegte, heute zeitweise durch Draisinen befahrene Schienenstrang bildete einst eine weiter nördlich verlaufende Parallelstrecke nach Penig, diente aber vor allem als Querverbindung zwischen der Muldentalbahn und der Linie Leipzig – Chemnitz. Der Bahnhof Rochlitz selbst ist in der Regel nicht frei zugänglich und bietet einen traurigen Anblick. Immerhin fuhren von hier ab einst Personen- und Güterzüge in fünf Richtungen: ins Leipziger Umland, nach Chemnitz, nach Waldheim sowie über zwei Strecken bis Penig. Aktuell hat Rochlitz keine einzige Bahnverbindung mehr.
Die Rochlitzer Eisenbahnbrücke vom Schlossberg aus gesehen
Schloss Wechselburg ist stark sanierungsbedürftig
Mit dem Rad von Wechselburg nach Rochlitz
Herausfordernd, aber interessant wird diese Schlussetappe auch für Radfahrer. Wechselburg befindet sich komplett in Hanglage, was also auf jeden Fall einen Streckenanstieg bedeutet. Dennoch lassen sich hier allzu extreme Bergfahrten vermeiden. Der offizielle Radweg führt (stets bergauf) durch den gesamten Ort und danach in wilder Berg- und Talfahrt, dem Straßenverlauf folgend, bis nach Fischheim. Wer sich das ersparen möchte, wählt stattdessen den kürzeren Aufstieg zum historischen Marktplatz mit der Kirche St. Otto. Seit 2019 trägt sie den Titel "Radwegkirche" und verfügt über einen kleinen, idyllischen Rastplatz. Gleich nebenan befinden sich eine romanische Basilika mit Kloster sowie das leider verfallene Schloss. Vor dem Haupttor dieses Areals biegt die alternative Strecke nach rechts in den Schlosspark ein und führt bis hinunter zum Flussufer.
Blick auf Basilika, Schloss und Kloster vom Wechselburger Schlosspark aus
Von dort aus radelt man zunächst einfach in Fließrichtung an der Mulde entlang. Dieser Wanderweg ist bis auf einige wenige Stellen gut befahrbar und befindet sich im Prinzip stets zwischen Bahnlinie und Mulde. In Fischheim trifft diese Route schließlich wieder mit dem offiziellen Radweg zusammen. Wer sich hier noch einmal stärken möchte, muss dazu den Schaukelsteg nach Sörnzig überqueren, an dessen anderem Ende ein idyllischer Landgasthof wartet. Tatsächlich befindet sich auch dort ein direkter Wanderweg nach Rochlitz am Flussufer. Für Radfahrer ist jener allerdings ungeeignet.
Mit dem Fahrrad geht es daher auf der Fischheimer Seite weiter. Radweg, Fluss und Schiene verlaufen nun weitgehend parallel. Für Radfahrer ist die Streckenführung dabei so angelegt, dass möglichst wenig Begegnungen mit Motorfahrzeugen stattfinden. In Rochlitz angekommen, überquert man eine Hängebrücke und hat dann die Wahl: Entweder hinauf zum sehenswerten Schloss (dort gibt es auch eine kleine Reparaturstation für Radwanderer sowie ein Café) oder über einen schmalen Weg direkt ins historische Stadtzentrum. Am idyllischsten aber dürfte die dritte Variante sein: Nach Verlassen der Hängebrücke unterquert man selbige und gelangt auf die so genannte Muldeninsel. Über deren gesamte Länge führt ein asphaltierter Weg, gesäumt von Sitzbänken und Fitnessgeräten. Am anderen Ende führt eine kleine Brücke über den Mühlgraben. Wer jetzt noch nicht genug hat, kann dort einen kleinen Fahrrad-Cross-Parcours absolvieren. Alle anderen hingegen werden feststellen, dass der weitläufige Parkplatz eigentlich ein ganz guter Startpunkt ist, um den Muldenradweg in entgegengesetzter Richtung zu absolvieren…