Tipp Nr. 1: Informieren Sie sich – vor allem über die Zwischenprüfung!

Welche Pflichtveranstaltungen und  Prüfungen Sie im Grundstudium absolvieren müssen, erfahren Sie in der Studienordnung bzw. der Zwischenprüfungsordnung Ihrer Fakultät. Seit einigen Jahren gibt es im Fach Rechtswissenschaften wieder Zwischenprüfungen, deren Umfang von Uni zu Uni höchst unterschiedlich sein kann. Auch die Fristen, in denen die Zwischenprüfung abgelegt werden muss – grundsätzlich innerhalb von vier Semestern  –, weichen zum Teil voneinander ab. An der Uni Hamburg müssen zum Beispiel insgesamt 15 (!) Leistungsnachweise erbracht werden, während an der Uni Kiel lediglich sechs bestandene Klausuren für das Bestehen der Zwischenprüfung ausreichen. Lassen Sie  sich beim Prüfungsamt oder der Studienberatung informieren und beraten. Fragen Sie nach!

Tipp Nr. 2: Nehmen Sie Anfängervorlesungen nicht auf die leichte Schulter!

An den meisten Unis beginnt das Jurastudium mit Vorlesungen zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuch ("BGB AT"), zum Staatsorganisationsrecht und zum Allgemeinen Teil des Strafrechts ("Strafrecht AT"). Lassen Sie sich nicht täuschen: Auch wenn es sich um Einführungsvorlesungen handelt, geht es inhaltlich sofort in die Vollen! Gerade die höchst abstrakten Materien des "BGB AT" und "Strafrecht AT" gehören zu den schwierigsten Gebieten der Rechtswissenschaft. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Nicht nur Sie, jeder Studienanfänger beginnt im Jurastudium bei Null. Nehmen Sie Anfängervorlesungen ernst, aber nicht zu ernst! Das Studentenleben hat mehr zu bieten als bloßes Lernen. Sie sollten aber von Anfang an am Ball bleiben und mitarbeiten. Wer ständig blau macht, ohne den verpassten Stoff nachzuholen, verpasst schnell den Anschluss. Das ist ärgerlich, denn Grundlagenwissen, das in den ersten Semestern gelehrt wird, ist für die erste juristische Prüfung besonders wichtig.

Tipp Nr. 3: Lernen Sie so schnell wie möglich die korrekte Anwendung des Gutachtenstils!

"T könnte sich nach § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er..." Generationen von Jurastudenten haben sich bereits mit dem Erlernen der streng formalisierten Art des Textaufbaus im juristischen Gutachten herumgequält. "Wozu soll es gut sein, so verschwurbelt zu schreiben?", mag sich der eine oder andere Studienanfänger bereits gedacht haben.

Lernen muss den Gutachtenstil trotzdem jeder. Dies fällt vielen besonders schwer. Am Ende schaffen es aber die Allermeisten. Je früher Sie den Gutachtenstil "drauf haben", desto besser – und falls es doch nicht gleich klappt: dran bleiben! Der Gutachtenstil ist kein Hexenwerk.

Vor allem ist er eine unverzichtbare Grundfertigkeit. Schwächen beim Gutachtenstil verzeiht der Korrektor selten. Spätestens im Hauptstudium – in der ersten juristischen Prüfung sowieso – werden Fallklausuren gestellt, die Sie im Gutachtenstil lösen müssen. Nutzen Sie  Arbeitsgemeinschaften, um ausgiebig den Gutachtenstil zu trainieren. Häufig können die AG-Teilnehmer ihre Bearbeitungen kleinerer Fälle vom Dozenten korrigieren lassen. Nutzen Sie diese Möglichkeit! Scheuen Sie sich nicht vor Fehlern! Fehler sind eine wichtige Voraussetzung für effektives Lernen. Ihr Engagement wird sich auszahlen! Übrigens: Das Gegenstück zum Gutachtenstil ist der Urteilsstil, bei dem das Ergebnis zuerst mitgeteilt und anschließend die Begründung dargelegt wird.

Tipp Nr. 4: Befassen Sie sich frühzeitig mit der Technik der Anwendung von Gesetzen!

"Ein Blick  ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung!" Dieser Spruch, der dem ersten Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts, Hans Carl Nipperdey (1895-1968), zugeschrieben wird, ist schon Jahrzehnte alt. Trotzdem gilt er bis heute. Wer eine Rechtsnorm anwenden will, muss ihren Inhalt kennen. Grundsätzlich sollte man daher jede Norm bis zum Ende (!) durchlesen.

Der Spruch macht aber auch auf etwas Anderes aufmerksam. Gerade im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), aber auch im Bereich des öffentlichen Rechts ergibt sich vieles bereits aus dem Gesetzestext selbst. So verwundert es kaum, dass Autoren in juristischen Lehrbüchern recht häufig nur den Gesetzestext in eigenen Worten wiedergeben. Die Faustregel lautet daher: Bevor Sie ins Lehrbuch gucken, lesen Sie sich erst einmal die betreffenden Rechtsnormen durch! Dies gilt ebenso für den Fall, dass Sie sich ein neues Rechtsgebiet erschließen möchten. Nehmen Sie sich die Zeit, ausführlich im jeweiligen Gesetz herumzublättern und sich mit seinem Aufbau vertraut zu machen.

Ein weiterer Spruch lautet: "Drei vor, drei zurück!" Machen es Sie es sich zur Gewohnheit, nicht nur die jeweilige Rechtsnorm, sondern auch vorherigen und nachfolgenden Vorschriften zu lesen! So lassen sich Verständnisschwierigkeiten und Fehler bei der Gesetzesarbeit häufig vermeiden.

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Anmeldung zum kostenlosen Online-Klausurenkurs
Die Juristen und Autoren zahlreicher "Richter-Skripten", Dr. Christian Rauda und Dr. Jochen Zenthöfer, geben seit einigen Jahren ehrenamtlich einen kostenfreien Online-Klausurenkurs heraus. Teilnehmer erhalten Übungsaufgaben und Musterlösungen zu verschiedenen prüfungsrelevanten Themen - u.a. zum Strafrecht, Zivilrecht und Öffentlichem Recht - jeweils am 1., 10. und 20. eines Monats per E-Mail.

An dieser Stelle kann auch mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufgeräumt werden. Jurastudenten müssen keine Paragraphen auswendig lernen! Sie müssen aber wissen, wo sie stehen. Trotzdem verlangt das Jurastudium dem Studenten einiges an Schweiß und manchmal auch an Tränen ab. Denn die zu bewältigende Stofffülle ist enorm, vor allem in der ersten juristischen Prüfung. Weil jedoch niemand alles wissen kann, kommt es umso mehr darauf an, Gesetze richtig auslegen zu können. Deshalb gilt: vier Auslegungsmethoden für ein Halleluja! Wer gute Kenntnisse in der jurstischen Methodenlehre hat, muss weniger auswendig lernen. Obwohl die Rechtsmethodik ein wesentlicher Bestandteil des Jurastudiums ist, fristet ihre Didaktik ein Schattendasein.

Klassischerweise unterscheidet man nach dem wohl berühmtesten deutschen Rechtsgelehrten Friedrich Carl von Savigny (1779-1861), einem Zeitgenossen Goethes, vier Auslegungsmethoden:

  • die grammatische Auslegung  (Wortlaut),
  • die teleologische Auslegung (Zweck),
  • die systematische Auslegung (Systematik) und
  • die historische Auslegung (Entstehungsgeschichte).

Einige Unis bieten mittlerweile spezielle Kurse oder Arbeitsgemeinschaften an, in denen der Gutachtenstil und die Auslegung von Gesetzen eingeübt werden. Wer die Möglichkeit hat, einen solchen Kurs zu besuchen, sollte unbedingt daran teilnehmen. Denn Übung macht hier wirklich den Meister! Wer gleich am Anfang des Studiums solide methodische Grundfertigkeiten erwirbt, hat es später – auch in der Examensvorbereitung – deutlich leichter.

Tipp Nr. 5: Finden Sie die Lerntechnik, die zu Ihnen passt!

Es ist ein Schauspiel, das sich (zumeist) in den ersten Tagen der Vorlesungszeit des Wintersemesters beobachten lässt. Scharen von Studienanfängern stürmen die Uni-Buchhandlungen, um die vom Professor empfohlenen Lehrbücher zu kaufen – ein großer Fehler! Auch wenn viele juristische Lehrbücher nach wie vor didaktisch und optisch wenig ansprechend gestaltet sind, gibt es doch meist große Unterschiede und auch einige rühmliche Ausnahmen, die es zu finden gilt. Unabhängig von der Aufmachung eines Lehrbuches: Jeder Autor schreibt anders. Lernen Sie daher mit einem Lehrbuch, das in einem für Sie angenehmen Stil verfasst ist, das zu Ihrem Lernstil passt und – besonders wichtig – mit dem Sie gerne arbeiten. Das kann auch ein Lehrbuch sein, das nicht auf der Literaturliste des Professors steht. Ob Sie ein klassisches Lehrbuch oder ein Skript bevorzugen, ist Geschmackssache. Viel wichtiger als die Form der Darstellung ist die Tatsache, dass Sie sich überhaupt regelmäßig mit dem Stoff auseinandersetzen und ihr Wissen in Übungsfällen anwenden. Wiederholung und Anwendung sind das A und O für den Erfolg im Jurastudium!

Hilfreich ist es, sich über die verschiedenen Lerntypen zu informieren. Welcher Lerntyp sind Sie? Im Internet gibt es zahlreiche Tests, die dabei helfen sollen, den eigenen Lerntypus herausfinden. Das Ergebnis eines Lerntypentests kann wichtige Hinweise für die Gestaltung Ihrer Lernroutine ("Lernstrategie") enthalten.

Letztlich merken Sie aber meist erst durch Ausprobieren, wie Sie am besten lernen. Der Eine lernt am besten, indem er den Lernstoff mit Mindmaps strukturiert. Ein Anderer lernt besonders gut im Gespräch mit anderen in einer Lerngruppe und ein Dritter hat den größten Lernerfolg, wenn er ein Lehrbuch mehrmals durchliest. Die Lernkartei hat sich als besonders effektives Hilfsmittel zum Lernen von Definitionen erwiesen. Nehmen Sie sich die Zeit und finden Sie "Ihre" Lernmethode heraus! Diese Zeit ist nicht vertan, sondern gut angelegt.

Zum effektiven Lernen gehören aber auch Pausen. Schaffen Sie sich einen Ausgleich zum Studium, zum Beispiel, indem Sie regelmäßig Sport treiben, Musik machen, eine Fremdsprache lernen oder sich mit Freunden treffen. Die Hauptsache ist, es hat nichts mit Jura zu tun, damit Sie abschalten können. Das Motto US-amerikanischer College-Studenten "study hard, party harder" hat sich durchaus bewährt.

Eine kurze, gelungene Einführung in das juristische Lernen hat Christoph Gröpl, Rechtsprofessor an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, geschrieben, zu finden in Gröpl, Staatsrecht I, 2. Aufl. (2010), S. 1-16.

Falls das Studieren doch einmal etwas zu kurz gekommen sein sollte: Sie können sich immer mehr Vorlesungen auch als Videomitschnitt im Internet ansehen. Viele Universitäten bieten diesen Service bereits an - zum Beispiel über ein eigenes Webportal.

Tipp Nr. 6: Lassen Sie sich von vermeintlich schlechten Noten nicht entmutigen!

Für viele ist es ein Schock, insbesondere für vormalige Einser-Schüler, wenn Sie die erste juristische Klausur zurückerhalten und es wider Erwarten "nur" eine Vier (4 bis 6 Punkte) geworden ist – und das, obwohl die Notenskala, anders als in anderen Fächern, nicht bis 15, sondern bis 18 Punkte reicht. In der Rechtswissenschaft wird traditionell hart benotet. Tatsächlich ist eine Vier nach der Notenskala für das Fach Rechtswissenschaft "eine Leistung, die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspricht". Eine Vier ist also keine ehrenrührige Note und durchaus nicht immer leicht zu erreichen. Daher heißt es häufig unter Jurastudenten: "Vier gewinnt!" – vielleicht klappt es schon bei der nächsten Klausur mit einer besseren Note!

Laut zweier Studien des Wissenschaftsrates aus den Jahren 2005 und 2012 gibt es kein anderes Fach an deutschen Hochschulen, in dem derart sparsam gute Noten vergeben werden. Der Traum eines jeden Jurastudenten ist ein "VB", das ist die Abkürzung für "vollbefriedigend". In der ersten juristischen Prüfung geht dieser Traum nur für die Wenigsten in Erfüllung: Lediglich rund ein Viertel der Prüfungskandidaten – die Zahlen schwanken von Bundesland zu Bundesland – schließen die erste juristische Prüfung mit dem begehrten "Vollbefriedigend" ab. Die Note "gut" wird noch seltener vergeben und die Verleihung der Note "sehr gut" ist geradezu ein epochales Ereignis.

Die harte Benotung im Jurastudium kann stark demotivierend wirken. Auch die Korrekturpraxis trägt ihren Teil dazu bei. Häufig werden vor allem die Fehler, nicht das Gelungene herausgestellt. So kann es durchaus passieren, dass eine korrigierte Klausur, die hervorragend benotet wurde, von vorne bis hinten gespickt ist mit negativen Anmerkungen des Korrektors. In solchen Fällen ist es wichtig, sich davon nicht allzu sehr beeindrucken zu lassen. Seien Sie sicher: Auch Ihren Kommilitonen wird es nicht anders gehen!

Titelbild: geralt / pixabay.com

Autor seit 13 Jahren
60 Seiten
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