Familiengräber, Gruften, Grabsteine - Friedhofskunstwerke
Manch Erwachsener, der erstmals einen Friedhof betritt, ist erstaunt, welch wundervolle Grabkunstwerke zu sehen sind. Kinder hingegen nehmen einen Friedhof ganz anders wahr.Mein erster Friedhofsbesuch!
Ich war vier Jahre alt, als mich meine Uroma zum ersten Mal auf einen Friedhof mitnahm. Sie trug schwarze Gummistiefel, war mit Gartengeräten und einer Gießkanne ausgestattet und schritt beherzt aus. Ich hatte auch eine kleine rote Gießkanne aus Plastik - so hieß es damals nun einmal - bei mir, eine Schaufel und ein gelbes Eimerchen.
Nein, auf dem Friedhof gab es keinen Sandkasten. Uroma erklärte mir, als wir wenig später vor einem kleinen Erdhügel standen, auf dem die Blumen - schwer vom Regen - traurig ihre Köpfe hängen ließen, dass hier nun der Opa Kurt "wohnt".
Ich schaute meine liebe Uroma nur schief an und wischte mir zudem noch ein wenig trotzig einen kecken Regentropfen von der Nase, der ganz verwegen vom Baum herabgefallen war, dessen Äste sich über Opas nasses Grab ausgestreckt hatten.
Während sich Uroma emsig daran machte, die verwelkten Blumen aus der feuchten Erde zu ziehen, stand ich einfach nur da und sah mir den großen sandfarbenen Stein genauer an, der auf dem Grab stand, in dem der Opa fortan wohnen sollte.
Ich begriff natürlich nichts zu jener Zeit.
Was auch und wie dem auch?
Ich war doch noch so klein!
Der Tod war für mich ein Fremdwort. Jedoch war mir schon klar, dass mein Opa "Kurtel" nie wieder in die gemütliche große Wohnung unter dem Dach des Kindergartens, wo er lange Zeit als Hausmeister tätig war, zurückkehren würde. Schließlich hatte ich ihn schon lange Zeit nicht mehr gesehen.
Der Opa war tot! Gestorben an seinem bösen Husten, hatte Uromi mir erklärt. Meine Urgroßmama hatte den Opa Kurt - der eigentlich gar nicht mein richtiger Opi war - lange Jahre schon gepflegt. Sie war schließlich Krankenschwester - schon im Krieg war sie das gewesen. Alle nannten meine Uroma einfach immer "Schwester Rosel".
Opi stand oft und manchmal sehr, sehr lange am Fenster, auf dessen Fensterbrett ein weiches Kissen lag, sah hinaus, nach unten auf die Straße und hustete dann nicht ganz so stark. Die frische Luft tat ihm gut. Und wenn es ihm richtig gut ging, dann konnte er auch mit mir herumalbern und Späßchen machen, sogar lachen, ohne einen Hustenanfall zu bekommen. Uromi hingegen schimpfte immer und sagte, er solle aufhören mit dem Blödsinn, sonst würde er sich überanstrengen und wieder husten müssen.
Nachdem meine Uroma zu einem großen Haufen lief, um dort die welken Blumen zu entsorgen, machte ich mich fleißig mit meinem Schaufelchen ans Werk. Ich grub ein Loch in die aufgeweichte Erde und füllte diese in meinen kleinen Eimer. Als Omi einige Augenblicke später zurückkam, fragte sie mich erstaunt, was ich denn da täte.
"Ich grabe den Opi wieder aus. Da unten ist es viel zu kalt, das ist nicht gut für seinen bösen Husten!"
Meine Uroma strich mir liebevoll über meinen Wuschellockenkopf.
"Dem Kurtel-Opa geht es jetzt viel besser!", sagte sie leise und fügte hinzu, dass er sich bestimmt sehr darüber freuen würde, wenn wir neue Blumen auf sein Grab pflanzten. Blumen mochte er so gerne!
Später, als einige Jahre vergangen waren, besuchte ich das Grab erneut. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon alt genug, um die Inschrift auf dem Grabstein zu lesen. Ich glaubte der Uroma allerdings nicht ganz, dass der Kurtel-Opa tatsächlich für immer tot war.
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Der Opa ist nicht wirklich tot!
Schließlich hatte ich ihn doch wiedergesehen!
Die Büste an einem Haus, direkt gegenüber vom Werkraum meiner Schule, sah genauso aus wie mein lieber Opa Kurt. Immer dann, wenn ich im Werkraum war und aus dem Fenster zum gegenüberliegenden Haus blickte, sah ich die Büste und hatte tatsächlich manchmal das Gefühl - wenn ich ganz intensiv darauf starrte - als würde das steinerne Gesicht plötzlich lebendig und ich meinte sogar deutlich zu erkennen, wie Opa Kurtel mir verschwörerisch zuzwinkerte. Ganz so wie einst, wenn er mir heimlich ein Stückchen Schokolade zusteckte, obwohl ich längst schon Zähne geputzt hatte.
Grabfigur Frau
Das Grab - die letzte Ruhestätte
Der Friedhof ist ein Platz der Ruhe, der letzten Ruhe für die Verstorbenen. Der Friedhof ist jedoch auch ein Ort, an dem die Hinterbliebenen in Ruhe trauern können, ein Ort der Erinnerung und ein Platz des Friedens. Manch einer kommt gerne auf den Friedhof, wenngleich er auch kein Grab zu pflegen hat, sondern einfach nur, um sich an der Stille zu erfreuen, um die schönen Grabsteine zu betrachten, auf einer Bank zu verweilen und dem Vogelgezwitscher zu lauschen.
In früheren Zeiten lösten Friedhöfe stets ein beklemmendes Gefühl aus. Der Tod war dort allgegenwärtig war. Schlichte Holzkreuze ragten wie knorrige Arme aus der nackten Erde und jagten den Friedhofsgängern mitunter Angst ein. Dies alles änderte sich im Laufe der Jahrzehnte. Mehr und mehr verschwanden die selbst gebauten Holzkreuze und die hügligen Erdgräber, auf denen mitunter weder Gras wuchs, noch Blumen.
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Grüfte wurden auf den Friedhöfen angelegt. Grabsteine aus Marmor und anderen edlem Gestein oder aus Naturstein zierten die letzte Ruhestätte der Verstorbenen. Mal pompös und erhaben, mal weniger prunkvoll, dafür von schlichter Schönheit und zeitloser Eleganz. Auch richtige Kunstwerke von begnadeten Steinmetzen und Bildhauern hielten auf den Friedhöfen Einzug.
Jede Epoche brachte auch eine andere Art von Friedhofskunst zum Vorschein - wunderschöne Kunstwerke zu Ehren der Toten und gleichermaßen doch auch sehr beeindruckende Sehenswürdigkeiten für die Nachwelt.
Statue Grabstein
Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag - Gedenken an die Verstorbenen
Der Herbst bringt die Tage hervor, die dafür gedacht sind, der lieben Verstorbenen zu gedenken. Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag. Die Gräber der verstorbenen Angehörigen werden liebevoll mit Grabschmuck ausgestattet. Grablichter werden angezündet, stumme Gebete gehalten, Zwiegespräche mit den Verstorbenen geführt, Tränen vergossen und Erinnerungen wachgerufen.
Den Friedhof zu besuchen fällt einigen Menschen, die ihre Liebsten verloren haben, oft sehr schwer. Sie denken stetig an ihre verstorbenen Eltern, Ehepartner oder Kinder, zünden Kerzen für sie an, sprechen leise mit ihnen und das nicht nur an Tagen, die die Toten ehren sollen - nicht nur an Allerheiligen, Allerseelen oder am Totensonntag.
Auf dem Friedhof - an den Gräbern - können die Hinterbliebenen ihren Trauerschmerz offen zeigen.