Fast Food. Wer hat es erfunden, und was haben die sich dabei gedacht?
Schnelleres Essen. Die kurze Geschichte der effizientestmöglichen Mahlzeit.Konzentration auf das Wesentliche
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entdeckte die Wissenschaft, dass sich die Nahrungsmittel grundsätzlich aus drei Bausteinen aufbauen: Protein, Kohlehydrate und Fett. Mehr nicht. Ein gewisser Justus von Liebig (1803 - 1873) war wegweisend in der Forschung – und in der wirtschaftlichen Verwertung seiner Forschungsergebnisse.
„Fleisch macht gesund und stark.” (Bild: http://ihm.nlm.nih.gov/imag...)
Insbesondere Fleisch erschien Herrn von Liebig als besonders wertvoll; es sei zuständig für die Kräftigung und Wiederherstellung des körperlich schuftenden Menschen. Im Grunde zehre jedwede Tätigkeit an der Muskelsubstanz, sie werde gleichsam zerrissen und zerstört. Da bedürfe es notgedrungen einer Reparatur, und die könne der Körper ausschließlich mit Hilfe fleischartigen Materials ausführen. Herrn von Liebigs Fleischextrakt wurde zum Marktrenner in den Haushalten der Informierten und Gernestarken.
Bald stellten von Liebigs Schüler den genauen Nahrungsbedarf des Menschen zusammen. Am wichtigsten waren die Proteine, gern als Fleisch, dann kamen die Kohlehydrate, mengenmäßig die größte Gruppe, und schließlich sollte stets ein wenig Fett nicht fehlen. Salate und Gemüse hingegen, die wenig Kalorien, aber viel Volumen haben, schienen für die Volksernährung eher ungünstig. Immerhin musste ein siebzig Kilogramm schwerer Mann gemäß tabellengerechter Ernährung Tag für Tag etwa 3000 Kalorien zu sich nehmen. (Vermutlich wog er nicht mehr lange siebzig Kilo, wenn er sich tatsächlich daran hielt.)
Nun war dieses Denken durchaus verständlich. Der menschliche Organismus galt zunehmend als meisterliche Maschine, spätestens, seit Friedrich Wöhler im Jahre 1800 zum ersten Mal organisches Material synthetisch hergestellt hatte.
Liebig-Sammelbild (1907): „Rohstoffe unserer Kleidung" (Bild: http://nl.wikipedia.org/wik...)
Wie alle Maschinen braucht auch der Körper Energie, die er aus Verbrennungsprozessen bezieht. Kleinigkeiten wie Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe spielten in diesem Denken eigentlich keine Rolle. Vielleicht nahm man sogar an, dass sie einer geregelten Energieversorgung sogar im Wege stünden. Schließlich konnte man an jeder beliebigen Dampfmaschine erkennen, was mit den Dingen passiert, die nicht verbrannten: Man musste sie mühselig entsorgen, und das war bestimmt kein produktiv-effizienter Prozess. (Aus anderer Quelle wissen wir, dass Herr von Liebig im übrigen durchaus und frühzeitig die Vorzüge einer geregelten Ballaststoffversorgung erkannt hatte, insbesondere für die Gesundheit und Funktion des Verdauungstraktes. Aber diese Entdeckung wäre gar nicht schön für den Fluss dieser Geschichte, und deshalb lassen wir sie lieber auf sich beruhen.)
Alles hätte sich also wunderschön im beschriebenen Sinne des Herrn von Liebig entwickeln können. Der Fleischkonsum stieg konstant an: In Deutschland beispielsweise von rund 22 Kilogramm im Jahre 1850 auf etwa 45 Kilogramm im Jahre 1913.
Herrn Bircher-Benners essbares Sonnenlicht
Doch eines Tages, quasi urplötzlich, geschah es. Ein gewisser Herr Bircher-Benner, Vorname Max, Nationalität Schweizer, erkrankte und lag ächzend und stöhnend darnieder.
Eine heftige Gelbsucht plagte Herrn Bircher-Benner, und obwohl er doch Arzt war, versagte an ihm selbst seine Kunst. All die Hausmittel und – was besonders überraschend war – auch die Mittel der Wissenschaft zeigten keinerlei positive Wirkung. Fleisch schon gar nicht. Seine Gelbsucht schleppte sich von Tag zu Tag dahin.
Glücklicherweise war Herr Bircher-Benner verheiratet. Das war ziemlich hilfreich, zunächst für Herrn Bircher-Benner, später auch für den Rest der Menschheit. Seine Gattin, welche das Leiden ihres Mannes voll hilfloser Verzweiflung mitansehen musste, schob Herrn Bircher-Benner eines Tages eine ganz dünne Scheibe eines frischen Apfels zwischen die Lippen. Ein köstlicher Genuss für den Kranken. Und mehr als das: Der Mann fühlte sich unversehens besser.
Es ist jetzt nicht genau überliefert, nach wie vielen hauchdünnen Apfelschnitten Herr Bircher-Benner vollends gesundete. Dennoch hatte die Heilung der Gelbsucht durch den Apfel weitreichende Folgen für die Ernährung der Menschheit. Herr Bircher-Benner erkannte nämlich, dass der Mensch vom Sonnenlichte lebt. Die beste Nahrung sei nämlich gar nicht die mit dem höchsten Kalorienwert, sondern die mit den meisten in ihr enthaltenen Lichtquanten.
Leichtsinnigerweise erkannte Herr Bircher-Benner dies nicht nur, sondern er gab diese seine Erkenntnis sogleich auch einem wissenschaftlichen Kongress bekannt. Der Kongress fand im Januar 1900 in Zürich statt und war ob der Botschaft des Herrn Bircher-Benner erheitert. Freilich handelte es sich dabei nicht um eine freundliche und wohlwollende Heiterkeit, sondern eher um deren zynische und mit einem kleinen Unterton von Hohn versehene Abart.
„Wenn du etwas für richtig hältst, dann steh auch dazu." (Bild: http://nl.wikipedia.org/wik...)
Doch weil Herr Bircher-Benner nicht nur wieder gesund geworden, sondern auch ein rechter Sturkopf war, ließ er sich durch derartige Rückschläge nicht entmutigen. Er entwickelte ein gänzlich eigenständiges Klassifizierungssystem für Nahrungsmittel, das durchsetzt war mit Begriffen der damals aktuellen Modewissenschaft Physik.
Nach Max Bircher-Benner sind Nahrungsmittel "Akkumulatoren" erster, zweiter und dritter Güte. Erstklassige Akkumulatoren sind demnach alle roh genießbaren Pflanzenteile, weil sie – durch das Blattgrün – Sonnenlicht unmittelbar in Lebensenergie verwandeln, regelrechte Heilnahrung sozusagen. Gekochtes und Getrocknetes, das sind Akkumulatoren zweiter Güte. Man kann solche Nahrungsmittel schon einmal zu sich nehmen, vorausgesetzt, man ist bei guter Gesundheit. Akkumulatoren dritter Güte aber, Fleisch, Pilze und solche Reizmittel wie Kaffee sollte man besser meiden.
Als Krönung seiner Lehre aber bescherte uns Dr. med. M. Bircher-Benner das Birchermüesli, das seither Generationen von Kindern zum Frühstück aufgezwungen wird. Niemand mag es so recht, und das ist wohl ganz sicher das beste Zeichen dafür, dass es gesund sein muss.
Zur Ehrenrettung des Herrn Doktor sei allerdings gesagt, dass er sich sein Müesli wohl ganz anders gedacht hat als es heute präsentiert wird. Eben nicht als – durch ganz viele Haferflocken und ein bisschen Dörrobst lange haltbare – Trockenspeise, der nur noch ein wenig Milch hinzugefügt werden muss. Sondern als Mahlzeit, die kurz vor dem Verzehr aus frischem Obst und Nüssen zubereitet wird, unter Beigabe einer winzigen Menge Haferflocken. Leider lässt sich solch ein Gericht kaum industriell herstellen und anschließend auch noch frisch zum Verbraucher transportieren. Außerdem wären unsere Kinder wohl auch von dieser Originalfassung des Birchermüesli kaum mehr angetan.
Einstieg in die Moderne
Demgegenüber sind die amerikanischen Varianten des schnellen Essens sogar für Kinder viel attraktiver, und man kann sie auch noch prima herstellen. Alle diese Essarten konzentrieren sich auf das Wesentliche. Zu ihrer Herstellung braucht man ganz und gar keine wissenschaftliche Vorbildung; für den Verzehr hingegen ist eine wissenschaftliche Vorbildung nicht zwingend schädlich. Außerdem sind sie gerade richtig für den sich bewegenden, mobilen Menschen. Sie werden erstens mit der Hand gegessen, die umständliche Handhabung irgendwelcher Essbestecke entfällt ersatzlos. Alle enthalten hinreichende Mengen Fleisch. Alle können schnell und an fast jedem beliebigen Ort aus vorgefertigten Bestandteilen erhitzt und essfertig gemacht werden. Und alle wurden aus den unterschiedlichsten Kulturen nach Amerika gebracht und von dort aus zurück in die Welt getragen.
Tatsächlich gab es mobiles Essen schon längst vor unserer Zeitrechnung. Entlang der Heerstrassen boten fliegende Händler Brot, in Weinblätter gerollten Ziegenkäse und ähnliches an, oft auch einen Schluck Bier oder Wein. Die heute bekannte Form des schnellen Essens entstand gemeinsam mit der zunehmenden Industrialisierung Europas. Denn der industrialisierte Mensch war ja nicht mehr länger Bauer und als solcher in der Lage, schnell einmal eine Beere oder eine andere Frucht abzupflücken und zu verzehren. Der industrialisierte Mensch war Städter und als solcher zumeist Proletarier. In den Fabriken, wo er seinem Tagwerk nachging, kamen frei wachsende Nahrungsmittel naturgemäß nicht vor; der proletarische Mensch musste sich anderswo mit Energie versorgen.
So eröffneten in deutschen Städten mittags und abends die Fleckbraterinnen ihr Geschäft. Sie offerierten Suppen aus Kartoffeln und Innereien oder Kutteln, scharf gewürzt und recht nahrhaft. Des Abends ergänzten sie ihr Angebot um Brot, Wurst und Käse. In England tauchten zur gleichen Zeit die Kartoffelbrater auf. Scharf konkurrenziert wurden sie von Nierenpastetenverkäufern, Schweinemetzgern und Fischern, die recht frischen gebratenen Seefisch und Muscheln anboten.
(Bild: http://de.wikipedia.org/wik...)
In Amerika hingegen waren es vor allem Einwanderer, die ab etwa 1900 ihre Kunst in den Dienst der öffentlichen Ernährung stellten und sich weltweit durchsetzen sollten. Das amerikanische Prinzip fußt auf drei Säulen: Hot Dog, Hamburger und Geschwindigkeit.
Geschwindigkeit: 1949 schrieb Egon Erwin Kisch über das Mittagessen in den Ford-Werken: "Die Mittagspause in den Betrieben mit drei Schichten ist fünfzehn Minuten. Danach müssen die heiße Suppe im Papierbecher, die Brötchen, der Kaffee (wird aus der Flasche getrunken) und allenfalls ein Apfel binnen sieben Minuten verzehrt werden. Stehend oder auf der Erde kauernd. Bänke oder Stühle gibt‘s nicht." Automatenrestaurants und Drive-Inns bekannten sich von Beginn an zu dieser Tradition der Geschwindigkeit; die Einführung von wenigstens notdürftigen Sitzgelegenheiten in der eiligen Massenverköstigung kam während der fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts in Mode. Bis heute dauert die durchschnittliche Schnell-Mahlzeit rund um den Erdball kaum länger als fünfzehn Minuten, einschließlich Bestellung.
Hot Dog und Hamburger.
Der Ursprung des Hot Dog ist relativ bekannt. Um 1900 begann ein gewisser Charles Feltman, der gegen 1880 als Bäcker Karl Feldmann aus Frankfurt in die Vereinigten Staaten eingewandert war, damit, heiße Frankfurter Würstchen auf Brötchen zu legen und in Coney Island bei New York zu verkaufen. Natürlich waren die Würstchen ideal geformt; ihre Durchbiegung entsprach exakt der Rückenlinie des deutschen Dackels. Dementsprechend boten im April 1906 die Verkäufer des Konzessionärs Harry Mozley Stevens während eines Spiels der New York Giants heiße Würstchen auf Brötchen mit dem folgenden Satz an:
"Get your dachshound sausages, while they‘re red hot!"
Der bei dem Spiel anwesende Cartoonist Tad Dorgan kaufte eine, zeichnete für die nächste Ausgabe seiner Zeitung ein Brötchen, aus dem ein Dackel herausschaute. Die Bildunterzeile lautete: "Hot Dog." (Bleibt anzumerken, dass sich diese Geschichte zwar schön erzählt, gleichwohl aber nicht stimmt. Vermutlich leitet sich die Bezeichnung Hot Dog eher aus der Fleischsorte her, die seinerzeit nicht eben selten zur Wurstherstellung verwendet wurde; streunende Hunde gab es genug in amerikanischen Städten.)
Tad Dorgan gilt als Erfinder des Begriffs „Hot Dog”, ist es aber wohl nicht. (Bild: http://en.wikipedia.org/wik...)
Seine endgültige Form jedenfalls bekam der Hot Dog in Missouri. Dort hatte sich ein Bayer niedergelassen, der schlechte Erfahrungen mit seiner Kundschaft gemacht hatte. Er lieh seinen Kunden für die Dauer des Essens weiße Handschuhe; die sollten keine schmutzigen Finger bekommen, während sie eines seiner Würstchen verzehrten. Leider vergaßen viel zu viele der Esser, die Handschuhe wieder zurückzubringen, was den Unternehmerlohn gegen Null drückte. So ersetzte er die beiden Brötchenhälften durch eine Art Umhüllung aus Teig, die genau der Länge der eingeschobenen Wurst entsprach und an den Seiten dichthielt.
Wesentlich einfacher ging es bei der Erfindung des Hamburgers zu, des Klassikers der "Fast (schon) Food-Szene". Von ihm weiß man nämlich so gut wie nichts genaues.
Vermutlich kommt er tatsächlich – als Idee – aus Hamburg. Weil aber Hamburg schon immer Hafenstadt war und somit mehr als multikulturell, kennt niemand den eigentlichen Erfinder. Wahrscheinlich waren es die Tataren. Seine weltweite Verbreitung in der Moderne ist ein durch und durch amerikanisches Verdienst. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton ist ein erklärter Liebhaber dieses amerikanischsten aller Nahrungsmittel. Aber ist Fast Food tatsächlich Nahrung für das gemeine Volk, weil schnell und billig? Am anderen Ende der Zeitlinie hingegen gibt es Verwirrung. Im Jahr 1834 bot Delmonico‘s Steakhouse in New York das Hamburger Steak an, als das mit 10 Cent teuerste Gericht auf der Speisekarte.
Die Bekleidung des Hamburgers mit zwei Brötchenhälften schreiben wir heute am liebsten Charles R. Nagreen, genannt "Hamburger Charlie" zu, einem fünfzehnjährigen Jungen, der 1885 in Seymor, Wisconsin, von seinem Ochsenkarren aus in Butter gebratene Hamburger verkaufte. Die Brötchen gab er bei, weil sich seine Kundschaft wie beim Hot Dog über fettige Finger beschwert hatte.
Anders als der Hot Dog jedoch führte der Hamburger zu großen Unternehmensketten. White Castle war die erste, McDonald‘s ist nach wie vor die größte, und Wimpy – manch einer mag sich noch an die Läden erinnern, in denen der Ketchup auf den Tischen mit Plastiktomaten offeriert wurde, die aber so gut wie nie funktionierten – hat die am Ende verwirrendste Geschichte. Der Wimpy-Gründer Ed Gold, ein Eigenbrötler ohne Familie, verfügte testamentarisch, dass nach seinem Ableben jeder Wimpy-Grill seine Tore zu schließen habe, was 1978 hätte passieren müssen.
Doch 2002 schrieb der Guardian: "Wimpy still has 303 restaurants around the country and in the next year 40 new ones will open." Heute, zwei oder drei Eigentümer später, gibt es noch 113 Wimpies im Vereinigten Königreich, und mit deutlich über 500 Restaurants ist Wimpy eine bedeutende Größe im südlichen Afrika.
Bildquelle:
Kerstin Schuster
(Tatort Weihnachtsmarkt - die fiesen Tricks der Kleinkriminellen)
Kerstin Schuster
(Wie sicher sind die schönsten Weihnachtsmärkte in Dresden?)
Foto Kerstin Schuster
(Coulrophobie: Die Angst vor Clowns geht um - Horrorclowns in Deutsc...)