Das nennt man(n) Fensterln - Einlass ins Herz der Frau gewährt

Dazu braucht es keinen Internetanschluss, kein Abonnement einer  regionalen Tageszeitung.
Und erst recht keinen prall gefüllten Geldbeutel.
Eine einfache, handelsübliche Leiter und ein bisschen Mut reichen aus, um seiner Herzdame näher zu kommen.
Mit dieser Ausrüstung im Gepäck begibt sich der Casanova zum Domizil seiner Geliebten, lehnt die Leiter an die Hauswand und klettert dann zum Fenster hoch in der Hoffnung bei seiner Herzdame Einlass zu finden.
Grundvoraussetzung ist dabei natürlich, dass die Traumfrau in entsprechender Höhe residiert und nicht etwa im Erdgeschoss.

Wer heimliche Liebe lebt… - ...sollte sich nicht erwischen lassen

Das Ziel vor Augen seine Traumfrau in intimer Atmosphäre in den Händen zu halten, spornte schon seiner Zeit in den 60er und 70er Jahren, als der Brauch in Bayern und Österreich noch gebräuchlich war,  die jungen Burschen an das Risiko gewaltig zu unterschätzen.
Risiken gab es genau zwei:
Einmal von seiner Traumfrau abgewiesen zu werden.
Und zum zweiten von den Hausherrn, sprich den Eltern, beim heimlichen Liebesgeflüster erwischt zu werden.
Die Konsequenzen im zweiten Fall waren oft drastisch.
Es war angesichts der  strengen Moralvorstellungen auf dem Land verpönt, dass sich die Tochter aus gutem Hause zu lange allein mit einem Mann- noch dazu im Schlafgemach- aufhielt.

Der Kuppelparagraph - Die schützende Hand vor der Unzucht

Die Sorge darum, dass die junge Tochter mehr als nur Tee mit einem Mann trinken würde, sobald man(n) ihr nur ein bisschen zu nahe kommen würde,  lässt sich für die meisten Menschen heutzutage natürlich nicht mehr nachvollziehen.
Schreckgespenster wie unerlaubter vorehelicher Geschlechtsverkehr und "Unzucht" zwischen Mann und Frau unter 20 Jahren haben in der heutigen aufgeklärten Zeit  längst an Bedeutung verloren.
Damals allerdings war die Sorge um das unzüchtige Verhalten nicht  ganz unberechtigt.
Immerhin gab es ja den Kuppelparagraphen im Strafgesetzbuch.
Wer nicht eine saftige Geldstrafe, geschweige denn eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Monat aufgebrummt haben wollte, der tat lieber was §180 StGB von ihm verlangte:  "Weder durch Vermittlung, durch Gewährung oder durch Verschaffung einer Gelegenheit der Unzucht Vorschub zu leisten."
Mit anderen Worten: Die Wohnräume  als sexuelle Spielwiese für zwei sich Liebende zur Verfügung zu stellen war tabu.
Von dieser Regelung waren in erster Linie Vermieter betroffen, die ein Auge auf unzüchtige Untervermieter haben sollten.

Fensterln heute - Spaß oder Ernst?

Heute ist der Kuppelparagraph längst aus dem deutschen Strafgesetzbuch verschwunden.
Genauso wie der Brauch des Fensterlns.
Überaus strenge und erzkonservative Eltern sind angesichts der neu gewonnen Freizügigkeit im 21 Jahrhundert beinahe ausgestorben.
Und viele junge Frauen (vom Lande)  ziehen schon in jungen Jahren ein eine eigene Wohnung.
Heimliche Treffen mit der Gefahr im Nacken von Erziehungsberechtigten erwischt zu werden, sind also gar nicht mehr notwendig.
Somit wird der Brauch heutzutage nur noch selten als Spaß in den ländlichen Gebieten in Bayern und Österreich praktiziert.
Im norddeutschen Raum wird das Fensterln dagegen nicht gern gesehen.
Dort gilt es teilweise bereits als Straftatbestand des Hausfriedensbruchs.
Das Urteil des AG Frankfurts a.M. 33C 2982/99-67 sieht  danach eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses als gerechtfertigt an.

 

In diesem Sinne sind Kontaktanzeigen und soziale Communities wohl doch eine Alternative…

Ist Fensterln für euch noch ein zeitgemäßer Brauch dem ihr nachgehen würdet?
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