Explosive Stimmung im Trainingscamp

Four Lions - CoverIn Sheffield lebt der junge Omar (Riz Ahmed) mit Frau und Kind ein anscheinend bestens integriertes Leben. Doch dem gebürtigen Pakistani blutet angesichts der weltweiten Unterdrückung von Moslems das Herz. Gemeinsam mit seinen Freunden Waj (Kayvan Novak), Fessal (Adeel Akhtar) und dem zum Islam konvertierten Barry (Nigel Lindsay) plant er in seinem Hinterzimmer den "Heiligen Krieg" gegen die westlichen Kapitalisten.

Zwecks terroristischer Weiterbildung fliegen Omar und Waj in ein pakistanisches Trainingscamp für Terroristen, wo sie allerdings mit der rauen Wirklichkeit abseits pathetischer Fernsehbilder konfrontiert werden. Das Trainingscamp entpuppt sich als Kaff im Nirgendwo, das von heillos vertrottelten Möchtegern-Terroristen, die nicht einmal wissen, in welcher Himmelsrichtung Mekka liegt, betrieben wird. Auf Grund des dämlichen Verhaltens der "Ausbildner" wird die US-Armee auf sie aufmerksam und schon bald bereitet eine Drohne dem Camp ein unrühmliches Ende.

Omar und Waj kommen mit dem Leben davon, fühlen sich aber in ihrer Ehre gekränkt. Das sollen jetzt die Briten büßen: Ein sportliches Großereignis soll den Heiligen Krieg gegen die materialistischen Ungläubigen einläuten. Natürlich standesgemäß mit Bomben …

Allah hat hoffentlich viel Humor ...

Dämliche Terroristen!

Terroristen als Protagonisten eines Spielfilms? Und das Ganze auch noch als Satire? "Geschmacklos", meinten nicht nur viele Kritiker sondern auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer, der den Filmstart in Deutschland verschieben lassen wollte. Genützt hat es ihm nichts: Programmgemäß lief "Four Lions" am 21. April 2011 in den hiesigen Kinos an. Zu Selbstmordattentaten kam es trotzdem nicht. Vielleicht auch deshalb, weil potenzielle Terroristen Christopher Morris' cineastische Abrechnung mit dem himmelschreiend dämlichen Märtyrertum allzu ernst nahmen und die gezeigten Anleitungen imitierten. Falls dem so war, sollte es nicht verwundern, dass Attentate ausblieben.

Denn die im Stile einer Pseudo-Dokumentation präsentierten Gotteskrieger sind an Inkompetenz nur schwer zu überbieten. Angefangen vom verschlucken einer SIM-Karte, um angeblich nicht mehr geortet werden zu können, über die vermurkste Ausbildung im Terror-Camp bis hin zu einem fatalen Unfall mit hochexplosiven Stoffen ("Vielleicht war es Gottes Wille, dass er über das Schaf stolpert") oder dem verfrühten Zünden einer unfreiwilligen Selbstmord-Krähe: Gemäß Murphy's Law läuft es für die Terroristen nie nach Plan.

 

Liebenswerte Gotteskrieger: "Four Lions"

Apropos: Von den Klischee-Terroristen aus allerlei Hollywood-Produktionen sind die "Four Lions", bei denen es sich eher um verirrte Lämmchen handelt, weit entfernt. Insbesondere Omar führt ein weitgehend gutbürgerliches Leben und zeigt sich als liebevoller Familienvater (auch wenn er seinem Sohn abends eine im Sinne des "Heiligen Krieges" abgewandelte Version vom "König der Löwen" erzählt, in der Simba zum Märtyrer avanciert). Die offensichtlichen Widersprüche zwischen der vermeintlichen Pervertierung durch moderne Technik und dem Einsatz moderner Technologie (Handy, Laptop, Flachbildfernseher) andererseits ignoriert Omar geflissentlich.


Einen herrlich ironischen Twist nimmt der Plot mit dem Auftauchen von Omars strenggläubigem Bruder, der als verbohrter Fundamentalist exakt ins Visier von Terrorfahndern passen würde. Er lehnt den westlichen Lebensstil ab, kennt den Koran in- und auswendig, weigert sich, mit Omars Frau zu sprechen und trägt den vorgeschriebenen Bart. In wohl jeder anderen Filmproduktion wäre er der perfekte Bösewicht. Doch in "Four Lions" ist ausgerechnet diese Blaupause eines moslemischen Terroristen friedfertig und setzt alles daran, Omars Attentatspläne zu vereiteln.

 

Terrorhysterie auf der Schippe

Überhaupt bewegt sich Regisseur Christopher Morris mit seinem kontroversiellen Film immer wieder auf einem schmalen Grat. Schließlich zeichnet er die Terroristen nicht als eindimensionale, verabscheuungswürdige Unmenschen, sondern stattet sie mit vielen liebenswerten Schrulligkeiten aus. Umso verstörender wirken die mitunter höchst makabren Gespräche und natürlich die Attentatsplanungen.
 

"Four Lions" gewann völlig zu Recht mehrere Preise, darunter den Publikumspreis beim Fantasy Filmfest 2010 in Berlin. Einen solchen Film inmitten der allgemeinen Terrorhysterie zu drehen, erfordert Wagemut. Angesichts dieses Muts sieht man auch über einige Längen und verpasste Gelegenheiten für ganze Kalaschnikow-Salven an zynischen Seitenhieben hinweg.

 
Ist "Four Lions" ein empfehlenswerter Film? Nun: Wer über bissige Satire mit viel zynischem Humor und Anspielungen auf tatsächliche Ereignisse lachen kann, darf diesen Streifen keinesfalls versäumen. Allen anderen sei vom Kinobesuch oder dem Angucken im heimischen Wohnzimmer abgeraten. Sie könnten von den makabren Witzchen verstört werden – und da sei nun wirklich Allah vor …

Originaltitel: Four Lions

Regie: Christopher Morris

Produktionsland und –jahr: GB, 2010

Filmlänge: 102 Minuten

Kinostart in Deutschland: 21. April 2011

FSK: Ab 16 Jahren

Verleih: Capelight (Alive AG)

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