Friedrichstadt – Holländerstadt in Schleswig-Holstein
Friedrichstadt in Schleswig-Holstein ist ein besonderer Ort. Vertriebene aus den Niederlanden schufen ihn und bis heute wirkt das Stadtzentrum teilweise wie eine Stadt in Holland.Friedrichstadt liegt an der Mündung der Treene in die Eider. Bewohnbar wurde die in der Marsch gelegene Fläche der heutigen historischen Kernstadt erst ab 1573. Da hatte Herzog Adolf I. von Schleswig-Holstein-Gottorf die Treene eindämmen lassen. 1621 wurde die Stadt von Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorf gegründet. Der wollte hier einen neuen Handelshafen anlegen.
Eine Schleuse trennt Friedrichstadt von der Eider. Die Gezeiten der Nordsee verursachten bis 1973, dem Jahr der Einweihung des Eidersperrwerkes, im Fluss noch einen Tidenhub von 2,1 Meter. Zwei Sielzüge mit drei Sielen verbinden die Treene mit der Eider und entwässern das Stadtgebiet. Die Innenstadt ist eine künstliche Insel. Im Süden begrenzt die Eider das Stadtgebiet, im Norden die Treene. Die Ost- und Westgrenze der Innenstadt markieren Oster- und Westersielzug. Durch die Innenstadt führen in Ost-West-Richtung zwei Kanäle, die die Sielzüge miteinander verbinden: der Mittelburggraben und der Fürstenburggraben.
Der Westersielzug ist etwa 30 Meter breit und vier bis fünf Meter tief. Der Ostersielzug ist meist nur etwa zehn Meter breit und zwei bis drei Meter tief ist. Die Kanäle in der Stadt sind noch kleiner.
Grachtenfahrt (Bild: Harald Rossa)
Architektur und Stadtbild
Die etwa 17 Hektar große historische Kernstadt entstand als Planstadt auf dem Grundriss eines Schachbrettmusters. Den von der holländischen Backsteinrenaissance geprägten Teil der Stadt durchziehen zwei Grachten: der Fürstenburggraben in der südlichen Stadthälfte und der Mittelburggraben zwischen der südlichen Vorderstadt mit quadratischen Parzellen und der nördlichen Hinterstadt mit rechteckigen Parzellen.
Der die Stadt ebenfalls prägende große Marktplatz grenzt an den Mittelburggraben. Die Fußgängerzone Prinzenstraße, sie ist die wichtigste Einkaufsstraße, führt vom Fürstenburggraben zum Marktplatz.
Die Häuser aus den Gründungstagen der Stadt errichteten holländische Baumeister zumeist mit aus Holland eingeführten Baumaterialien. Aus den Niederlanden wurden holländische Backsteine, die kleiner sind als typische deutsche Ziegel, fertige Sandsteingiebel, Pfeiler für die Kamine, gelbe und grüne Kacheln und selbst Bretter importiert. Auffällig sind die Hausmarken oder Gevelstene, das sind Reliefs über der Eingangstür, die einen Hinweis auf die ehemaligen Erbauer oder Bewohner geben. Von vielen Häusern, die im Verlauf der Unruhen 1850 zerstört wurden, blieben die Hausmarken erhalten und schmücken den danach entstandenen Neubau.
Erst nach 1945 entstanden neue Wohngebiete östlich der historischen Kernstadt. Die bieten das typische Bild der Neubauten jener Jahre. Westlich der Marschbahn entstand ein Gewerbegebiet.
Gracht (Bild: Harald Rossa)
Marktplatz
Der große Marktplatz teilt sich in der Mitte in einen gepflasterten Teil auf der West- und einen begrünten Teil auf der Ostseite. Diese beiden Flächen trennt eine Reihe von Eisenstangen, die aus der Zeit des Pferdemarkts stammen und dazu dienten, die Tiere anzubinden. In der Mitte des Platzes steht ein Brunnenhäuschen von 1879 mit vier plattdeutschen Sprüchen des Dichters Klaus Groth zum Thema Wasser.
An der Westseite des Marktplatzes stehen noch neun Häuser mit Treppengiebeln aus der Gründerzeit der Stadt. Das "Edamerhaus" soll an ein Gebäude in Edam erinnern. Die Apotheke ist das einzige Gebäude mit Freitreppe. Die Bebauung auf der Südseite des Marktplatzes wurde durch den Beschuss der Stadt im Jahr 1850 zerstört.
Am Markt (Bild: Harald Rossa)
Sakralbauten und Friedhöfe
Die von 1852 bis 1854 wiedererrichtete Remonstrantenkirche ist ein Saalbau. Außen zeigt sie barocke und spätklassizistische Elemente. Innen ist sie betont schlicht gehalten und gemäß remonstrantischen Grundsätzen keinen Altar. Hinter der Kirche liegt der remonstrantische Friedhof. Auf dem setzten Remonstranten, Mennoniten, Katholiken und Quäker ihre Toten bei.
Die evangelisch-lutherische St.-Christophorus-Kirche am Mittelburgwall ist eine Saalkirche nach niederländischem Vorbild. Sie entstand zwischen 1643 bis 1649. Der Westturm folgte 1657 und die barocke Turmhaube stammt aus dem Jahr 1762. Das Altargemälde von 1675 schuf der Rembrandt-Schüler Jürgen Ovens, der Hofmaler von Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf. Die Verbindung zum Meer symbolisiert ein Votivschiff von 1738.
In einem Seitenbau der Alten Münze entstand 1708 die innen wie außen schlichte Mennonitenkirche. Im Innenhof des Häuserblocks hinter der Kirche liegt der mennonitische Friedhof.
Die ehemalige Synagoge entstand 1845. Während der Reichspogromnacht 1938 wurde der größte Teil des Innenraums zerstört. 1941 wurde das Gebäude in ein Wohnhaus umgewandelt. Seit einer Restaurierung 2003 wird das Haus als Kulturzentrum genutzt. Die Westfassade wurde in den Zustand von vor 1938 zurückversetzt. Nord- und Südfassade behielten das Aussehen als Wohnhaus. In ihrem Inneren befindet sich eine Ausstellung über die Geschichte der jüdischen Gemeinde.
Museen
Das Museum für Friedrichstädter Geschichte ist seit 1997 in der Alten Münze untergebracht. Es bietet einen Blick in den benachbarten mennonitischen Betsaal und präsentiert Artefakte aus der Stadtgeschichte und ihrer multireligiösen Prägung. Wechselnden Ausstellungen zeigen u. a. Arbeiten einheimischer Künstler.
Das Tischlereimuseum Jacob Hansen zeigt die ehemalige Werkstatt des Tischlermeisters Jacob Hansen im Zustand zwischen den beiden Weltkriegen.
Das Fünf-Giebel-Haus am Fürstenburgwall ließ Herzog Friedrich 1623 für sich und seine Gäste bauen. Ein Teil des Hauses beherbergt eine der schönsten Galerien Schleswig-Holsteins. In wechselnden Ausstellungen werden vor allem Arbeiten norddeutscher Künstler und Kunsthandwerker präsentiert.
Außerhalb der Altstadt lockt der Modellbahn-Zauber die Liebhaber der Eisenbahn. Sie ist die größte Schauanlage in Schleswig-Holstein.
Ziele in der Umgebung
Ein Wahrzeichen der Region ist die vor 100 Jahren errichtete Klappbrücke über die Eider. Diese ist eine wichtige Verbindung zwischen der Halbinsel Eiderstedt und Dithmarschen.
Die Halbinsel Eiderstedt mit ihren Haubargen, dem Nordseebad St. Peter Ording, der alten Hafenstadt Tönning und dem Eidersperrwerk liegt vor den Toren von Friedrichstadt.
Für Radfahrer besonders interessant ist die Flusslandschaft von Eider, Treene und Sorge mit ihren Dörfern und angrenzenden Städten wie Heide, Schleswig, Husum, Rendsburg und Flensburg.
- Christiane Thomsen: Ein historischer Stadtbegleiter. Boyens, Heide 2001, ISBN 3-8042-1010-4
- Christiane Thomsen: Friedrichstadt - wie es war. Ein historisches Bilderbuch. Husum Verlag, Husum 2005, ISBN 3-8987-6222-X
Eiderbrücke (Bild: Harald Rossa)