Cynthia Micas

Cynthia Micas (Bild: © Esra Rotthoff)

Uns geht's ja noch gold

In der Anfangsphase macht Yael Ronen alles richtig. Sie lässt Dimitrij Schaad als einen Sprücheklopfer auftreten, der Personen aus anderen ethnischen Gruppen, in diesem Fall Kollegen aus dem Ensemble, mit vorurteilsschwangeren Klischees abqualifiziert. Es ist dies ein bösartiger, pointenreicher Sarkasmus, der mit Ironie und Humor gesprenkelt ist und bei den meisten Zuschauern gut ankommt. Eigentlich geht's uns in Deutschland ja noch gold, ist die simple Botschaft, während andere Staaten unsere längst bewältigten Kinderkrankheiten noch mit sich herumschleppen. Diese Abwertung anderer ist auch eine Bloßlegung germanischer Überheblichkeit, aber scharf und witzig. Die Lacher im Publikum geben Ronen recht, doch da beginnt schon ein Problem: Der Versuch, die Inszenierung mit einer Welle der Witzigkeit zu überziehen. All die Handlungen sind viel zu sehr auf den Effekt ausgerichtet, sie stehen nicht für sich selbst. Die Regisseurin hat sich zwei Kohlhaase ausgesucht, die sich ungerecht behandelt fühlen und gegen die Böswilligkeit ihrer Umgebung ankämpfen. Der eine ist Thomas Wodianka, der als Unternehmensgründer elektrische Fahrräder verkauft und unter die Räder des verchromten Straßenkreuzers eines selbstherrlichen Neureichen (Dimitrij Schaad) gerät. Da der gerechtigkeitsgläubige Entrepreneur vor Gericht kein Recht erhält, wundert er sich über den Rechtsstaat im Allgemeinen und sinnt auf Rache, die sich in einem Anschlag auf eine Party des Bonzen entlädt. Im Zuge der modernen Kommunikationsmittel werden schnell Trittbrettfahrer erzeugt, die Gefallen daran finden, wie der Original-Kohlhaas etwas in Schutt und Asche zu legen. Die Schlagkraft einer solchen Bewegung kommt aber daher mit der Ernsthaftigkeit eines Computerspiels.

 

Übertriebene Leichtigkeit

Der zweite Kohlhaas (Taner Şahintürk) ist ein gedemütigter Käsehändler, der immer wieder wegen angeblich falscher Papiere an der israelischen Grenze abgewiesen wird. Ohne Anarchie- und Rebellionsgedanken flüchtet er in die BRD, wo sein Asylverfahren abgelehnt wird wegen der Weigerung, ein von Rechtsradikalen umzingeltes Wohnheim zu betreten. Hier sind es lediglich innere Rachegefühle, die letztlich zur Resignation führen. Während der erste Kohlhaas wegen einer Lappalie eine vorrevolutionäre Situation auslöst, versumpft der andere trotz unsäglicher Entwürdigungen in einen Modus barer Selbstrettung. Insgesamt ist die Dramenidee gut, aber bedauerlicherweise nicht die Umsetzung. Ronen überzieht das Ganze mit einem Teppich von Albernheiten, der für ein amüsierwilliges Publikum wie geschaffen ist. Die Seriosität und Stringenz des Themas werden letztlich dem Drang nach kabarettgesättigter Unterhaltung geopfert, die dem Projekt etwas Märchenhaftes verleiht und die nachdenklichen Passagen überkleistert. Die Inszenierung ist etwas künstlich Zusammengesetztes, wie die auf die Bühne herabfallenden Schrottteile, die anschließend behelfsmäßig zusammengebaut werden. Durch die übertriebene Leichtigkeit der Darstellung wird das Ganze seiner Brisanz beraubt. Dabei ist das Ensemble ‚in Form': Die Schauspieler-Leistungen erreichen ein hohes Niveau, vor allem die im Gorki bislang kaum zur Geltung gekommene Cynthia Micas vermag zu überzeugen, mit Charme, breitem Zahnpasta-Lächeln oder als kompromisslose Grenzbeamtin. Die sympathische, hochtalentierte Regisseurin hat diesmal zu sehr auf die Karikatur gesetzt – bei einem anderen Ansatz wäre mehr herausgekommen.

Das Kohlhaas-Prinzip
von Yael Ronen und Ensemble

nach Heinrich von Kleist
Regie: Yael Ronen, Bühne: Heike Schuppelius, Kostüme: Miriam Marto, Musik: Nils Ostendorf, Video: Hanna Slak, Licht: Hans Fründt, Puppenbau und Coaching: Ulrike Langenbein, Dramaturgie: Irina Szodruch.
Mit: Cynthia Micas, Dimitrij Schaad, Thomas Wodianka, Jerry Hoffmann, Taner Şahintürk.

Gorki Theater Berlin

Premiere vom 23.Mai 2015
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, ohne Pause

 

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