"Hannibal Rising – Wie alles begann": Horrorfilm
Wie wurde aus Dr. Lecter die uns vertraute Bestie? Diese Frage versucht der Film "Hannibal Rising", basierend auf dem Bestseller von Thomas Harris, zu klären. Warum eigentlich?Familie Lecter: Opfer des Krieges
Hannibal ante portas
Litauen im Jahr 1944. Längst ist der Krieg zu Ungunsten des Deutschen Reiches entschieden. Trotzdem wird an der Ostfront erbittert gekämpft. Auch die lange Zeit unbehelligt gebliebene, angesehene Familie Lecter fällt dem Krieg zum Opfer.
Soldaten der Wehrmacht besetzen das Schloss, woraufhin die Gutsherren in eine abseits gelegene Jagdhütte fliehen, wo sie sich sicher fühlen. Eine trügerische Sicherheit, denn bei einem Scharmützel zwischen deutschen und sowjetischen Soldaten werden die Familienoberhäupter getötet. Nun liegt es am blutjungen Hannibal (Gaspard Ulliel), seine kleine Schwester Mischa zu beschützen.
Schon bald werden seine Fähigkeiten hart auf die Probe gestellt: Russische Nazi-Kollaborateure dringen in die Hütte ein und kratzen verzweifelt alles an Essbarem zusammen, dessen sie habhaft werden können. Als weder die Hütte, noch der Wald mehr Nahrung hergibt, töten sie Mischa, kochen und verzehren sie. Hannibal fällt in ein Trauma, überlebt aber den Krieg und wird in ein Waisenhaus gebracht.
Nach acht Jahren Aufenthalt flieht Hannibal nach Frankreich, wo er sich ein neues Zuhause bei seinem Onkel erhofft, Dort angekommen erfährt er, dass dieser längst verstorben ist. Dessen aus China stammende Frau Shikibu (Gong Li) nimmt sich jedoch des Jungen an und lehrt ihn unter anderem die Kunst des Schwertkampfs. Zwischen den beiden entwickelt sich eine vertrauensvolle Beziehung, die aber durch Hannibals unbändigen Durst nach Rache zu zerbrechen droht. Denn der inzwischen ebenso kluge wie kräftige junge Mann stößt zufällig auf die Spur jener Männer, die einst seine Schwester ermordeten und aßen …
Hannibal Rising – Wie alles begann
Ohne Anthony Hopkins
Bereits im Vorfeld der Verfilmung war bekannt geworden, dass Sir Anthony Hopkins für seine Paraderolle nicht mehr zur Verfügung stünde. Der Grund war einleuchtend: Anstatt an die Ereignisse von "Hannibal" anzuschließen, entschloss sich Autor Thomas Harris, erstmals einen Einblick in die Jugend des späteren Dr. Lecter zu gewähren. Eine konsequente Fortsetzung dessen, was mit "Roter Drache", dem ersten Hannibal-Lecter-Roman, begonnen hatte.
Spielte dieser sowohl im Roman, als auch der Verfilmung eine eher nebensächliche Rolle, so stand "Das Schweigen der Lämmer" ganz im Zeichen des charmanten Psychopathen. Auf die Spitze trieb Thomas Harris seine literarische Erfindung schließlich mit "Hannibal", der völlig auf Lecter zugeschnitten war. Der britische Regisseur Peter Webber ("Das Mädchen mit dem Perlenohrring") versuchte 2007 mit "Hannibal Rising – Wie alles begann" am Erfolg der Filmreihe mitzunaschen, scheiterte aber und lieferte einen Kassenflop ab.
Ein Opfer der Umstände?
Am betriebenen Aufwand lag es nicht, dass sich das Publikum für den vierten Teil der Reihe nicht erwärmen konnte. Auch nicht am Originaldrehbuch von Bestsellerautor Thomas Harris persönlich. Vielmehr wohnte dem Film "Hannibal Rising – Wie alles begann" die Prämisse inne zu enthüllen, wie aus einem ganz normalen Jungen die Bestie Dr. Hannibal Lecter wurde. Nur: Möchte dies der Zuschauer überhaupt wissen? Die Aura des unberechenbar Bösen, die Lecter stets umgab, wurde zugunsten billiger Küchenpsychologie geopfert.
Hannibal war demnach wenig mehr als ein Opfer der Umstände. Dabei hatte er doch selbst in "Das Schweigen der Lämmer" erklärt, es gäbe keine Gründe für sein monströses Verhalten, da er schlichtweg sei, was er sei. Gleich einem Zauberer, der seine Tricks dem Publikum erklärt, zieht Peter Webber den Schleier der Faszination vor dem intelligenten und charmanten, aber auch bösartigen Hannibal Lecter weg.
Überflüssiges Füllsel
Nicht, dass "Hannibal Rising – Wie alles begann" inkompetent inszeniert wäre oder es an guten Schauspielern mangeln ließe. Die Crux an der Verfilmung ist ihre Überflüssigkeit. Als Rachethriller funktioniert der Streifen zwar, doch an den hohen Erwartungen musste er fast zwangsläufig zerbrechen. Nach zwei Stunden Laufzeit dürften die meisten Zuschauer die Schultern zucken und sich fragen: "Und das war jetzt das große Geheimnis hinter Hannibal Lecter?"
Manches sollte einfach besser nicht erklärt, gezeigt oder aufgedeckt werden. Bereits George Lucas hatte mit seiner zweiten "Star Wars"-Trilogie den Fehler begangen, den Werdegang des sympathischen Schurken Darth Vader zu schildern. Auch seine Schlussfolgerung lautete: Er war ein netter Junge, wurde aber durch die Umstände zu seinen bösen Taten getrieben.
Zu Webbers Ehrenrettung sei jedoch angefügt, dass er für diese verblüffende Erkenntnis nur einen einzigen Film vergeigte …
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Originaltitel: "Hannibal Rising"
Regie: Peter Webber
Produktionsland und -jahr: GB / F / I / Tschechien, 2007
Filmlänge: ca. 117 Minuten
Verleih: Tobis
FSK: Ab 16 Jahren
Deutscher Kinostart: 15.02.2007
Bildquelle:
http://www.amazon.de
(Horrorfilme: Nach wahrer Begebenheit oder frei erfunden?)