Hans Otto Theater: Kritik von "Kirschgarten – Die Rückkehr" – Tobias Wellemeyer
Uraufführung in Potsdam. Der Autor John von Düffel wiederbelebt das Tschechow-Personal und siedelt es in Gorbatschows Perestroika an.Melanie Straub (Anja), Alexander Finkenwirth (Sascha) und Raphael Rubino (Lopachin) (Bild: © HL Böhme)
Eine Spekulantin mit Idealismus
Melanie Straub spielt die ins Nostalgische hinabtauchende Anja und erscheint exakt beim Kirschblütenfest. Sie lügt nicht – im Gegensatz zu Jesus, der sagte, er gehe nicht aufs Laubhüttenfest, obwohl er doch ging. Anscheinend hat sie mit der Wahrheit viel zu schaffen – aber im heutigen Sprachgebrauch ist sie eine Spekulantin, die Idealismus mit Materiellem vermischt. Es ist dies ein Kampf um einen Kindheitstraum, der über Generationen hinweg konserviert wurde. Ihre Hartnäckigkeit lässt alle Erotik fallen, keine sinnliche Bestandsaufnahme kommt zustande, nicht einmal im Gespräch mit dem Parvenü-Politiker Trofimow ( Jon-Kaare Koppe), der – ganz zeitgemäß – eine Tourismusabgabe für den Erwerb des Kirschgartens vorschlägt. Jon-Kaare Koppe tritt auf wie ein typischer Provinzpolitiker, kühl kalkulierend, aber kalt und geistig unterbemittelt.
Erotik durch die Hintertür
Die Erotik kommt durch die Hintertür herein durch Elzemarieke de Vos, die Dunjascha spielt mit verbundenem Oberarm. Wie das klischeehaft knattert und knistert! Immerhin, aus ihrer Schablone holt sie viel heraus. Obwohl sie quasi nur ein Anhängsel von Lopachin ist. Der wird vom Vorzeige-Pykniker Raphael Rubino dargestellt, der jedes Bilderbuch einer wohlgenährten, gestählten Rasse schmücken könnte. Eine Aura der Halbwelt umschwebt uns. Wer sich mit dem in Geschäfte einlässt, so der Eindruck, begibt sich in die Gefilde der Korruption. Alexander Finkenwirth als Sascha fungiert als seine rechte Hand, und es sind noch viele rechte Hände im Hintergrund zu vermuten. So einfach ist die Geldwirtschaft denn doch nicht, das spürt auch Anja. Schmiergelder gibt es überall. Auch in sogenannten befreiten Staaten.
Blühende Landschaften
Herausragend bei der Premiere ist vor allem Bernd Geiling, der den Bruder Gajew sehr offensiv hinlegt. Zugegeben, die Kurzangebundenheit verleiht ihm etwas Preußisch-Militärisches, aber das passt ja in die Potsdamer Geschichte. Aber in Potsdam hat längst ein Umbruch stattgefunden. Nur kann man den nicht adäquat auf ein Theaterstück übertragen. Was hatte John von Düffel im Sinn? Blühende Landschaften in Potsdam? Davon redet auch Trofimow, in Anlehnung an Helmut Kohl. Was gab es? Blühende Arbeitslosigkeit. John von Düffel sollte seine Pläne woanders realisieren. Herausgekommen ist eine sehr durchwachsene Premiere.
Kirschgarten – Die Rückkehr (UA)
von John von Düffel
Regie: Tobias Wellemeyer, Bühne: Alexander Wolf, Kostüme: Ines Burisch, Musik: Marc Eisenschink.
Mit: Elzemarieke de Vos, Raphael Rubino, Melanie Straub, Bernd Geiling, Jon-Kaare Koppe, Alexander Finkenwirth, Christoph Hohmann.
Premiere vom 7. Februar 2014
Dauer: 2 Stunden 40 Minuten, eine Pause
Bildnachweis: alle Fotos © HL Böhme
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)