Hans Otto Theater Potsdam: Kritik von "Good People" - David Lindsay-Abaire
Deutsche Erstaufführung. Ein Mann und eine Frau kommen aus dem gleichen Unterschichtsmilieu in Boston. Er hat es geschafft und ist Arzt, sie lebt prekär und ist halb abgestürzt.Jon-Kaare Koppe, Andrea Thelemann (Bild: © HL Böhme)
Eine ausgefallene Party erhält einen unerwarteten Verlauf
Elias Perrig inszeniert das Stück sehr gefällig und gut goutierbar, das Sperrige und Schrille vermeidet er konsequent. Schon das Ausbleiben einer kleinen Überweisung könnte Margaret, genannt Margie (Andrea Thelemann), an den Rand des existentiellen Abgrunds bringen. Sie versorgt ihre behinderte Tochter Joyce recht und schlecht, und die ist auch der Grund für Terminversäumnisse und Zeitverluste, die Margie letztlich den Job gekostet haben. Als die arbeitssuchende Margie in ihrer Verzweiflung Mike (Jon-Kaare Koppe) aufsucht, lädt er sie eher widerwillig zu einer Geburtstagsparty bei sich ein, lädt sie dann aber wieder aus. Für sie ein desaströses Unglück, wollte sie doch wertvolle Beziehungen knüpfen, sei es auch nur eine provisorische Überlebenskrücke. Aber einen ominösen Trumpf hält sie noch in der Hand: Ihr Kind Joyce wurde, sie ist sich sicher, von Mike gezeugt, in einer gierigen Teppichaktion, wer weiß. Ihre Freunde Dottie und Jean (Meike Finck, Katrin Hauptmann), die schlicht und verhalten und manchmal ausgelassen auftreten, bestärken sie in dem Vorhaben, die Wahrheit unverblümt auf den Tisch zu legen, um Geld von Mike herauszuholen. Gekränkt in ihrem unverschuldeten, aus Mikes Sicht selbstverschuldeten Unterschichtsgemüt, geht sie trotzdem zu seinem Haus, wo sie von Mikes afroamerkanischer Freundin Cate (Patricia Coridun) zuerst abgefangen und dann aufgenommen wird. Erinnerungen an die Vergangenheit, von Mike zähneknirschend hingenommen, nehmen ihren Lauf.
Andrea Thelemann (Margaret), Jon-Kaare Koppe (Mike), Patricia Coridun (Kate) (Bild: © HL Böhme)
Die Überlegenheit jener, die es geschafft haben
Das Stück lebt eigentlich von lapidarem Wortwitz und lakonischen Bemerkungen, doch Thelemann, schwere Betroffenheit vorspiegelnd, rasselt ihren Text zu unprägnant und unbetont, mitunter auch überbetont herunter und rückt kaum aussagekräftige Wortpausen ein, während bei Koppe der Eindruck entsteht, er verfalle in seiner Ernsthaftigkeit immer wieder in freiwillige und unfreiwillige Komik. Eine selbstverliebte Figur, die auch gern mal einige ironisch gebrochene, aber sachlich vorgetragene Zynismen herauslässt und sich angesichts einer parvenuhaften Karriere in sicherer Überlegenheit wähnt. Doch das Schmieden von Glück, von Mike gepriesen, ist nicht jedermanns Sache, einige bleiben dabei wegen einer unerquicklichen Verkettung von Umständen auf der Strecke, ohne nach dem Fürsorgestaat zu brüllen. Um den geht es hier auch gar nicht. Die Drehbühne kreist unablässig, wir sehen Mikes weiße, kalte, aseptische Arztpraxis, die ärmliche Hütte von Margaret und das geschmacklose Wohlstandswohnzimmer von Mike, wo vor einer hässlichen Blumentapete die Sachlage mit Inbrunst erörtert wird. Was, Joyce, ein Kind von Mike? Ausgeschlossen, das wird Margie gleich ausgeredet. Dazu ertönen Klänge, die gut in ein Kaufhaus passen würden, um die Kauffreudigkeit zu steigern. Hier handelt es sich nicht um eine vom Staat ausgerufene Solidargemeinschaft: Das Austragen von Gegensätzen dominiert in einem Maße, dass jeder für sich selbst verantwortlich zu sein scheint, auch wenn niemand seinem unausweichlichen Schicksal zu entrinnen vermag. Am Ende darf auch noch Eddie Irle ran. Er spielt Margies Ex-Chef Stevie, der sich zu ihrem vermeintlichen Retter aufschwingt und ihr finanziell unter die Arme greift. Die Herkunft des behinderten Kindes bleibt ungeklärt, obgleich einige zu wissen vermeinen, dass der kalt abservierende Mike der nur kurzzeitig entflammte Erzeuger war und ein fatales Strohfeuer entfachte. Perrig, ohne ausgefuchste Details und bescheiden im Regiestil, macht daraus ein artiges Diskussionstheater mit Empörungselementen, aber ohne kühnen Schwung. Letztlich lässt er das Stück herunterspielen, mit einigen raffinierten Kurzszenen und viel Langeweile.
Good People (Mittelschichtsblues)
von David Lindsay-Abaire
Deutsch von Anna Opel
Regie: Elias Perrig, Bühne: Beate Faßnacht, Kostüme: Sara Kittelmann, Dramaturgie: Nadja Hess.
Es spielen: Katrin Hauptmann, Patricia Coridun, Jon-Kaare Koppe, Meike Finck, Eddie Irle, Andrea Thelemann, Nike Weber.
Hans Otto Theater Potsdam, Deutsche Erstaufführung vom 23. März 2018.
Dauer: ca. 110 Minuten, keine Pause
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)