Indianerstatue vor dem Bostoner Museum of the Fine Arts (Bild: Jens Goetzke)

Die Irokesen liebten die uneingeschränkte Freiheit

Die Familienorganisation der Irokesen war mutterrechtlich, der Besitz vererbte sich durch die Mutter. Die Frauen blieben im Langhaus, in dem sie geboren wurden, und bildeten so in jeder einzelnen Großfamilie einen festen Block. In einer solchen untereinander verwandten Langhausfamilie war eine Frau das Oberhaupt, die sehr viel Macht und Einfluss besaß. Ursprünglich waren die Stämme der Irokesen untereinander ständig in blutige Auseinandersetzungen verwickelt.

Vermutlich Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts tauchte dann ein Mann auf, der sich vorgenommen hatte, die Bruderkämpfe zu beenden: Hayenwatha, der Häuptling der Onondagas. Den alten Überlieferungen nach soll er das Mohawktal hinauf- und hinabgezogen sein und Brüderlichkeit zwischen den einzelnen Stämmen gepredigt haben. Dass er dabei auf Ablehnung stieß, ist nicht weiter verwunderlich. Die Irokesen waren an die uneingeschränkte Freiheit gewöhnt. Sie liebten sie in jeder Form. Selbst die kleinste Gruppe genoss Selbstständigkeit. Und nun sollten sie sich plötzlich zusammentun, sich an den Beschluss einer Mehrheit binden? Sollten nicht mehr den Nachbarn überfallen und ausplündern dürfen? Nein, von einem solchen Bündnis wollten sie nichts wissen.

Hayenwatha plante eine ungeschriebene Verfassung

Hayenwatha hielt jedoch an seinem Plan fest. Auch dann noch, als er von seinen eigenen Leuten verstoßen wurde. Trotz dieses Misserfolgs versuchte er sein Glück bei einem anderen Stamm. Dort war man seiner Idee gegenüber aufgeschlossener. Es gelang Hayenwatha den Stamm soweit zu bringen, das sie sich bereit erklärten, dem Bund beizutreten. Jedoch nur unter der Bedingung, dass auch die anderen Stämme mitmachten. Schließlich gaben fünf Stämme ihre Zustimmung: die Mohawk ("Hüter des Feuersteins"), die Seneca ("Kinder der Hügel"), die Cayuga ("die Söhne des finsteren Waldes"), die Onondaga und die Oneida. Das war der neue Bund der fünf Stämme.

Hayenwathas Plan war eine ungeschriebene Verfassung. Sie sah die Wahl einer Vertretungskörperschaft vor und stellte Richtlinien für die einzuberufenden Sitzungen auf. Die Abstimmung erfolgte stammweise. Kriegserklärungen erforderten den einstimmigen Beschluss, Streitigkeiten zwischen den Stämmen sollten durch Schiedsspruch beigelegt werden und nicht durch Gewalt. Diese ungeschriebene Verfassung gab jedem Stamm fast völlige Unabhängigkeit und vereinte sie auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und Wünsche. Deshalb wurden die fünf Stämme von den Weißen als "die fünf Nationen" bezeichnet. Mit dem späteren Beitritt der Tuscarora im Jahr 1715 änderte sich der Name in "die sechs Nationen".

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